„Netzwerk Kieferorthopädie“ lautete das Leitthema des 29. Harzer Fortbildungsseminars, das im November 2019 im Relexa Hotel in Bad Salzdetfurth stattfand. 185 Zahntechnikerinnen und Zahntechniker mit Spezialisierung auf Kieferorthopädie sowie Kieferorthopäden und Zahnärzte waren angereist, um ein breit gefächertes Vortragsangebot wahrzunehmen, das neben Vorträgen zum KFO-Klassiker Bionator Redebeiträge zum digitalen Workflow, dem Datenschutz und der Werkstoffkunde beinhaltete. Dieser Beitrag stammt aus der Quintessenz Zahntechnik 1/20.
Stellenwert des Bionators
Prof. Dr. Ingrid Rudzki aus München eröffnete am Freitagmorgen die Vortragsreihe mit Ausführungen über den „Stellenwert des Bionators im aktuellen kieferorthopädischen Therapiekomplex“ (Abb. 1). Sie erläuterte die klinischen Vorbefunde und hob die Ziele der Funktionskieferorthopädie hervor. Mit seinem anschließenden Vortrag über die fachgerechte Herstellung des Bionators komplettierte ZT Udo Wolfstädter, ebenfalls aus München, die Ausführungen. Dr. Thomas Sagner aus Fürstenfeldbruck stellte in seinem Vortrag Übertragungstrays für die indirekte Klebetechnik von Brackets vor und zeigte, wie sie herzustellen sind. Dabei kristallisierte sich heraus, dass das aufgezeigte Fertigungsverfahren sehr zeitintensiv ist.
Dass mithilfe der OnyxCeph-Software Übertragungstrays digital geplant und gefertigt werden können, erfuhren die Tagungsteilnehmer von ZT Stefano Pandolfi Constanti, dem Referenten der italienischen Schwestergesellschaft AIOT. Dabei kam zur Sprache, dass die Position der Brackets genauer und zielgerichteter berechnet und Fehlerquellen auf das Äußerste minimiert werden können.
Digitale Herstellung von Schienen unter der Lupe
Vanik Kaufmann-Jinoian aus der Schweiz teilte als letzter Referent des Tages seine Erfahrungen bei der digitalen Herstellung von Schienen. Er verglich verschiedene Oralscanner und Drucker und gab Hinweise, worauf beim Erwerb der Geräte zu achten ist. Er benannte nötige Mindestanforderungen, um ein optimales Endergebnis zu erreichen, und stellte hoch gepriesene Gerätevorzüge infrage.
Am nächsten Tag gehörte die Bühne zunächst Zahnarzt Jens-Christian Katzschner aus Hamburg. Sein Thema war die Ergonomie am Arbeitsplatz. Unter Körpereinsatz und mithilfe Freiwilliger aus dem Publikum machte er klar, dass ein Arbeitsplatz immer an der Körpergröße ausgerichtet sein sollte, um negative Zwangshaltungen auszuschließen, die letztendlich zu Fehlbelastungen und dadurch zu Rücken- und Gelenkschmerzen führen (Titelbild).
Schwachstellen der Datensicherung
Anschließend benannte Michael Daletzki, IT-Ingenieur aus Detmold, die Schwachstellen bei der Datensicherung, zeigte den richtigen Umgang mit E-Mails und wie sich Labore am besten vor Viren und anderer Schadsoftware schützen. Dr. Jakub Malinowski aus Wrozław in Polen stellte das MALU-Gerät vor, eine Modifikation des Herbstscharniers, und demonstrierte anhand verschiedener Patientendokumentationen die Wirkungsweise dieser Apparatur.
Die Quintessenz Zahntechnik, kurz QZ, ist die monatlich erscheinende Fachzeitschrift für alle Zahntechniker und zahntechnisch interessierte Fachleute, die Wert auf einen unabhängigen und fachlich objektiven Informationsaustausch legen. Im Vordergrund der Beiträge und Berichterstattung steht die Praxisrelevanz für die tägliche Arbeit. In dieser Zeitschrift finden sich Zahntechniker, Dentalindustrie und die prothetisch orientierte Zahnarztpraxis mit ihren Anliegen nach einer hochwertigen Fortbildung gleichermaßen wieder. Zur Online-Version erhalten Abonnenten kostenlos Zugang. Mehr Infos zur Zeitschrift, zum Abo und zum Bestellen eines kostenlosen Probehefts finden Sie im Quintessenz-Shop.
Über den Einsatz gegossener Kobalt-Chrom-Molybdän-Teile in der Kieferorthopädie referierte ZT Guido Reichhart aus Kempten. Mit einer detaillierten Fotopräsentation machte er die Entstehung dieser Teile von der Modellation bis zur Fertigstellung nachvollziehbar. Wegen ihrer hohen Mundbeständigkeit gelten gegossene Kobald-Chrom-Molybdän-Teile als eine der Alternativen zu Lötverbindungen.
ZT Henning Hinrichs aus Rastede beendete die Vortragsreihe am Samstag. Er sprach über seine Erfahrungen bei der Anwendung verschiedener Computerprogramme, legte dar, was mit der Software schon erreicht werden kann und zeichnete auf, wie die Digitalisierung das Aufgabengebiet des Zahntechnikers verändern wird.
Vor der Planung den Kieferknochen analysieren
In seinem Vortrag über die „Multibrackettherapie und der peridentale Knochen – Grenzen und Konsequenzen“ bezog sich Dr. Fabian Jäger aus Berlin auf Ergebnisse verschiedener Studien, bei denen Veränderungen des peridentalen Knochenangebots während der Multibracketbehandlung untersucht wurden. Er hob hervor, dass Kieferorthopäden bereits vor der Therapieplanung die bestehenden Knochenverhältnisse untersuchen müssen, denn es gilt abzuschätzen, inwieweit eine Stabilität des Behandlungsergebnisses gegeben ist, ohne die parodontale Gesundheit des Patienten zu beeinträchtigen.
„Gips als Werkstoff – lästig oder unersetzlich?“ – Wer unter diesem Thema einen langweiligen Werkstoffkundevortrag vermutete, irrte sich. Dr. Phillip Apeldorn aus Mayen sprach über einen natürlichen Rohstoff, dem Zahntechniker in verschiedenen Bereichen begegnen. Sei es als Modell, auf dem im Labor gearbeitet wird, sei es als Verbands- und Schienungsmittel oder als Zwischenwand beim Hausbau. In Apeldorns Vortrag ging es nicht nur um Verarbeitung und Eigenschaften des Gipses, er regte im Sinne der Nachhaltigkeit an zu erforschen, ob Gips als Materialgrundlage zum Drucken von Modellen verwendet werden kann.
Arbeit im Wandel
Karola Krell aus Augsburg zeichnete in ihrem Vortrag „Arbeit im Wandel“ die historischen Veränderungen der Arbeitsprozesse durch Technisierung und Modernisierung vom Mittelalter bis zur heutigen Zeit auf. Der technische Fortschritt führte danach nicht nur in der Vergangenheit zu großen zivilen Veränderungen, auch heute beeinflusst er zum Beispiel durch die fortschreitende Digitalisierung und Automatisierung in zunehmendem Maße unser Arbeitsverhalten.
Wie bei jedem der jährlichen Fortbildungsseminare der GK zeigten Unternehmen im Foyer ihre Produkte und berieten Interessierte (Abb. 2). Ebenfalls schon traditionell konnten sich die Teilnehmer auf den sogenannten Kieferorthopädische Spaziergang und den Rustikalen Baudenabend mit Band, Tanz und Tombola freuen. Das 30. Harzer Fortbildungsseminar findet vom 12. bis 15. November 2020 in H4 Hotel in Leipzig statt.
Heike Pietack, 1. Vorsitzende der GK