Der Bundesgerichtshof (BGH) hat zwei Entscheidungen zu ästhetischen Behandlungen getroffen – sowohl im Bereich Werbung als auch im Bereich Honorar/Rabattaktionen. Die Deutsche Gesellschaft für Plastische, Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie (DGPRÄC) begrüßt die so gewonnene Klarheit, weist aber auch auf weitere Probleme – Stichwort Heilpraktiker – hin.
„Zunehmend kritisch beobachten wir seit einigen Jahren die Kommerzialisierungsspirale bei ästhetischen, vor allem vermeintlich minimalinvasiven Eingriffen“, konstatiert Prof. Dr. Marcus Lehnhardt, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Plastische, Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie (DGPRÄC). Insbesondere über die Sozialen Medien würden immer jüngere Zielgruppen angesprochen.
Dies berge unterschiedliche Risiken. Zentral sei, dass mögliche Komplikationen nicht thematisiert und dargelegt würden. Hinzu käme, dass mit Rabattaktionen, meist zeitlich begrenzt, ein Handlungsdruck aufgebaut werde und Vorher-Nachher-Abbildungen suggerierten, dass Ergebnisse immer realistisch dargestellt und übertragbar seien. „In beiden Fällen hat der BGH nun Klarheit geschaffen, so dass bestehende Marktverhaltensregeln hier nun zum Wohle der Patientinnen und Patienten zur Anwendung kommen und endlich Rechtssicherheit besteht“, freut sich der plastische, rekonstruktive und ästhetische Chirurg.
Faltenunterspritzungen: Vorher-Nachher-Darstellungen verboten
In Paragraf 11 Absatz 1 Satz 3 Nummer 1 des Heilmittelwerbegesetzes (HWG) ist geregelt, dass nicht mit Vorher-Nachher-Darstellungen für medizinisch nicht operative plastisch-chirurgische Maßnahmen geworben werden darf. Ausgehend von einem Urteil des Landgerichts Frankfurt (Urteil vom 3. August 2021, Az.: 3-06 O 16/21) setzte sich bezüglich der Auslegung, was denn ein operativ-plastisch-chirurgischer Eingriff sei, eine neue Rechtsprechung durch. In dieser wurde festgestellt: „Ein instrumenteller Eingriff liegt auch dann vor, wenn die Formveränderung durch eine Unterspritzung vorgenommen wird.“ Ähnlich hatten es auch das Oberlandesgericht Köln in einem Fall entschieden (OLG Köln, Urteil vom 27. Oktober 2023, Az: 6 U 77/23), in dem es um Vorher-Nachher-Bilder ging. Zu dieser Entscheidung war Revision beim BGH beantragt, aber von diesem abgelehnt worden.
Lehnhardt erläutert zu den Entscheidungen: „Anders formuliert: Nach der Auffassung des Gerichts handelt es sich bei Unterspritzungen, mit zum Beispiel Hyaluronsäure, um einen operativ-plastisch-chirurgischen Eingriff im Sinne von Paragraf 11 HWG. Daher darf nicht mit Vorher-Nachher-Bildern geworben werden.“ Er hält diese Auslegung für durchaus berechtigt, schließlich drohten auch bei diesen Behandlungen durchaus Risiken, so könne ein Gefäßverschluss zur Erblindung führen. „Hinzu kommt, dass Erwartungen geschürt werden und Bilder auch bearbeitet sein können, weshalb wir uns mit anderen Verbänden für eine Kennzeichnungspflicht einsetzen.
GOÄ – Rabatte schaffen irrationalen Druck
„Neben der niedrigschwelligen Ansprache durch stets optimale Behandlungsergebnisse stellen wir auch eine deutliche Zunahme von häufig zeitlich begrenzten Rabattangeboten fest“, berichtet Lehnhardt. Dies stehe einer sorgfältigen Abwägung vor einem Eingriff genauso im Weg wie der genauen Prüfung von Anbietern“, befindet der Plastische Chirurg und ist froh, dass der Bundesgerichtshof (BGH, Urteil vom 4. April 2024, Az.: III ZR 38/23) nun auch in dieser Frage Klarheit geschaffen hat. Zuvor sei unklar gewesen, ob die Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) auch Anwendung findet, wenn der Behandlungsvertrag nicht mit dem Arzt selbst sondern mit einer Klinik, einem MVZ, einer GmbH oder anderen Akteuren geschlossen werde. „Zumindest für den ambulanten Bereich, in dem es ja regelhaft zu Faltenbehandlungen kommt, ist diese Frage nun geklärt“, berichtet Lehnhardt. Die GOÄ komme immer zur Anwendung, wenn ärztliche Leistungen erbracht würden.
Fehlende Regulierung bei Heilpraktikern
Für Heilpraktiker, die per Heilpraktikergesetz befugt seien, die Heilkunde auszuüben und über die Heilpraktikerordnungen der Länder Injektionen durchführen dürften, finde diese Vorschrift naturgemäß keine Anwendung, sie seien ja keine Ärzte. „Umso erstaunlicher erscheint es, dass sie trotzdem befugt sind, Falten mit Hyaluronsäure zu unterspritzen. Und hier“, so Lehnhardt „sind wir im Grunde wieder beim ersten Urteil.“ Zwar regele das Heilmittelwerbegesetz nicht, wer die Heilkunde ausüben darf, aber der BGH habe die Auffassung des Oberlandesgerichts (OLG) Köln bestätigt, dass das Verbot nicht nur den „klassischen“ Eingriff mittels Skalpells umfasse, sondern nach dem Schutzzweck der Norm und des HWG auch Hautunterspritzungen.
Gesetzesinitiative angekündigt
Zudem lasse sich der Gesetzesbegründung entnehmen, dass für die Frage, ob ein „operativer“ Eingriff vorliege, nicht die Intensität des körperlichen Eingriffs oder die Verletzung der Haut die zentrale Rolle spiele, sondern die Risiken, die für die Verbraucher aus dem Eingriff erwachsen könnten. Diese Risiken habe das Gericht auch bei Hautunterspritzungen gegeben gesehen. „Dieser Auffassung stimmen wir absolut zu und werden uns nach der parlamentarischen Sommerpause wiederholt dafür einsetzen, dass die Rechtslage hier endlich geändert wird“ kündigt Lehnhardt an und führt abschließend aus: „Zu den Risiken gehört – neben gegebenenfalls nicht ausreichenden anatomischen Kenntnissen und einer Behandlungsumgebung, die nicht jener einer Arztpraxis entspricht –, dass Heilpraktikerinnen und Heilpraktiker auch keinen Zugriff auf Medikamente haben, die bei Komplikationen notwendig werden können.“