0,00 €
Zum Warenkorb
  • Quintessence Publishing Deutschland
Filter
2050 Views

Fortschritte in der Phagen-Therapie: Forscher weisen breite Wirksamkeit gegen MRSA-Bakterien nach

(c) Foto: CDC

Bakteriophagen sind spezielle Viren, die ausschließlich Bakterien angreifen und deshalb eine Alternative zu Antibiotika darstellen können. Allerdings ist es aufwendig, die für ein bestimmtes Bakterium wirkenden Phagen zu identifizieren und zu gewinnen oder gar standardisiert herzustellen. Daher wird die Phagentherapie in Deutschland nur als individueller Heilversuch eingesetzt. Ein Team aus österreichischen, deutschen und schweizerischen Forschern konnte nun erstmals zeigen, dass gezielt herangezüchtete Phagen deutlich besser gegen multiresistente Keime wirken, als bekannte Wildtypen. Die Ergebnisse der gemeinsamen Forschungsarbeit wurden jetzt im Fachjournal „Pharmaceuticals“ publiziert (DOI: 10.3390/ph14040325).

„ε² – Evolution squared“, zu Deutsch etwa „Evolution im Quadrat“, so nennt das österreichische Unternehmen PhagoMed Biopharma ihre Züchtung von „bakterienfressenden“ Viren zur Bekämpfung von Methicillin-resistenten Staphylokokken (MRSA). Eine Therapie mit den sogenannten Bakteriophagen gilt schon seit einiger Zeit als aussichtsreiche Option zur Therapie von schwer zu behandelnden Infektionen mit multiresistenten Bakterien. Sie wirken viel gezielter auf die krankheitsverursachende Bakterienspezies und können typische Resistenzmechanismen von Bakterien umgehen. Besonders auf Biofilmen – eine Art schützender Schleim, den Bakterien um sich bilden – bleiben Phagen oft deutlich besser wirksam als Antibiotika.

Hohe Spezifität großer Nachteil

Doch die hohe Spezifität der Phagen war bislang auch ihr größter Nachteil: „Bakteriophagen sind derart exakt an ihr Wirtsbakterium angepasst, dass selbst eng verwandte Stämme der gleichen Bakterienart nicht mehr von ihnen angegriffen werden. Bislang versuchte man das durch eine geschickte Mischung natürlich vorkommender Phagen zu umgehen. Selbst in günstigen Fällen wirkt diese Phagen-Mixtur oft nur bei der Hälfte aller Zielbakterien und im schlimmsten Fall wirkt er nur auf einen einzigen Stamm von hunderten“, erläutert der InfectoGnostics-Forscher Prof. Ralf Ehricht, der mit seinem Team vom Leibniz-Institut für Photonische Technologien Jena und der Friedrich-Schiller Universität Jena an der Studie beteiligt war.

Originalpublikation
Sáez Moreno, D.; Visram, Z.; Mutti, M.; Restrepo-Córdoba, M.; Hartmann, S.; Kremers, A.I.; Tišáková, L.; Schertler, S.; Wittmann, J.; Kalali, B.; Monecke, S.; Ehricht, R.; Resch, G.; Corsini, L. ε2-Phages Are Naturally Bred and Have a Vastly Improved Host Range in Staphylococcus aureus over Wild Type Phages. Pharmaceuticals 2021, 14, 325. DOI: 10.3390/ph14040325

Gezüchteter Bakteriophagen-Cocktail wirkt gegen mehr als 100 Bakterienstämme

Um optimal für den therapeutischen Einsatz geeignete Viren heranzuzüchten, nutzten die Entwickler von PhagoMed die Mechanismen der Evolution: Sie kreuzten verschiedene Phagen und selektierten diejenigen, die ein möglichst breites Spektrum an Bakterienstämmen angreifen konnten. Gemeinsam mit den Jenaer Campusforschern und weiteren Partnern testeten sie eine Mischung der so gezüchteten Phagen an 110 Staphylokokken-Stämmen. Diese Bakterienstämme hatten die Forscher vorab ausgewählt und umfassend analysiert – 43 Prozent von ihnen waren bereits multiresistente MRSA-Varianten. Das Resultat nach der Behandlung mit den gezüchteten Phagen: Bei 101 der 110 Bakterienstämme wurde das Wachstum erfolgreich unterbunden.
„Das ist ein großer Fortschritt für die Phagentherapie, wodurch sie bei manchen Krankheitsbildern als ernsthafte Alternative zur antibiotischen Behandlung von MRSA-Infektionen in den Fokus rückt“, bewertet Ralf Ehricht die Ergebnisse der Studie.

Unternehmen arbeiten an Lösungen für leichtere Analyse

Weitere Partner des InfectoGnostics Forschungscampus Jena arbeiten darüber hinaus bereits an der Gen-Analyse von Bakteriophagen: So hat das junge Startup-Unternehmen Nanozoo bereits gemeinsam mit akademischen Campuspartnern des Universitätsklinikums Jena und der Friedrich-Schiller-Universität Jena ein neues Bioinformatik-Tool namens „What the Phage“ entwickelt, das erstmals eine nutzerfreundliche Analyse von Gensequenzen von Phagen ermöglicht. Mit dem kostenlosen Open-Source-Programm lassen sich Phagen in Sequenzdatensätzen identifizieren, die sich auch für eine therapeutische Anwendung gegen passende Wirtsbakterien eignen könnten.

Mehr zum Thema Viren und Bakteriophagen, auch zum Einsatz in der Zahnmedizin, bot der Vortrag von Prof. Dr. Karin Mölling auf dem Deutschen Zahnärztetag 2019. In einem Videointerview gab sie dazu Auskunft: „Phagentherapie: Wie Viren gegen Bakterien helfen“
Weitere Beiträge:
„Bakteriophagen – eine Alternative zu Antibiotika?“
• „Synthetische Phagen mit programmierbarer Spezifität“

Titelbild: Phagen bilden einen kreisrunden Lysehof (links oben) in einer Bakterienkultur.
Reference: Interdisziplinär Bunte Welt Studium & Praxisstart Zahnmedizin Nachrichten

AdBlocker active! Please take a moment ...

Our systems reports that you are using an active AdBlocker software, which blocks all page content to be loaded.

Fair is fair: Our industry partners provide a major input to the development of this news site with their advertisements. You will find a clear number of these ads at the homepage and on the single article pages.

Please put www.quintessence-publishing.com on your „adblocker whitelist“ or deactivate your ad blocker software. Thanks.

More news

  
2. Jul 2025

Wie Fruchtzucker das Entzündungsrisiko steigert

Schon kurzfristiger hoher Fruktosekonsum erhöht Rezeptoren für bakterielle Toxine an Immunzellen
30. Jun 2025

Die Zeitschrift „Endodontie“ etabliert den Blick über den Tellerrand

Die aktuelle Ausgabe 2/2025 führt die neue Rubrik „Endodontic Medicine“ ein
25. Jun 2025

Führungswechsel beim Arbeitskreis Oralpathologie und Oralmedizin

Prof. Dr. Joachim Jackowski von der UW/H will als neuer Vorsitzender Fachwissen stärken
23. Jun 2025

Diabetische Folgeerkrankungen vermeiden

KZBV sieht DMP-Aktualisierung als wichtigen Schritt für verbesserte Patientenversorgung
23. Jun 2025

Gemeinsam für eine bessere Mundgesundheit – weltweit

WHO, EFP und PBOHE fordern dringende Maßnahmen zur Mundgesundheit – gemeinsame Sitzung auf der EuroPerio11 in Wien
20. Jun 2025

Der Mundgesundheit endlich die ihr zustehende Bedeutung geben

Kritik am Vorentwurf der Politischen Erklärung des UN-Treffens zu nichtübertagbaren Erkrankungen im September 2025
19. Jun 2025

„Mach was draus!“

39. Berliner Zahnärztetag beleuchtete das Spannungsfeld von Generalist und Spezialist und stellte neue Fachthemen für die Praxis vor – Save the date: Jubiläumskongress 2026!
16. Jun 2025

Das Kongress-Highlight 2025: Impulse für die Zahnmedizin von morgen

Die ganze Zahnmedizin auf dem 4. Gemeinschaftskongress der zahnmedizinischen Fachgesellschaften in Berlin – jetzt gleich buchen