Die Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie deckt eine große Bandbreite von medizinischen Bereichen und Fragestellungen ab – und sie ist international gut vernetzt. Beides war bei strahlendem Wetter und sommerlichen Temperaturen vom 26. bis 29. Juni im gut klimatisierten neuen Kongresszentrum Kap Europa in Frankfurt beim 69. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie (DGMKG) zu erleben.
In diesem Jahr zeichneten Prof. Dr. Dr. Dr. Robert Sader, Direktor der Klinik für Mund-, Kiefer- und Plastische Gesichtschirurgie am Universitätsklinikum Frankfurt als Kongresspräsident und Dr. Dr. Martin Bonsmann aus Düsseldorf als Leiter des Praxisführungsseminars für das Programm verantwortlich. An vier Tagen wurden den Teilnehmern die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse und zahlreiche wissenschaftlich basierte Erfahrungsberichte aus dem Fachgebiet der MKG-Chirurgie in 307 Vorträgen und zahlreichen Workshops und Kursen geboten.
Die moderne Medizintechnik bringt Vorteile
Traditionell begann die Veranstaltung am Vortrag (Mittwoch) mit dem Assistententag des Jungen Forums und dem Oberarztforum. Am Donnerstag früh startete das wissenschaftliche Hauptprogramm: Nach der offiziellen Begrüßung durch den Präsidenten der DGMKG, Dr. Jörg-Ulf Wiegner aus Saalfeld, eröffnete Prof. Sader die Tagung und überließ dem ersten Redner, Prof. Nardi Caspi aus Jerusalem (Israel) das Vortragspult zum Hauptthema „Chirurgie und Technik – echter Fortschritt oder teure Spielerei?“. Er berichtete über seine Erfahrungen aus zwei Jahrzehnten navigierter Chirurgie. In insgesamt 56 Vorträgen wurde dieses bewusst provokant gewählte Thema in vielen Aspekten dargestellt und diskutiert, von der 3-D-Planung bis hin zum Einsatz von patientenspezifischen Implantaten. Als Resümee konnte allgemein festgehalten werden, dass sich in vielen Bereichen die Patientenversorgung durch Einsatz moderner Medizintechnik verbessern ließ und dass die anfänglich noch sehr hohen Kosten sich langsam reduzieren.
Enge Verflechtung der MKG-Chirurgie mit der Wehrmedizin
Besonders herauszuheben ist auch das diesjährige Symposium für Wehr- und Katastrophenmedizin. Organisiert wurde diese Sitzung von den beiden Oberstärzten Prof. Dr. Dr. Alexander Schramm (Ulm) und Prof. Dr. Dr. Richard Werkmeister, die unter dem Thema „Gun shot and war injuries“ ein hochspannendes Vortragsprogramm mit internationalen Referenten aus Israel, Großbritannien, den USA und Deutschland zusammengestellt hatten. Es wurde hier wieder einmal nachdrücklich deutlich, wie eng das Fachgebiet der MKG-Chirurgie mit der Wehrmedizin verflochten ist und welche hohe Bedeutung es dort genießt.
Zahlreiche internationale Ehrengäste
Den Abend des ersten Kongresstages beschloss die Eröffnungsveranstaltung, die in diesem Jahr als besondere persönliche Note musikalisch von der Familie des Kongresspräsidenten umrahmt wurde. Sader konnte neben den „üblichen“ wichtigen Persönlichkeiten Dr. Alexis Olsson aus Chicago/USA, den amtierenden Präsidenten der International Association of Oral and Maxillofacial Surgery, und seine Präsidentin elect Prof. Dr. Gabriele Millesi aus Wien begrüßen, die eigens zur Kongresseröffnung und zu den internationalen Sessions angereist waren. Für die Deutsche Gesellschaft für HNO-Heilkunde war Prof. Dr. Timo Stöver (Frankfurt) gekommen und für die Deutsche Gesellschaft für Oralchirurgie Dr. Wolfgang Jacobs aus Speicher. Auch die Universitätsmedizin Frankfurt war vertreten durch den Ärztlichen Direktor des Universitätsklinikums Prof. Dr. Jürgen Graf und den Dekan des Fachbereichs Medizin der Goethe-Universität, Prof .Dr. Josef Pfeilschifter.
Den Reigen der Grußworte eröffnete DGMKG-Präsident Dr. Wiegner, der die Gelegenheit zum Anlass nahm, ein paar politische Worte zur Zukunft des Fachgebietes zu verlieren. Der anschließende Festredner, der Schauspieler, Sänger und Regisseur Kai Christian Moritz stellte amüsant und unterhaltsam, aber auch tiefgründig das „Theater in der Medizin“ dar und zielte hierbei auf die teilweise theatralisch anmutende Kommunikation zwischen Arzt/Zahnarzt und Patient ab.
Ehrungen für Prof. Wagner und Dr. Dr. Köper
Desweiteren erfolgte die Verleihung der Ehrenmitgliedschaften an zwei außergewöhnliche und hochverdiente Mitglieder der Gesellschaft: Prof. Dr. Dr. Wilfried Wagner aus Mainz, dessen beeindruckendes wissenschaftliches Lebenswerk von Prof. Dr. Dr. Jürgen Hoffmann (Heidelberg) vorgestellt wurde, und Dr. Dr. Lür Köper aus Bremerhaven, der sich maßgeblich im Auftrag und für den Berufsverband in der DGMKG engagiert hat. Anschließend konnte Prof. Sader den diesjährigen Posterpreis an eine Arbeitsgruppe aus dem Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz verleihen und der Vizepräsident der DGMKG, Prof. Dr. Dr. Jürgen Hoffmann, vergab den diesjährigen Wissenschaftspreis an Dr. Dr. Eik Schiegnitz aus Mainz. Der Abend wurde abgerundet vom traditionellen Get-together in der Industrieausstellung.
Schwerpunkt Onkologie aus Klinik und Praxis
Am Freitag begannen nach den Sitzungen zum Kongresshaupt- und nebenthema die Freien Vorträge. Hier gab es ein kleines Novum: Neben den präsentierten 60 allgemeinen freien Vorträgen hatte der Kongresspräsident gemeinsam mit dem DÖSAK (Deutsch-Österreichisch-Schweizerischer Arbeitskreis für Tumoren im Kopf-Halsbereich) und seinem Vorsitzenden Prof. Dr. Dr. Frank Hölzle (Aachen) die zum Thema Onkologie eingereichten 26 Vorträge zu drei onkologischen Vortragssitzungen zusammengefasst. Ergänzt mit den in diesem Jahr ausgebauten beiden Sessions zur Vorstellung von translationalen und klinischen Studien unter Leitung von Prof. Dr. Dr. Max Heiland aus Berlin konnte so die Bedeutung der MKG-Chirurgie bei der Kopf-Hals-Onkologie besonders betont werden.
Gerade diese Studiensessions waren außerordentlich erfolgreich und viele neue Kooperationen sind aus diesen beiden produktiven Sitzungen entstanden. Auch der Berufsverband zeigte bei den wissenschaftlichen Sitzungen eine starke Präsenz. Die Themenschwerpunkte „Hauttumore“ und „Versorgungsforschung“ demonstrierten nicht nur die besondere klinische, sondern auch politische Bedeutung der Wissenschaft in der niedergelassenen Praxis.
Beeindruckender Stand der MKG-Chirurgie in Israel
Am Freitagnachmittag folgte dann der internationale Höhepunkt des Kongresses: Beeindruckend stellten hier mit acht Vorträgen die Israelis, die auch in anderen Sitzungsabschnitten des Kongresses präsent waren, ihr Können und den Stand der MKG-Chirurgie in Israel dar, die sicherlich weltweit technologisch mitführend ist. Besonders unter die Haut ging der Vortrag von Dr. Alejandro Roisentul, der sich aufopferungsvoll während des Krieges in Syrien um verletzte Syrer gekümmert und diese nicht nur operativ versorgte, sondern auch nachhaltige Versorgungsstrukturen aufgebaut hat. Für diesen langjährigen Einsatz war er sogar für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen worden.
Japanische Referenten beleuchteten rekonstruktive Techniken
Nach der Israelischen Session fand – fast schon traditionell – eine weitere internationale Freundschaftssession mit der Japanischen Gesellschaft für MKG-Chirurgie statt. Im Zentrum standen vor allem der Einsatz neuartiger Biomaterialien und des Tissue Engineerings bis hin zu speziellen rekonstruktiven operativen Techniken. Das wissenschaftliche Tagungsprogramm mündete in einen gemeinsamen Kongressabend in entspannter Atmosphäre und unter den musikalischen Klängen von Giovanni Costello, Gewinner von „The Voice of Germany“.
Strukturelle Veränderungen prägten Praxisführungsseminar
Zum vorläufig letzten Mal wurde am Samstag das Praxisführungsseminar in den DGMKG-Jahreskongress integriert. Es glänzte mit neun Vorträgen und einem Roundtable zu aktuellen politischen Themen. Man merkte deutlich, dass die aktuellen strukturellen Veränderungen in der deutschen Zahnmedizin, sei es die Veränderungen in der KZV-Versorgungsstruktur durch die Einführung von MVZs bis hin zum zunehmenden Einfluss von Fremdinvestoren, nicht vor der MKG-Chirurgie halt gemacht haben. Der Vorsitzende der Bundeszahnärztekammer, Dr. Peter Engel, war eigens aus Berlin angereist und so gestaltete sich der Round-table zum Thema Fremdinvestoren zu einem weiteren Highlight des Kongresses. Die Teilnehmer erlebten einen vielseitigen, harmonischen Kongress mit einem runden, manchmal auch nachdenklich machenden Programm.
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