Der mit insgesamt 10.000 Euro dotierte Wrigley Prophylaxe Preis wurde am 28. September 2018 in Dortmund bereits zum 24. Mal verliehen. Zwei erste Preise à 3.000 Euro vergab die Jury im Bereich Wissenschaft: Prämiert wurden eine Studie aus Jena, die einen Kurztest zur Zahnputzfähigkeit von geriatrischen Patienten geprüft hat, sowie eine Studie aus Leipzig, die den Einfluss der Mundgesundheit auf die Lebensqualität von Dialysepatienten untersucht hat.
Einen mit 2.000 Euro dotierten dritten Preis im Bereich Wissenschaft erhielt eine Berliner Arbeit, die Gründe erforschte, warum Zahnärzte weltweit auch weiterhin vor allem restaurativ therapieren, obwohl für frühe Läsionen heute non- oder mikroinvasive Techniken State of the Art sind.
Sonderpreis für die niedergelassene Praxis
Im Bereich Öffentliches Gesundheitswesen gab es zwei Sieger, die sich 2.000 Euro teilen: Ein Projekt aus dem hessischen Herborn zeigt den Erfolg eines zahngesunden, zuckerfreien Frühstücksangebots für Kinder, eines aus Eutin in Schleswig-Holstein die Effektivität zahnmedizinischer Schulungen des Pflegepersonals in Altenheimen. Den mit 2.000 Euro dotierten Sonderpreis „Niedergelassene Praxis und gesellschaftliches Engagement“ erhält eine Initiative aus Hannover, die mit ihrem Zahnmobil Wohnungslose und von Armut betroffene Menschen zahnmedizinisch versorgt.
Jury wählt Projekte aus Bereichen mit Handlungsbedarf
Mit der Auswahl der prämierten Studien, Projekte und Initiativen habe die unabhängige Jury der Stifterinitiative Wrigley Oral Healthcare Program einmal mehr Gespür für Bereiche mit Handlungsbedarf bewiesen, heißt es in der Meldung zur Preisverleihung. Sie lenke den Fokus gezielt auf Bevölkerungsgruppen, bei denen die Mundgesundheit dringend verbessert werden muss, und würdige das gesellschaftliche Engagement der Initiatoren. Wie auch in den vergangenen Jahren steht der in Fachkreisen renommierte Preis unter der Schirmherrschaft der Deutschen Gesellschaft für Zahnerhaltung (DGZ). In der Jury des diesjährigen Wrigley Prophylaxe Preises engagierten sich: Prof. Dr. Thomas Attin, Universität Zürich, Prof. Dr. Werner Geurtsen, Me-dizinische Hochschule Hannover, Prof. Dr. Rainer Haak, Universität Leipzig, Prof. em. Dr. Joachim Klimek, Universität Gießen, Prof. Dr. Hendrik Meyer-Lückel, Universität Bern, der amtierende DGZ-Präsident Prof. Dr. Matthias Hannig, Universität des Saarlandes, Homburg (Saar) und Dr. Michael Schäfer, 1. Vorsitzender des Bundesverbandes der Zahnärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes BZÖG, Bonn.
Schnelltest zeigt: Welche Senioren brauchen Hilfe beim Zähneputzen?
Die Mundgesundheit ist bei geriatrischen Patienten eng mit dem Gesundheitszustand, der Nahrungsaufnahme und der Lebensqualität verknüpft. Doch sind Zahnärzte und Geriater oft unsicher, welche Patienten ihre Mundhygiene noch eigenständig effektiv durchführen können. Eine Validierungsstudie des Universitätsklinikums Jena hat nun gezeigt, dass ein kurzer und einfacher Test bei der Einschätzung helfen kann. Für diese Studie erhielt das Team um Dr. Ina M. Schüler einen von zwei mit je 3.000 Euro dotierten ersten Wrigley Prophylaxe Preise 2018 im Bereich Wissenschaft.
„Geldzähltest“ und „Nackengriff“
Der „Geldzähltest“ prüft, ob die kognitiven, visuellen und motorischen Fähigkeiten für eine effektive Zahn- und Prothesenreinigung noch ausreichen. Dieser Test wird um den „Nackengriff“ erweitert, bei dem die Patienten zeigen, ob sie ihre Hand bis zum Nacken führen können, um die Beweglichkeit zu prüfen.
An der Studie nahmen 74 geriatrische Patienten zwischen 66 und 98 Jahren teil, von denen 66 Prozent den kombinierten Test erfolgreich meisterten. Bei diesen Patienten war die Plaqueentfernung an Zähnen und Prothesen signifikant effektiver als bei den Teilnehmern, die den Test nicht schafften.
Test mit hoher Sensitivität
Die Sensitivität des Tests für eine unter- beziehungsweise überdurchschnittliche Plaqueentfernung lag im hohen Bereich von 75 bis 85 Prozent. Damit sind die Ergebnisse praxisrelevant: „Mit dem kombinierten Geldzähl- und Nackengriff-Test lassen sich innerhalb von maximal fünf Minuten Patienten identifizieren, die Hilfe bei der täglichen Mundhygiene brauchen“, folgerte Schüler.
Handlungsbedarf: Schlechte Mundgesundheit bei Dialysepatienten
Den zweiten mit 3.000 Euro dotierten Wrigley Prophylaxe Preis 2018 im Bereich Wissenschaft vergab die Jury an das Team um Prof. Dr. Dirk Ziebolz, Universitätsklinikum Leipzig. Die Wissenschaftler haben bei 190 Dialysepatienten analysiert, welchen Einfluss die Dialysedauer und die Mundgesundheit auf die Lebensqualität haben.
Entgegen den Erwartungen verbesserten sich die mit der Mundgesundheit verknüpften Bereiche der Lebensqualität mit steigender Dialysedauer. Dies scheint durch eine positive Entwicklung psychosozialer Aspekte bedingt zu sein.
Unabhängig von der Dialysedauer hatten die Patienten aber erhebliche Defizite in puncto Mundgesundheit: 56 Prozent der Patienten hatten mindestens eine kariöse Läsion, 88 Prozent eine mittelschwere oder schwere Parodontitis. Hier besteht Handlungsbedarf: „Die Verbesserung der Mund-gesundheit ist bei Dialysepatienten dringend erforderlich“, so Professor Ziebolz. Dabei spielen psychologische Faktoren insbesondere zu Beginn der Dialyse eine große Rolle. Darüber hinaus ist es notwendig, den Patienten die Bedeutung der Mundgesundheit im Verlauf der Dialyse zu verdeutlichen.
Frühe Läsionen: Warum Zahnärzte überwiegend restaurativ behandeln
Non-invasive oder mikroinvasive Therapien (NI/MI) gelten heute als erste Wahl bei frühen, nicht kavitierten approximalen Läsionen. Dazu gehören zum Beispiel die Fluoridierung, Biofilmkontrolle, Versiegelung oder Kariesinfiltration. In den Praxen haben sich diese Therapien jedoch nur bedingt etabliert: Die meisten Zahnärzte weltweit behandeln auch frühe Läsionen nach wie vor restaurativ.
Warum zwischen Forschung und Versorgung eine derart große Lücke klafft, untersuchte das Team von PD Dr. Falk Schwendicke, Charité, Universitätsmedizin Berlin, und errang dafür den mit 2.000 Euro dotierten dritten Platz des Wrigley Prophylaxe Preises 2018 im Bereich Wissenschaft.
Ursachen für Festhalten am Alten vielfältig
Um die Ursachen für oder gegen die Anwendung von NI/MI zu identifizieren, interviewten die Wissenschaftler je zwölf Zahnärzte in Deutschland und Neuseeland sowie 20 in den USA. Gründe für die Ablehnung der modernen Verfahren waren mangelnde Therapietreue der Patienten, ein hohes Kariesrisiko, finanzielle Aspekte, skeptische Kollegen, fehlende postgraduale Fortbildung und die Sorge, fortgeschrittene Läsionen nicht früher restaurativ behandelt zu haben. Die Befürworter von NI/MI waren dagegen überzeugt, mit den neuen Techniken frühe Läsionen arretieren zu können und ihre Patienten richtig zu behandeln. Unterstützende Faktoren für diese Haltung waren die Kenntnis der Restaurationsspirale, das Arbeiten im Team, regelmäßige Fortbildungen und das Vorhandensein der nötigen Ressourcen. „Die Kenntnis der Hürden und fördernden Faktoren bietet neue Ansatzpunkte für gezielte Maßnahmen, um die Akzeptanz von NI/MI in Zahnarztpraxen zu steigern“, resümierte Schwendicke.
Frühstückswettbewerb: „Knackig frisch hält fit – mach mit!“
Der „Zuckerfreie Vormittag“ in Kindergärten und Schulen ist seit Jahren eine Säule im Kariesprophylaxe-Konzept des Arbeitskreises Jugendzahnpflege (AKJ) Lahn-Dill. Dabei haben die Mitarbeiter insbesondere das zweite Frühstück im Visier. Damit die Motivation der Kinder nach dem Besuch der Prophylaxekräfte nicht nach ein paar Wochen wieder verpufft, initiierten Ute Diehl, Diplom-Oecotrophologin Marie-Luise Lenz-Graf, Dr. Carl Wleklinski und weitere Kolleginnen vom AKJ Lahn-Dill von Oktober 2013 bis März 2014 erstmals den Frühstückswettbewerb „Knackig frisch hält fit – mach mit!“ Das Projekt kam so gut an, dass es seit mittlerweile fünf Jahren läuft.
Es überzeugte auch die Jury: Sie prämierte es mit dem Wrigley Prophylaxe Preis 2018 im Bereich Öffentliches Gesundheitswesen, dotiert mit 1.000 Euro. Die Idee: Schulklassen bekommen vom AKJ ein „Frühstücksposter“ zugeschickt, auf dem alle Schüler unterschreiben dürfen, die ein gesundes „zuckerfreies“ Frühstück mitbringen, zum Beispiel Vollkornbrot mit Käse oder Wurst, frisches Obst und rohes Gemüse. In der Schule gibt es außerdem nur Wasser zu trinken. Unter den eingesandten Postern werden die Gewinner ausgelost, die eine Spende für die Klasse erhalten. Zusätzlich gibt es einen Kreativpreis, für den sich die Kinder in verschiedenen Fächern wie Kunst, Musik oder Werken längere Zeit intensiv mit dem Thema zahngesunde Ernährung beschäftigen.
Zahnpflege in Heimen: Pflegekräfte schulen!
Die Schulung von Pflegekräften ist der entscheidende Schlüssel, um die derzeit desolate Mundgesundheit und Mundhygiene von Bewohnern in Alten- und Pflegeheimen zu verbessern. Zu diesem Ergebnis kommt eine Interventionsstudie, für die Dr. Tina Krömer vom Fachdienst Gesundheit in Eutin einen weiteren Wrigley Prophylaxe Preis 2018 im Bereich Öffentliches Gesundheitswesen erhielt. Die Prämie beträgt ebenfalls 1.000 Euro.
Rasche Besserung zu erkennen
Für die Studie wurden 141 Pflegebedürftige in sechs Einrichtungen zahnmedizinisch voruntersucht, anschließend wurde das Pflegepersonal in Theorie und Praxis geschult und drei Monate später wurden die Untersuchungen wiederholt. Die Ergebnisse waren deutlich besser: Nur noch 29 Prozent der Bewohner statt vorher 52 Prozent hatten eine belegte Zunge, 34 Prozent statt vorher 56 Prozent eine Gingivitis und auch die Plaque war reduziert.
Waren die Prothesen im Oberkiefer vor der Schulung bei 94 Prozent der Probanden verschmutzt, lag der Prozentsatz nach der Schulung noch bei 71 Prozent. Für Prothesen im Unterkiefer ergaben sich ähnliche Ergebnisse. Die Studie belegt, wie effektiv Schulungen in der Altenpflege sind – und wie wichtig: „Eine bessere Zahn- und Mundgesundheit erhöht auch die Lebensqualität der Senioren in Pflegeheimen“, so Krömer.
Zahnmobil Hannover: Hilfe mit Biss
Seit 2012 rollt ein Zahnmobil durch Hannover – ein umgebauter Rettungswagen, der auf sechs Quadratmetern zu einer modernen, kleinen Zahnarztpraxis ausgebaut wurde. Damit ist ein ehrenamtlich tätiges Team aus 24 Zahnärztinnnen, Zahnärzten, Mund-Kiefer- und Gesichtschirurgen, zwei Zahnmedizinischen Fachangestellten und zehn Fahrern regelmäßig unterwegs: Zwei- bis dreimal pro Woche fährt das Zahnmobil zu Obdachlosenunterkünften, Kontaktläden für Wohnungslose, einem Männerwohnheim, einer psychiatrischen Klinik und Flüchtlingsnotunterkünften.
„Im Zahnmobil werden alle Patienten behandelt, die Hilfe brauchen – auch wenn sie nicht krankenversichert sind“, erklärt Dr. Peggy Herrmann von der Medizinischen Hochschule Hannover. Bei Kindern in Flüchtlingsunterkünften kümmert sich die Initiative zudem um individualprophylaktische Maßnahmen mit einer Putzschule und der Demonstration von Mundhygienemaßnahmen. Insgesamt behandelte das Team bislang 2700 Menschen aus 26 Nationen. Diese großartige Initiative erhielt den mit 2.000 Euro dotierten Sonderpreis „Niedergelassene Praxis und gesellschaftliches Engagement“ 2018.