Am 15. Januar 2025 soll der Test beginnen: Dann soll die „ePA für alle“, das digitale Prestige-Projekt von Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach, in den Testregionen Hamburg und Franken in ausgewählten Praxen, Apotheken, Krankenhäusern und Apotheken zur Nutzung ausgerollt werden. Laut Gesetz sollen dann schon vier Wochen später, am 15. Februar 2025, alle Versicherten ihre ePA haben und soll sie auch von den Praxen etc. befüllt werden müssen. Nun wird dieser immer schon als unrealistisch eingestufte Plan erstmals offiziell relativiert.
So hat das Bundesgesundheitsministerium (BMG) in Person der Abteilungsleiterin Digitalisierung & Innovation, Dr. Susanne Ozegowski, in einem Brief an den Bundesverband Gesundheits-IT (bvitg e. V.) schriftlich mitgeteilt, dass der bundesweite Roll-out erst beginnen soll, wenn die Erfahrungen in den Modellregionen positiv sind. Dies gelte auch für die Nutzungsverpflichtung der Leistungserbringer, berichtete das „Deutsche Ärzteblatt“ am 20. November 2024 unter Bezugnahme auf den ihm vorliegenden Brief. Auf andere Forderungen und Vorschläge des Verbands, wie die Einführung der ePA erst nach ausführlichen Feldtests im 2. Quartal 2025, sei sie nicht eingegangen.
Lauterbach: innerhalb eines Monats ePA für jeden
Auch der „Spiegel“ hatte von dem Schreiben und den Verzögerungen berichtete, ebenso von den Problemen der Softwareanbieter und den Bedenken der Datenschützer. Ein Sprecher von Bundesgesundheitsminister Lauterbach erklärte dagegen, der Zeitplan für die ePA sei unverändert. Und auch Lauterbach selbst kommentierte den Spiegel-Bericht auf X mit „Stimmt so nicht. Wie geplant werden ab 15. Januar ePA durch die Kassen eingeführt. Innerhalb 1 Monats bekommt jeder seine ePA. Dort kann man die Medikamente und die bisherigen Kassendaten einsehen und alte Befunde hochladen. Hochladen neuer Befunde ab März.“
BMG-Abteilungsleiterin gibt eigenes Statement ab
Ozegowski selbst, die schon auf verschiedenen Veranstaltungen angekündigt hatte, dass die Testphase gegebenenfalls verlängert werden würde, fühlte sich veranlasst, am 21. November 2024 auf LinkedIn ein Statement dazu abzugeben: „Es kursieren gerade verschiedenste Gerüchte um den Hashtag #ePA-Start. Richtig ist:
- Wie geplant startet die ePA für alle am 15. Januar 2025 und wird sukzessive über einen Zeitraum von maximal vier Wochen bundesweit ausgerollt, so dass jeder Versicherte eine ePA erhält.
- Ab Anlage der ePA kann jede/r Versicherte/r Dokumente in seine ePA einstellen bzw. über die Kassen einstellen lassen und die sogenannten Abrechnungsdaten einsehen.
- Zum 15. Januar 2025 startet ebenfalls die Anbindung der Leistungserbringer an die ePA für alle. Hier beginnen wir mit ausgewählten Ärzten, Apothekern und Krankenhäusern in den beiden Modellregionen. Sobald die Qualität dort stimmt, sind alle Ärzte/ Apotheken/ Krankenhäuser bundesweit verpflichtet, die ePA zu nutzen. Dies wird frühestens ab Mitte Februar 2025 der Fall sein.
Einziger Unterschied zum bisherigen Plan: Die Software-Hersteller für die Leistungserbringer sind nicht verpflichtet, schon zum 15.1. bundesweit das Modul für die technische Anbindung der Ärzte/Apotheker/Krankenhäuser an die ePA auszurollen, sondern erst zum Zeitpunkt der erfolgreichen Erprobung in den Modellregionen. Das hat aber keine Auswirkungen auf die bundesweite Verfügbarkeit der ePA für die Versicherten.“
Software-Herstellern fehlen wichtige Vorgaben
Die Software-Hersteller beklagen, dass ihnen immer noch nicht alle Informationen und Anforderungen vorliegen und sie vor allem keine sichere und ausreichende Testumgebung haben, in der sie die Funktionalitäten testen können. Das war auch vom Bundesverband Gesundheits-IT in seinem Schreiben an das Ministerium kritisiert worden.
Sanktionierung für Praxen muss entfallen
Dass die Einführung der ePA nun langsamer erfolgen soll, wurde von verschiedener Seite begrüßt. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung betonte, dass mit der späteren Auslieferung des ePA-Moduls auch die Sanktionen für die Praxen entfallen müssten. Mit dem Wegfall dieser Pflicht sei es selbstverständlich, dass Praxen nicht mit Sanktionen bestraft werden dürften, wenn sie kein aktuelles ePA-Modul hätten, sagte KBV-Vorstandsmitglied Dr. Sibylle Steiner. Ebenso dürfe die TI-Pauschale nicht gekürzt werden. „Wir haben diesbezüglich das BMG bereits angeschrieben und gehen davon aus, dass das Ministerium diese Auffassung bestätigen wird.“
KBV wird Testphase eng begleiten
In einem Video-Interview hatte Steiner Mitte November betont, dass sich die Praxen darauf verlassen können müssten, dass die Hersteller „ausreichend getestete, nutzerfreundliche, aufwandsarme Anwendungen in den Markt nur dann einführen, wenn sie genau diesen Kriterien entsprechen.“
Ärzte werden Testphase begleiten, umfangreiches Infomaterial
Zugleich machte sie deutlich, dass die KBV die in wenigen Wochen startende Testphase eng begleiten werde. „Wir haben die Praxen natürlich vorbereitet, indem wir umfangreiche Informationsmaterialien und auch eine Fortbildung zur Verfügung gestellt haben. Aber natürlich müssen wir sehen, wie es tatsächlich dann in den Modellregionen losgeht und welche Erfahrungen man dann dort sammeln kann mit den Systemen.“
Digitalisierung übergreifend voranbringen
Die Digitalisierung des Gesundheitswesens ist Steiner zufolge keine alleinige Aufgabe der Vertragsärzte und -psychotherapeuten. Wenn etwa die Krankenhäuser im kommenden Jahr nicht mit der ePA starten würden, dann sei das nicht nachvollziehbar. Für die Praxen sei es wichtig, dass sie endlich digitale Entlassbriefe bekämen. Ebenso müssten aber auch andere Gesundheitsberufe und natürlich die Pflege an die Telematikinfrastruktur angeschlossen werden.
KZBV stellt Informationen für die Praxen zur Verfügung
Auf der Vertreterversammlung der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung Anfang November 2024 in Bonn hatten sowohl der Vorstandsvorsitzende Martin Hendges als auch die stellvertretende Vorstandsvorsitzende Dr. Ute Maier über den aktuellen Stand informiert und appelliert, die ePA zu nutzen, wenn es von den Patientinnen und Patienten gewünscht werde. Zu Beginn seien ohnehin nur wenige für die Zahnarztpraxis nutzbare Informationen in der ePA. Es sei wichtig, nur strukturierte Daten einzupflegen. Die Praxen können als Medizinisches Informationsobjekt (MIO) aktuell das digitale Zahnbonusheft in die ePA einpflegen und diese Leistung auch abrechnen. Aktuell wird eine Vorlage für das strukturierte Einpflegen zahnärztlicher Behandlungsdaten erarbeitet. Zudem stehen auf der Internetseite der KZBV umfangreiche Informationen rund um die ePA zur Verfügung, inklusive eines FAQ-Katalogs.
KZV Bayerns sieht richtige Entscheidung
Die Kassenzahnärztliche Vereinigung Bayerns (KZVB) sah im Schreiben des Bundesgesundheitsministerium ein Abrücken vom geplanten Einführungstermin der elektronischen Patientenakte (ePA). „Der 15. Februar ist nicht mehr fix. Für die KZVB ist das ‚die erste richtige Entscheidung Karl Lauterbachs‘“ – auch wenn dieser, siehe oben, offiziell nicht davon abrückt.
Für die KZVB war der Starttermin am 15. Februar 2025 „ein absolut utopischer Zeitplan. Weniger als ein Prozent der Praxen verfüge aktuell über die dafür nötigen technischen Voraussetzungen. Dies werde sich bis Februar 2025 kaum ändern.“
Kein übereilter Start der ePA
Für den KZVB-Vorsitzenden Dr. Rüdiger Schott war deshalb klar: „Besser ein Ende mit Schrecken als Schrecken ohne Ende. Die ePA für alle darf erst eingeführt werden, wenn alle technischen und rechtlichen Fragen geklärt sind. Ein übereilter Start hätte zwangsläufig zu Chaos in unseren Praxen geführt.“
Brauchen Kurswechsel in der Gesundheitspolitik
Die stellvertretende Vorstandsvorsitzende Dr. Marion Teichmann ergänzte: „Karl Lauterbach und die Ampel-Koalition haben genügend Schaden in unserem Gesundheitssystem angerichtet. Ich bin froh, dass uns zumindest die ePA erspart bleibt. Ich kann nur hoffen, dass nach der Bundestagswahl am 23. Februar wieder mehr Vernunft im Bundesgesundheitsministerium einkehrt. Wir brauchen einen radikalen Kurswechsel in der Gesundheitspolitik. Wenn die Politik Lauterbachs fortgeführt wird, droht uns ein Praxissterben ungeahnten Ausmaßes.“
Selbstverwaltung wieder einbeziehen
Dr. Jens Kober, Mitglied des Vorstands, verwies auf die immer wieder bei den Gesetzesvorhaben übergangene Selbstverwaltung und die Probleme, genügend junge Zahnärztinnen und Zahnärzte für Gründung oder Übernahme einer Praxis zu gewinnen: „Fast kein junger Zahnarzt ist unter den aktuellen Umständen bereit, eine Praxis zu gründen oder zu übernehmen. Gleichzeitig verabschiedet sich bis 2028 ein Viertel der Kollegen in den Ruhestand. Jeder kann sich ausmalen, was das für die wohnortnahe Versorgung bedeutet. Der künftige Bundesgesundheitsminister steht vor einer Herkulesaufgabe. Wir stehen ihm oder ihr gerne mit Rat und Tat zur Seite. Denn nur mit und nicht gegen die Selbstverwaltung lassen sich die Probleme unseres Gesundheitswesens lösen.“