Laut neuem Gesetz müssen Pauschalen für die Telematikinfrastruktur vereinbart werden – aber die Verhandlungen von Kassen-Spitzenverband (GKV-SV) und Vertragsärzten und Vertragszahnärzten sind vorerst gescheitert: Die Vorstände der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV) sehen keine Aussicht „auf eine gemeinsam getragene“ Lösung bei der Finanzierungsvereinbarung zur Telematikinfrastruktur (TI).
Die Verhandlungen mit dem GKV-Spitzenverband seien gescheitert, teilten die beiden Spitzenkörperschaften der Vertrags(zahn)ärzteschaft am Gründonnerstag kurz vor den Osterfeiertagen mit. Das hätten die KBV-Vorstände Dres. Andreas Gassen, Stephan Hofmeister und Sibylle Steiner sowie die KZBV-Vorstände Dr. Wolfgang Eßer, Martin Hendges und Dr. Karl-Georg Pochhammer trotz intensiver Verhandlungsinitiativen feststellen müssen. „Ein Brief des Vorstands der KBV an Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach liegt bereits vor“, heißt es in der Pressemitteilung.
Neue gesetzliche Regelung mit Monatspauschalen soll zum 1. Juli greifen
Das Krankenhauspflegeentlastungsgesetz (KHPflEG) sieht unter anderem vor, dass vertragsärztliche und vertragszahnärztliche Praxen ab dem 1. Juli 2023 eine monatliche Pauschale für die Ausstattung und den Betrieb der TI erhalten. Die Höhe und Berechnung der Pauschale sollten der GKV-Spitzenverband und die KZBV bzw. KBV in ihren jeweiligen Vereinbarungen bis zum 30. April 2023 festlegen. Das ist nicht gelungen, so KBV und KZBV.
„Mit Ansage gescheitert“
„Die Verhandlungen sind mit Ansage gescheitert“, erklärte der stellvertretende KZBV-Vorstandsvorsitzende Dr. Karl-Georg Pochhammer. Mit dem erklärten Ziel, die Kosten zu senken und der Option, die Vereinbarung im nun eingetretenen Fall selbst vorzugeben, habe das BMG von vornherein kaum Platz für Verhandlungen gelassen. „Die Verhandlungen waren nur ein politisches Feigenblatt“, kritisierte Pochhammer.
Im Sinne der Akzeptanz tragbare finanzielle Lösungen schaffen
„Die niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen stehen der Digitalisierung offen gegenüber, weil sie sich davon Arbeitserleichterungen versprechen. Die bisherige schlecht gemachte Einführung digitaler Prozesse und Komponenten haben das Vertrauen in die Telematikinfrastruktur erschüttert. Im Sinne der Akzeptanz ist es unabdingbar, dass nicht nur technisch, sondern auch finanziell Lösungen geschaffen werden, die für niedergelassene Ärzte und Psychotherapeuten tragbar sind“, erläuterte KBV-Vorstandsmitglied Dr. Sibylle Steiner.
Entsprechend heiße es im Brief der KBV an den Minister: „Vor diesem Hintergrund bedarf es eindeutiger und klarer Regelungen, mit denen sichergestellt wird, dass die aus den Anwendungen der Telematikinfrastruktur entstehenden finanziellen Mehrbelastungen vollständig ausgeglichen werden.“
Kassen wollen Deckelung
„Die Kassenseite hat einen Vorschlag eingebracht, der eine weitere Kostenbelastung der Praxen mit sich gebracht hätte. Schon die aktuellen Pauschalen sind zu knapp bemessen und führen in vielen Fällen dazu, dass Praxen auf Kosten sitzen bleiben. Eine Deckelung der Pauschalen wie von den Krankenkassen angestrebt, würde diesen Effekt noch einmal verschärfen“, sagte Pochhammer.
Industrie wird sich nicht an Pauschalen halten
Generell zeigen sich die Vorstände von KBV und KZBV zudem zutiefst skeptisch, dass sich die Industrie bei ihrer Preisbildung an von der Selbstverwaltung vereinbarte Pauschalen hält. „Wir teilen die Erwartungen nicht, dass nach der durch die vom Gesetzgeber vorgesehene Umstellung der Pauschalen der TI-Finanzierungsvereinbarung und der damit verbundenen Deckelung der Erstattungsbeträge die Preise am Markt für die Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten sinken werden. Dass Anbieter von IT-Systemen im Gesundheitswesen aufgrund von pauschalen Kostenerstattungsgrenzen ihre Preise auf die Erstattungsbeträge absenken, ist realistisch nicht zu erwarten“, schreiben die KBV-Vorstände an den Minister.
Markt bei den TI-Anwendungen funktioniert nicht
Pochhammer erklärte: „Die Pläne werden nicht funktionieren, weil der Markt im Bereich der TI-Anwendungen nicht funktioniert. Aber anstatt die Industrie in die Pflicht zu nehmen, werden die Zahnarztpraxen zur Kasse gebeten, indem sie noch weniger Geld für die Ausstattung und den Betrieb der TI erhalten sollen.“ KBV-Vorstandsmitglied Dr. Sibylle Steiner ergänzte: „Es ist für die niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen fast unmöglich, einen IT-Anbieter ohne großen Aufwand zu wechseln. Sie sind diesem mehr oder minder auf Gedeih und Verderben ausgeliefert. Sie haben zudem keine Spielräume, den Preisvorstellungen der Anbieter nachzukommen.“
Materielle Basis für digitale Anwendungen
Dazu heißt es im Schreiben der KBV: „Eine den entstehenden Kosten entsprechende Erstattung bildet zusammenfassend für die Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten, die sich an die Telematikinfrastruktur anschließen und die Fachanwendungen nutzen, die materielle Basis, um die Transformation in ein werthaltiges, digitale Anwendungen nutzendes Gesundheitswesen unterstützen zu können.“
Bereits in den Anhörungen und anlässlich der Verabschiedung des Gesetzes Anfang Dezember 2022 im Deutschen Bundestag hatten KZBV und KBV die neuen Pauschalen kritisiert und auf die Entwicklung hingewiesen, die jetzt aus ihrer Sicht auch eingetreten ist. Die Neuregelungen folgten allein den Interessen der Krankenkassen, hieß es, und zwinge die Praxen, für den Einstieg in die TI in Vorleistungen zu gehen. Die Kosten müssten weiter voll erstattet werden, so die Forderung.
Mit Material von KBV und KZBV.