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Arbeitspapier zu Gesundheit und Pflege mit vielen Absichtserklärungen – erste Reaktionen

Auch in der SPD-Parteizentrale, dem Willi-Brandt-Haus in Berlin, laufen die Verhandlungen für eine künftige schwarz-rote Regierungskoalition.

(c) Cineberg/Shutterstock.com

Gegenfinanzierung der Beiträge für Bürgergeldempfänger aus Steuermitteln, mehr Patientensteuerung, mehr Termine beim Facharzt, Sondergeld für Krankenhäuser, Entbürokratisierung, Notfallreform, Versorgungssteuerung, Pflege etc. pp. – die Arbeitsgruppe Gesundheit und Pflege in den Koalitionsverhandlungen von Union und SPD hat eine lange und teure Liste abgearbeitet. Was davon final in den Koalitionsvertrag eingehen wird, verhandeln nun die Parteispitzen.

Für die Zahnärzteschaft haben die Verhandlungspartner in der Gruppe genau einen Satz übrig – im Absatz über die stärkere Versorgungssteuerung. „Wir stärken die Länderbeteiligung in den Zulassungsausschüssen über eine ausschlaggebende Stimme und ermöglichen eine kleinteiligere Bedarfsplanung. Wir schaffen einen Fairnessausgleich zwischen über- und unterversorgten Gebieten: Wir entbudgetieren die Fachärzte in unterversorgten Gebieten. Dort können universitäre Lehrpraxen vereinfacht ausgebracht werden. Außerdem gibt es in (drohend) unterversorgten Gebieten Zuschläge zum, in überversorgten Gebieten (>120 Prozent) Abschläge vom Honorar. Dabei definieren wir auch den Versorgungsauftrag und ermöglichen den Ländern, die Bedarfsplanung für Zahnärzte selbst vorzunehmen.“

iMVZ-Regulierungsgesetz und ePA

Mehrere andere Punkte werden die Zahnärzteschaft eher indirekt betreffen. Explizit aufgenommen ist eine Regelung zu den investorenbetriebenen Medizinischen Versorgungszentren – gegen den die einschlägigen Verbände bereits Sturm laufen. Im Papier heißt es: „Wir erlassen ein iMVZ-Regulierungsgesetz.“ Auch hinsichtlich der schon angekündigten, aber noch nicht umgesetzten Bagatellgrenze von 300 Euro bei Wirtschaftlichkeitsprüfungen werden die Zahnärzte dabei sein wollen. Die elektronische Patientenakte soll sukzessive noch 2025 ausgerollt werden. Und auch von der angekündigten Entbürokratisierung sollten die Zahnärzte profitieren können.

Um die Verwaltungskosten der Krankenkassen zu reduzieren, sollen diese gemeinsame Strukuren entwickeln und sollen die Gehälter dort künftig an die bei den niedergelassenen Leistungserbringern, Kliniken etc. angepasst werden, ein Maßstab soll der Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes sein. Ob das tatsächlich kommen wird, bleibt abzuwarten. Krankenkassen hatten in den vergangenen Jahren massiv Fachpersonal aus Arzt- und Zahnarztpraxen mit hohen Gehältern abgeworben und damit auch Lücken in der Versorgung gerissen. Sollte dieses Vorhaben realisiert werden, dürfte es wieder Streit geben, inwieweit das für die ärztlichen und zahnärztlichen Körperschaften ebenso gilt – im Papier heißt es: „alle sozialversicherungsrechtlichen oder selbstverwaltenden Körperschaften des öffentlichen Rechts im Gesundheitswesen, die aus dem Beitragsaufkommen finanziert werden“, sollen unter diese Regelungen fallen.

Gemeinsames Forderungspapier der Gesundheitsberufe

Die Reaktionen auf das Arbeitspapier fallen in der Ärzte- und Zahnärzteschaft konstruktiv-kritisch aus. Am 27. März haben mehr als 40 Verbände und Organisationen aus dem Gesundheitswesen, darunter auch der Zahnärzteschaft, auf einem Treffen in Berlin an die Unterhändler der Koalitionsverhandlungen appelliert, die Sicherung und die Fortentwicklung der Gesundheitsversorgung in Deutschland angemessen und verbindlich im Koalitionsvertrag zu berücksichtigen. Sie wiederholten dabei auch ihre bereits vor und nach den Wahlen erhobenen Forderungen. Das Bündnis Gesundheit, dem unter anderem Vertreter der Pflege- und Sozialberufe, der Assistenzberufe, der Psychotherapeutenschaft, der Apothekerschaft, der Ärzte- und Zahnärzteschaft sowie der Heilmittelerbringer angehören, sprach sich entschieden dafür aus, diese Herausforderungen mit der notwendigen Dringlichkeit und Weitsicht anzugehen.

Die im Bündnis Gesundheit zusammengeschlossenen Vertreterinnen und Vertreter von mehr als sechs Millionen Beschäftigten im Gesundheitswesen warnten: Deutschland steuere auf eine doppelte demografische Krise zu. Das Durchschnittsalter und der Behandlungsbedarf der Bürgerinnen und Bürger steige. Gleichzeitig würden in den kommenden Jahren viele Beschäftigte aus dem Gesundheitswesen altersbedingt aus dem Berufsleben ausscheiden, ohne dass ihre Arbeitskraft durch ausreichend Nachwuchs ersetzt werden könne. Die Fachkräfteförderung, der Ausbau von patientengerechten Versorgungsstrukturen, die Stärkung einer präventionsorientierten Versorgung sowie eine sichere und nachhaltige Finanzierung von Gesundheitsleistungen gehörten deshalb dringend auf die Prioritätenliste der neuen Bundesregierung.

Attraktivere Arbeitsbedingungen wichtig

Um junge Menschen für eine Tätigkeit in der Gesundheitsversorgung zu gewinnen und Fachkräfte im Beruf zu halten, müssten die Arbeitsbedingungen attraktiv, insbesondere auch familienfreundlich ausgestaltet werden. Ausbildungs- und Studienkapazitäten müssten ausgebaut und angemessene Vergütungsstrukturen geschaffen werden, betonten die Verbände. Erforderlich sei zudem mehr Koordination und Kooperation in der Patientenversorgung. Eine stärkere interprofessionelle Zusammenarbeit zwischen den Berufsgruppen im Gesundheitswesen sowie eine sektorenübergreifende Vernetzung seien Voraussetzung dafür, die Qualität der medizinischen Versorgung zu erhalten und den Zugang zu erleichtern. Mit Blick auf die steigenden Krankenkassenbeiträge forderte das Bündnis Gesundheit, versicherungsfremde Leistungen, wie die Beitragszahlungen für Bürgergeldempfänger, über Steuern zu finanzieren.

Bundeszahnärztekammer begrüßt geplanten Bürokratieabbau

Zum Thema Bürokratieabbau heißt es im Papier: „Wir verringern Dokumentationspflichten und Kontrolldichten durch ein Bürokratieentlastungsgesetz im Gesundheitswesen innerhalb der ersten 6 Monate massiv, etablieren eine Vertrauenskultur, stärken die Eigenständigkeit und Eigenverantwortlichkeit der Professionen, statt sie mit Bürokratie aus Gesetzgebung und Selbstverwaltung zu lähmen. Alle Gesetze in diesem Bereich werden wir einem Praxis-Check unterziehen.“ Diese Ankündigung werde „von der Zahnärzteschaft in unserem Lande uneingeschränkt begrüßt“, so die Bundeszahnärztekammer (BZÄK).

Prof. Christoph Benz, Präsident der BZÄK, sagte dazu: „Die vom Fachkräftemangel dezimierten Teams in unseren mehr als 40.000 Praxen ächzen unter der immensen Bürokratiebelastung. Vom Leiterbeauftragten über Dokumentation von Kühlschranktemperaturen bis hin zu geplanten Kontrollen des Anpressdrucks bei der Wischdesinfektion von Medizinprodukten werden die Forderungen immer abstruser und praxisferner. Im Wahlkampf haben alle Parteien das Thema Bürokratieabbau ausgiebig thematisiert – nun muss zeitnah und gründlich gehandelt werden, um unsere weltweit vorbildlichen zahnmedizinischen Praxisstrukturen nicht weiter zu schwächen. Die Bundeszahnärztekammer steht für Gespräche zum radikalen Bürokratieabbau und den geforderten Praxis-Check von Gesetzen jederzeit beratend zur Verfügung.“

BZÄK macht konkrete Entlastungsvorschläge

Der Vizepräsident der BZÄK, Konstantin von Laffert, macht dazu konkrete Vorschläge: „Wir fordern unter anderem die sofortige Rücknahme der behördlichen Pläne für eine Überprüfung des Anpressdruckes bei der Wischdesinfektion, die Streichung des gerade eingeführten Medizinproduktebeauftragten für Praxen mit über 20 Mitarbeiterinnen, die Streichung des in unseren Praxen überflüssigen Bestandsverzeichnisses für Medizinprodukte, die Einführung der sogenannten abweichenden Dokumentation des Aufbereitungsprozesses und die komplette Abschaffung der externen Validierung des Aufbereitungsprozesses.“

„Frühling der Entlastungen“

„Ein ‚weiter so‘ oder ein zaghaftes ‚das ist rechtlich schwierig‘ wird uns nicht weiterhelfen“, so Benz weiter. „Unsere neue Regierung braucht jetzt Mut, um disruptiv zu werden bei der Bekämpfung der verkrusteten Bürokratiebelastungen, die wie Mehltau über den Praxen in unserem Lande liegen. Es müssen reihenweise Gesetze, Verordnungen und Empfehlungen geändert werden für einen Frühling der Entlastung für die Mitarbeiterinnen, die seit Jahren an der Belastungsgrenze arbeiten.“

VDZI sieht positive Ansätze bei iMVZ und Attraktivität der Gesundheitsberufe

Der Verband Deutscher Zahntechniker-Innung (VDZI) begrüßt den Fortschritt der Regierungssondierungen. Dazu VDZI-Präsident Dominik Kruchen: „Wir nehmen positiv wahr, dass die Regierungssondierungen zügig vorankommen und dass in den Bereichen Gesundheits- und Sozialpolitik nun Eckpunkte für einen noch zu bestimmenden Koalitionsvertrag vorliegen. Eine detaillierte Bewertung ist sicherlich erst bei einem finalen Koalitionsvertrag möglich. Wir begrüßen aber beispielsweise den Wunsch nach einem iMVZ-Regulierungsgesetz, gerade im zahnmedizinischen Bereich nehmen die investorengeführten Medizinischen Versorgungszentren in städtischen Ballungszentren erschreckend zu.“

Darüber hinaus stellen CDU/CSU und SPD einen Konsens auf Arbeitsebene zur Erhöhung der Wertschätzung und Attraktivität der Gesundheitsberufe her. Vor dem Hintergrund eines steigenden Fachkräftemangels und im Vergleich herausfordernden Lohnstrukturen im Zahntechniker-Handwerk sind dies Inhalte, die langjährigen Forderungen des VDZI entsprechen.

Auskömmliche Finanzierung der Leistungen gefordert

VDZI-Präsident Kruchen bewertet dies folgendermaßen: „Gerade als handwerklicher Gesundheitsberuf bewegen wir uns, sowohl in der Politik wie auch im Arbeitsmarkt, auf einem Spielfeld mit starken Facharztgruppen, beispielsweise den Zahnärzten. Der Politik muss klar sein: Wertschätzung und Attraktivität dürfen keine hohlen Phrasen bleiben. Das funktioniert langfristig nur, wenn auch finanzielle Ressourcen durch die Gesetzlichen Krankenkassen bereitgestellt werden. Auch die Regelversorgung muss auskömmlich sein. Es fehlt uns in den Sondierungsergebnissen noch das klare Bekenntnis zu einer flächendeckenden und wohnortnahen Versorgungsstruktur in der Zahntechnik – verbunden mit dem Verständnis, dass solche Strukturen auch eine wirtschaftlich auskömmliche Grundlage brauchen.“

Der VDZI werde die folgenden Sondierungen sowie die Entwicklung des letztendlichen Koalitionsvertrags beobachten und weiter strukturiert im Sinne des Zahntechniker-Handwerks auswerten. Zu den am 8. März 2025 vorgelegten ersten Ergebnissen der Regierungssondierungen hatte sich der VDZI an ausgewählte Abgeordnete und parteinahe Organisationen gewandt mit Blick auf die Inhalte zur zukünftigen Entwicklung des Mindestlohns und der Betroffenheit des Zahntechniker-Handwerks.

Ärzteschaft vielfach kritischer

Aufseiten der Ärzteschaft fallen die Bewertungen generell kritischer aus, nicht zuletzt wegen der vorgesehenen stärkeren Patientensteuerung und Pflichten bei der Terminvergabe. Der Hartmannbund als Verband der niedergelassenen Ärzteschaft habe das Ergebnispapier der Arbeitsgruppe Gesundheit im Rahmen der Koalitionsverhandlungen mit Interesse zur Kenntnis genommen: „Es enthält gut Ansätze wie beispielsweise zur Patientensteuerung (differenziertes Primärarztsystem), zur Förderung von Prävention (auch an Schulen), zur weiteren Entbudgetierung ärztlicher Leistungen, zur Erweiterung der Gestaltungsmöglichkeiten der Länder im Rahmen der Krankenhausreform oder etwa zur längst überfälligen PJ-Vergütung. Es ist außerordentlich zu begrüßen, dass die längst überfällige Notfallreform prioritär in Angriff genommen werden soll“, heißt es.

Mit Spannung bleibe nun abzuwarten, welchen Spielraum die Finanzpolitiker für die Pläne aus dem Gesundheitsbereich sehen. Dies gelte insbesondere auch mit Blick auf die Absicht, so genannte sozialversicherungsfremde Leistungen und ebenfalls bisher von der Gesetzlichen Krankenkasse getragene Kosten für Bürgergeldempfänger künftig vollständig und kostendeckend aus Steuermitteln zu finanzieren.

Tino Sorge als neue Bundesgesundheitsminister gehandelt

Sicher scheint, dass die Tage von Prof. Karl Lauterbach (SPD) als Bundesgesundheitsminister gezählt sind, auch wenn er, wie berichtet wird, intensiv daran gearbeitet hat, im Amt bleiben zu können. Das Ministerium wird wohl an die CDU gehen, und wie der Ärztenachrichtendienst (aend.de) unter Bezugnahme auf eine Meldung der FAZ kolportiert, soll der bisherige gesundheitspolitiische Sprecher der Unionsfraktion, Tino Sorge, gute Chancen auf das Amt haben. Sorge kommt aus Sachsen-Anhalt und hat sich in den vergangenen zwei Legislaturperioden als Gesundheitspolitiker profiliert. Nicht für einen Ministerposten vorgesehen ist danach auch der frühere Bundesgesundheitsminister Jens Spahn – er fällt wohl dem Landesproporz zum Opfer, da er wie Merz und Linnemann aus Nordrhein-Westfalen kommt. Er könnte neuer Fraktionsvorsitzender werden. 
 
Zum Papier der AG Gesundheit und Pflege.

In einer früheren Fassung wurde der Name des möglichen Bundesgesundheitsministers mit Timo Sorge angegeben, er heißt aber Tino Sorge. Der Fehler wurde korrigiert. 1.4.2025, 8.40 Uhr -Red.

Reference: Politik Nachrichten Unternehmen Dentallabor

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