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Warum die Wiederwahl des KZV-Vorstands in Westfalen-Lippe eine schlechte Nachricht ist

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Dr. Marion Marschall

Dr. Marion Marschall

Wir sind im Januar 2022 – und angesichts dessen, was da jetzt in einer außerordentlichen Vertreterversammlung in der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe passiert ist, reibt man sich verwundert die Augen: Da wird eine ao. VV angesetzt, weil die neue Bundesregierung vielleicht eine paritätische Besetzung von Vorständen in Kassenärztlichen und Kassenzahnärztlichen Vereinigungen und Krankenkassenvorständen gesetzlich vorschreiben könnte – und damit die bisherigen hauptamtlichen männlichen Vorstände nicht beide wiedergewählt werden können. Ergo: Die VV müsste dann bei zwei Vorstandsposten eine Frau wählen.

Ja und? Wo ist das Problem? Mal abgesehen davon, dass es bislang keine Hinweise darauf gibt, dass Bundesregierung und Bundestag eine solche Regelung in dieser Form zeitnah oder überhaupt angehen wollen – die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung hat in ihrer Exegese der Koalitionsverhandlungen und der Koalitionsvereinbarung schon angemerkt, dass die Art der angestrebten Stärkung der paritätischen Beteiligung von Frauen in den Führungsgremien nicht festgelegt ist, es werden keine „Instrumente“ genannt.

Das Signal: Ohne Quote geht es nicht

Falls also eine solche Regelung tatsächlich kommen sollte, dann wäre sie in erster Linie ein Armutszeugnis für den Berufsstand und ein Beleg dafür, dass trotz aller wortreichen Bekundungen und Papiere zur Frauenförderung in einigen KZVen die beschlossene Agenda noch nicht oder nur halbherzig umgesetzt wird. Und deswegen nicht nur die Vorstandsvorsitzende der KZV Baden-Württemberg und Vorsitzende der Arbeitsgruppe Frauenförderung der KZBV, Dr. Ute Maier, deswegen inzwischen eine Quote für sinnvoll hält, sondern auch die Politik.

So richtig Bewegung ist in die Frauenförderung bei KZBV und KZVen ja auch erst gekommen, als der damalige Bundesgesundheitsminister Jens Spahn im Februar 2019 und direkt auf der KZBV-Vertreterversammlung im Herbst 2019 verlauten ließ, er könne sich gesetzliche Maßnahmen bis zu einer Quote als Mittel zu mehr Beteiligung von Frauen in der Selbstverwaltung vorstellen. Die KZBV will dies unter Verweis auf die im Herbst 2020(!) beschlossene Agenda in ihrer Analyse der Koalitionsvereinbarung auch weiter als Aufgabe der Selbstverwaltung behandelt wissen. Das Vorgehen in Westfalen-Lippe ist für die Quoten-Befürworter in der Politik allerdings eine Steilvorlage und ein Beweis dafür, dass es – bei allen Fortschritten, zum Beispiel in Schleswig-Holstein – bei den KZVen anscheinend ohne Quote nicht geht.

Auch in Westfalen-Lippe haben die Frauen in den jüngeren Zahnärztegeneration längst die Mehrheit: Bei den unter 35-Jährigen waren bei den zahnärztlich Tätigen 2020 bereits 59 Prozent, bei der Altersgruppe 35-44 Jahre 52 Prozent Frauen. Selbst in der nächsten Altersgruppe 45-54 Jahre haben sie einen hohen Anteil von 44 Prozent. (Quelle: Statistisches Jahrbuch 20/21 der BZÄK). Es sollte also auch vor dem Hintergrund der gesetzten Agenda selbstverständlich sein, dass einer der beiden Vorstandsposten spätestens nach der in diesem Jahr anstehenden Neuwahl der Vertreterversammlung mit einer Frau besetzt werden sollte – und man sich schon jetzt aktiv um mögliche Kandidatinnen bemüht. Und das muss man jetzt tun, denn die regulären Wahlperioden der KZVen sind mit sechs Jahren sehr lang, die Chance auf Parität ist dann für lange Zeit in der Regel vergeben.

Missachtung demokratischer Gepflogenheiten

Der zweite Punkt, der am Vorgehen in Westfalen-Lippe sauer aufstößt: Die Missachtung der demokratischen Gepflogenheiten und des Wahlrechts – eines der wenigen Dinge, die der Vertragszahnärzteschaft in der Selbstverwaltung noch geblieben sind, nachdem die Vorstände hauptamtlich sein müssen. Einer nach der Neuwahl der Delegierten anders zusammengesetzte Vertreterversammlung mit neuen Mehrheiten – und vielleicht auch mehr weiblichen Delegierten – ist durch die Entscheidung der Mehrheitsfraktion der alten VV, den Vorstand vorzeitig neu zu wählen, die Möglichkeit genommen oder zumindest sehr erschwert, auch einen neuen Vorstand zu bestimmen. Damit wird der Wählerwille – hier der Vertragszahnärztinnen und Vertragszahnärzte – ignoriert.

Das wird auch nicht dadurch besser, dass die Schwester-KZV in Nordrhein diesen Weg ebenfalls schon mehrfach gegangen ist. Ob das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales in Nordrhein-Westfalen die Wahl in Westfalen-Lippe noch kippt, scheint da eher unwahrscheinlich.

Nota bene: Hier geht es nicht um die Leistungen von Dr. Holger Seib und Michael Evelt als hauptamtliche Vorstände der KZV Westfalen-Lippe. Sie machen sicher einen guten Job und haben die KZV nach den bewegten Zeiten mit dem vorherigen stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden Markus Büssing wieder in ruhiges Arbeitswasser gebracht. Aber hier schafft die alte Mehrheit mit dem FVDZ an der Spitze in ihrem eigenen Interesse Fakten. Über die weiteren Hintergründe angesichts eines seit mehr als einem Jahrzehnt in seinen früher sicheren Mehrheiten in KZV und Kammern heftig bröckelnden FVDZ und sein Personal in Westfalen-Lippe und die Wahlaussichten seiner Kandidaten mag sich so manche/mancher ihre/seine eigenen Gedanken machen.

Satzungsänderung ist Augenwischerei

Der Verweis auf eine Satzungsänderung, die in der ao. VV von der Mehrheitsfraktion eingebracht, aber nicht beschlossen werden konnte – es fehlten drei, maximal vier Stimmen (Zwei-Drittel-Mehrheit von 50 Delegierten wären 33,33 Stimmen …) –, ist bei näherer Betrachtung auch nicht die Lösung des Problems, als die sie jetzt vom FVDZ angepriesen wird. Damit soll ein dritter Vorstandsposten in der KZVWL möglich werden, der dann – so die Ankündigung der Initiatoren der Mehrheitsfraktion um den FVDZ – von den Delegierten der nächsten VV mit einer Frau besetzt werden könnte. Aber nicht muss, wenn das nicht explizit in der Satzung festgeschrieben wird.

Da stellt sich zunächst die Frage, ob die KZVWL drei hauptamtliche Vorstandsmitglieder braucht. Die könnte man bei 5.878 Mitgliedern und zunehmenden staatlich verordneten Aufgaben der Körperschaft des öffentlichen Rechts vielleicht noch bejahen, auch wenn mit einem zusätzlichen Vorstandsposten nicht unerhebliche Kosten für die Vertragszahnärzteschaft verbunden sind.

Drei Vorstandsposten – drei Männer?

Die zweite Frage ist, ob eine solche Satzungsänderung ohne konkrete Festschreibung auf ein weibliches Vorstandsmitglied – das wäre dann ja de facto eine Quote, und die will der FVDZ bekanntermaßen auf Bundesebene nicht – tatsächlich auch eine Frau in den Vorstand bringen würde. Wenn sich die Delegierten im Hauptausschuss der jetzigen VV schon mit der noch rein hypothetischen Gesetzesänderung zur paritätischen Besetzung in ihrer Freiheit bei der Auswahl der Vorstandskandidaten eingeschränkt sehen, werden sie dann einer solchen Vorgabe in der Satzung zustimmen? Wenn nicht, könnte das Ergebnis auch sein: drei Vorstandsposten – drei Männer.

Keine gute Nachricht für den Berufsstand

Die Wiederwahl des bisherigen Vorstands mit Wirkung für die neue Legislaturperiode mit einer dann neu gewählten Vertreterversammlung ist also in vielfacher Hinsicht für den Berufsstand keine gute Nachricht: Für die Vertragszahnärzte und Vertragszahnärztinnen in Westfalen-Lippe, weil ihre Wahlentscheidung für die Delegierten ihrer KZV-Vertreterversammlung dank dieser Klüngelei wahrscheinlich keine Folgen für die personelle Besetzung des Vorstands haben wird. Die ohnehin meist schon schwache Beteiligung der Basis an der Selbstverwaltung in Form von Wahlen wird damit nicht gefördert.

Die etwa 40 Prozent Zahnärztinnen in der KZV werden zumindest im hauptamtlichen Vorstand wieder nicht repräsentiert sein. Damit liefert die KZVWL der Politik eine Steilvorlage für eine gesetzliche Quotenregelung, da es offensichtlich ohne nicht geht. Das ist frustrierend für die vielen Frauen und Männer, die sich für eine gleichberechtigte Beteiligung von Frauen und jungen Kolleginnen und Kollegen in der zahnärztlichen Standespolitik (auch ohne Quote) stark machen und sich engagieren. Sie sollten gerade jetzt nicht aufgeben!

Es beschädigt am Ende aber auch die beiden wiedergewählten Vorstände. Kassiert das MAGS die Wahl, bliebe ihnen nur, sich erneut zur Wahl in der (dann neuen) Vertreterversammlung zu stellen. Ob die Mehrheiten nach dieser Geschichte dann noch so sein werden wie jetzt – wer weiß? Oder die neue Vertreterversammlung geht den schwierigeren Weg und wählt sie ab. Dann werden die Karten neu gemischt – mit oder ohne Quote.

Dr. Marion Marschall, Berlin

 

 

Politik Studium & Praxisstart Nachrichten

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