Noch ist der Gesetzentwurf, der seit Montag zum GKV-Finanzstabilisierungsgesetz (GKV-FinStG) kursiert, den zahnärztlichen Körperschaften und Spitzenorganisationen nicht offiziell zugestellt worden. Und ob er in dieser Form tatsächlich Grundlage der von Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach (SPD) angekündigten gesetzlichen Regelungen zu den Finanzen der Gesetzlichen Krankenversicherung werden wird, ist offen. Die in diesem kursierenden Entwurf enthaltenen Sparmaßnahmen allerdings werden von nahezu allen Beteiligten im Gesundheitswesen scharf als verfehlt, ungeeignet und Frontalangriff auf die Patientenversorgung kritisiert.
Dieser Kritik schlossen sich – nach einer aufrüttelnden Rede des Vorstandsvorsitzenden Dr. Wolfgang Eßer auch die Vertreterversammlung der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV) mit einem einstimmigen Votum der Delegierten für die Resolution des Vorstands am 6. Juli 2022 in Dresden an. In der Resolution wird der vorliegende Gesetzentwurf strikt abgelehnt und der Bundesgesundheitsminister aufgefordert wird, die geplanten Regelungen zu streichen. Diese kommen faktisch einer drastischen Vergütungskürzung für die Zahnärzteschaft gleich und seien weder verhältnismäßig noch angemessen. Sie bedeuten vielmehr einen Rückfall in die strikte Budgetierung und werden zwangsläufig erhebliche Leistungskürzungen für die Versicherten nach sich ziehen, hieß es in der Resolution.
Punktwerte und Gesamtvergütungen sollen gedeckelt werden
Der Entwurf zum GKV-FinStG sieht vor, dass bei den Zahnärzten die Punktwerte und Gesamtvergütungen für die vertragszahnärztliche Behandlung ohne Zahnersatz gedeckelt werden: Sie dürfen im Jahr 2023 höchstens um die um 0,75 Prozentpunkte und im Jahr 2024 höchstens um die um 1,5 Prozentpunkte verminderte Veränderungsrate der beitragspflichtigen Einkommen im jeweiligen Jahr steigen. Das führe, so das Deutsche Ärzteblatt, zu Minderausgaben für die GKV im Jahr 2023 in Höhe von rund 120 Millionen Euro und im Jahr 2024 in Höhe von rund 340 Millionen Euro.
Zahnärzte seit Jahren keine Kostentreiber, trotz neuer Leistungen
Die vergangenen Jahre hätten gezeigt, dass von der vertragszahnärztlichen Versorgung keine Gefahr für die Stabilität der GKV-Finanzen ausgeht, obwohl der Gesetzgeber mit dem GKV-Versorgungsstrukturgesetz bereits 2012 die strikte Budgetierung aufgehoben hat. Vielmehr sei der Anteil der zahnärztlichen Ausgaben an den GKV-Gesamtausgaben kontinuierlich von 8,92 Prozent im Jahr 2000 auf mittlerweile 6,25 Prozent gesunken. „Gleichzeitig wurde der vertragszahnärztliche Leistungskatalog präventionsorientiert ausgebaut und auf die Bedürfnisse vulnerabler Gruppen hin ausgerichtet. Das ist das Ergebnis einer von der Zahnärzteschaft verfolgten langjährigen, erfolgreichen, präventionsorientierten Ausrichtung der Versorgung.“
Sparkurs wird vor allem Patienten treffen
Ein Rückfall in die Budgetierung werde langfristig erhebliche Folgen für die zahnärztliche Patientenversorgung haben und die erst im vergangenen Jahr in die Versorgung gebrachte, förderungswürdige und präventiv wirkende Parodontitistherapie umgehend wieder ausbremsen. „Dies wird zu Lasten der Mundgesundheit der Bevölkerung gehen“, warnte der Vorsitzende des Vorstands der KZBV, Dr. Wolfgang Eßer. Ziel müsse es sein, diese geplanten Regelungen so früh wie möglich im Gesetzgebungsverfahren zu verhindern.
Keine Verlässlichkeit für die Niederlassung
Das geplante Gesetz werde auch dazu beitragen, dass sich Zahnärztinnen und Zahnärzte gegen die eigene Niederlassung entscheiden, denn der finanziellen Planungssicherheit werde vollständig der Boden entzogen. Im gleichen Maße seien auch ältere Kollegen betroffen, die ihren Ruhestand immer wieder aufschieben. Der drohenden Unterversorgung in der vertragszahnärztlichen Versorgung wird damit Vorschub geleistet, hieß es in der Resolution.
Leistungen durch die Hintertür gekürzt
Mit der strikten Budgetierung werden de facto Leistungen durch die Hintertür gekürzt, was der Minister immer wieder vehement ausgeschlossen hatte. Die Vertreterversammlung warf dem Minister in diesem Zusammenhang Wortbruch vor. Mit diesem Griff in die Mottenkiste längst überholter Werkzeuge der Gesundheitspolitik werde auch die Zahnärzteschaft wieder zu Maßnahmen greifen müssen, so Eßer, die man eigentlich längst überwunden geglaubt habe: „Für begrenzte Mittel wird es dann eben auch nur begrenzte Leistungen geben!“
Der Referentenentwurf des GKV-FinStG wurde am 8. Juli 2022 den Verbänden, Körperschaften und Organisationen zur Stellungnahme in der Verbändeanhörung übersandt. Die KZBV bereitet diese Stellungnahme – auch in Abstimmung mit der Bundeszahnärztekammer und weiteren Organisationen der Zahnärzteschaft – bereits seit Bekanntwerden der ersten Informationen zum geplanten Gesetz Ende Juni 2022 vor, wie der KZBV-Vorstandsvorsitzende Eßer in Dresden berichtete. Er forderte alle KZVen und alle zahnärztlichen Körperschaften, Verbände und Organisationen auf, hier mit einer Stimme zu sprechen. (MM)
Gefahren der iMVZ herausgestellt
Der erste Tag der VV stand im weiteren Verlauf im Zeichen der Berichte der drei Vorstände. Eßer warnte in seinem Bericht noch einmal eindringlich vor den Gefahren für Qualität, Patientenwohl und die Sicherstellung der vertragszahnärztlichen Versorgung, die von investorengetragenen Medizinischen Versorgungszentren (iMVZ) ausgehen. Die Erfahrungen und Berichte der vergangenen Monate hätten gezeigt, welche negativen Auswirkungen von diesen Fremdinvestoren im gesamten Gesundheitswesen ausgehen. Zugleich forderte er den Gesetzgeber auf, den Zustrom solcher Investoren in die Versorgung endlich wirksam und nachhaltig zu unterbinden. Diese dürfe nicht von renditeorientierten Interessen bestimmt werden.
Maßnahmenkatalog soll Gründung von MVZ beschränken
Die Vertreterversammlung wird auf der Grundlage seines Vortrags einen Maßnahmenkatalog diskutieren, der vorsieht, dass eine Klinik ein zahnärztliches MVZ künftig nur innerhalb ihres Planungsbereiches gründen darf und das auch nur dann, wenn es über einen zahnmedizinischen Fachbezug verfügt. Weiterhin soll die Gründung eines zahnärztlichen MVZ über ein Krankenhaus unter bestimmten Umständen für städtische und stadtnahe Planungsbereiche ausgeschlossen werden, die bereits bedarfsgerecht versorgt sind. Darüber hinaus sollte – in Anlehnung an bereits existierende Zahnarztregister – eine Rechtsgrundlage für die Einrichtung von MVZ-Registern auf Bundes- und Landesebene geschaffen werden, um Transparenz über die verschachtelten Inhaber- und Beteiligungsstrukturen, insbesondere von iMVZ, zu schaffen und die Prüfung von deren Eignung zur Teilnahme an der Versorgung durch den Zulassungsausschuss zu ermöglichen. Auch sollten zahnärztliche MVZ gesetzlich verpflichtet werden, auf Praxisschild und Website Angaben über ihren Träger und die gesellschaftsrechtlichen Inhaberstrukturen zu machen.
Beschluss der Gesundheitsminister begrüßt
Im Juni 2022 hatte die Konferenz der Gesundheitsministerinnen und -minister der Länder (GMK) einstimmig einen weiteren Beschluss zur Regulierung von iMVZ gefasst. Die Vertreterversammlung begrüßte diesen Beschluss grundsätzlich, forderte den Gesetzgeber aber zugleich auf, die weitergehenden Vorschläge der Zahnärzteschaft aufzugreifen und neben einer zielführenden räumlichen Begrenzung insbesondere auch den medizinisch-fachlichen Bezug von Krankenhäusern als Voraussetzung für die Gründungsberechtigung von zahnärztlichen MVZ gesetzlich zu verankern. Der dringende Handlungsbedarf in diesem Bereich müsse endlich anerkannt, der vorgelegte Maßnahmenkatalog rechtlich umgesetzt und damit weiterer Schaden von der gemeinwohlorientierten vertragszahnärztlichen Versorgung abgewendet werden.
Diskussion zum EBZ und zur TI
Weitere Themen aus den Berichten von Martin Hendges und Dr. Karl-Georg Pochhammer, die von den Delegierten diskutiert werden, sind der Stand zum Elektronischen Beantragungsverfahren (EBZ) und zu den TI-Anwendungen sowie der europäische Gesundheitsraum. Eine längere Diskussion gab es zum Antrag des Vorstands zum EBZ: Dieses werde grundsätzlich positiv wahrgenommen und als Anwendung mit echtem Nutzwert gesehen, hieß es in den Redebeiträgen. Die Rückmeldung aus den Informationsveranstaltungen und von der rasch steigenden Zahl der Anwender sei sehr positiv. Auch die lange Phase der Erprobung, die den Praxen Zeit geben soll, KIM zu installieren und die Antragsverfahren auszuprobieren, wird grundsätzlich begrüßt. Hendges und Eßer appellierten an die KZVen und Praxen, diese Übergangsphase jetzt zu nutzen und nicht erst zum 1. Januar 2023 anzufangen.
Belastend für die Praxen sei allerdings, dass einige große PVS-Anbieter die für das EBZ erforderlichen Softwaremodule zu vergleichsweise hohen Preisen anbieten, die durch die verhandelten Zuschüsse nicht gedeckt sind. Andere, kleine Anbieter seien nicht oder noch nicht in der Lage, diese Module überhaupt rechtzeitig zum 1. Januar 2023 zur Verfügung zu stellen, hieß es. Auch die Kumulation dieser positiven Neueinführung mit den vielen unausgegorenen TI-Anwendungen, die jetzt in die Praxen gedrückt würden, führe zu einer Belastung.
Dr. Marion Marschall, z.Zt. Dresden
Mit Material der KZBV. Die (auszugsweisen) Reden des Vorstands, die Beschlüsse und Pressemeldungen sind auch auf der Internetseite der KZBV eingestellt.
Ergänzt am 11. Juli 2022, 10.45 Uhr, um die Informationen zum jetzt offiziell übersandten Gesetzentwurf. -Red.