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Steter Tropfen höhlt den Stein – Dr. Marion Marschall zur Protestaktion in Berlin und die Kampagnen

(c) Quintessenz

Die Protestaktion des Verbands medizinischer Fachberufe am 8. September 2023 war ein Erfolg. Natürlich wurde auch diesmal im Netz in den Social-Media-Kanälen wieder gekrittelt und gemeckert: Da ist ja kaum einer, die Medien haben nicht berichtet, interessiert ja eh keinen, die Politik macht sowieso, was sie will etc. pp. Trotzdem war das ein Erfolg – gerade für die Zahnärztinnen und Zahnärzte und ihre Praxisteams und nicht zuletzt die Zahntechniker, die diesmal prominent dabei waren.

Zum einen waren die Teilnehmerzahlen nach Aussagen von Anwesenden höher, als es aus Webcam-Aufnahmen und einzelnen Fotos abzuleiten war. Angesichts der brennenden Sonne und der Hitze auf dem Pflaster des Pariser Platzes vor der Tribüne am Brandenburger Tor hielten es viele dort schlicht nicht bis zum Ende der zweistündigen Veranstaltung mit fast 25 Rednerinnen und Rednern aus. Ein Fakt, den auch viele Redner immer wieder erwähnten.

Noch nie so viel Unterstützung im Vorfeld

Zum anderen gab es im Vorfeld und auf dem Platz noch nie so viel Unterstützung für die Ziele und Anliegen der MFA, ZFA und Zahntechniker wie diesmal. Von allen Seiten kamen Unterstützungserklärungen, nicht zuletzt von den Ärzten und Zahnärzten. Den Auftritt des bayerischen Sozialministers Klaus Holetschek nur dem bayerischen Wahlkampf zuzuordnen, greift dabei zu kurz – Holetschek hat schon seit vielen Jahren ein offenes Ohr für die Anliegen der Ärzte, Zahnärzte und ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Schließlich ist er für die ärztliche und zahnärztliche Versorgung der Menschen im Flächen-Freistaat Bayern mit verantwortlich.

Berichterstattung landet auch in Ministerien und bei Politikern

Und auch wenn die Protestaktion nicht direkt den Weg in die Publikumsmedien gefunden hat, haben die Medien das Gesamtthema doch bereits aufgegriffen, zum Beispiel die „Welt“ mit einem ganzseitigen Beitrag, in dem die Berliner KZV-Vorständin Dr. Jana Lo Scalzo ausführlich zu Wort kam. Die ärztliche und zahnärztliche Presse hat schon im Vorfeld und direkt von der Protestaktion ausführlich berichtet, direkt online, auf Social Media und in Print. Und das wird – zusätzlich verbreitet von diversen Gesundheitsdiensten und den hausinternen Pressespiegeln – von der Politik, von den Gesundheitspolitikern, bei den Krankenkassen und in den Ministerien durchaus gelesen und wahrgenommen.

„Grundrauschen“ unterstützen und Druck hochhalten

Das „Grundrauschen“ der Standespolitik und der Verbände geht ja weiter, mit Gesprächen, Treffen, in den Vergütungsverhandlungen, bei Veranstaltungen aller Art. Dass der Druck hoch bleibt und möglichst noch steigt, dazu können die Arzt- und Zahnarztpraxen selbst beitragen. Zum Beispiel, indem sie direkt ihre Abgeordneten und den Minister anschreiben, wie es bei der Kampagne „Zähne zeigen“ möglich ist, und ihre Patienten informieren. Eine möglichst zahlreiche Beteiligung an den weiteren Protestaktionen, zum Beispiel am Mittwoch in Hannover, gehört ebenfalls dazu. In Kürze wird die Evaluierung der Folgen des GKV-Finanzsstabilisierungsgesetzes abgeschlossen – auf die Zahlen zur PAR-Behandlung darf man gespannt sein.

Schwierige Patientenansprache

Beim Thema Kampagnen allerdings gibt es für die Ärzte- und Zahnärzteschaft noch Luft nach oben – gerade wenn es um die Ansprache der Patientinnen und Patienten geht. Die Ärzte-Kampagne „Praxis in Not“ illustriert ihr Anliegen mit einer martialischen Bildsprache, die eher an Kriegsberichterstattung erinnern denn an die gefährdete gute Betreuung in der Haus- und Facharztpraxis. Ein PR-Experte hat das Dilemma der Patientenansprache in einem Interview mit der Ärzte Zeitung gut auf den Punkt gebracht: Der Patient sieht die Probleme als Aufgabe der Ärzte, die sollen das regeln. Er möchte die Behandlung, die ihm als Beitragszahler in der GKV seiner Meinung nach zusteht. Dass der Arzt/Zahnarzt die Behandlung von der Kasse nicht oder nicht vollständig bezahlt bekommt, weil der Minister ein Spargesetz verordnet hat, weiß er nicht.

Ohne persönliche Information und Aufklärung bleiben dem Patienten die Nöte der Praxen und der Mitarbeiterinnen fremd – er spürt sie erst bei den langen Wartezeiten, wenn es wegen fehlenden Personals weniger Termine gibt. Es sei richtig, die Patienten ins Boot zu holen. Aber dann müsse man ihnen auch ein Boot, eine Anlaufstelle, eine Aktionsmöglichkeit anbieten, so das Fazit des Experten. Sonst laufe die Kampagne ins Leere.

Warum noch eine Kampagne?

Und so fragt man sich, warum ein zahnärztlicher Berufsverband nun unbedingt auch noch seine eigene (teure) Kampagne zum selben Themenkomplex an die Patientinnen und Patienten adressieren muss. Wo es doch mit „Zähne zeigen“ schon eine große, auch an die Patienten adressierte Aufklärungskampagne von KZBV (und BZÄK) gibt, die zumindest eine Mitmach-Komponente (Schreiben an die Abgeordneten) bietet. Da hat es am Anfang schon reichlich geruckelt, bis das mal in die Praxen gelangt ist.

Der Fokus der „Zähne zeigen“-Kampagne liegt auf den Folgen der Lauterbachschen Spargesetze für die Gesundheit der Patienten selbst, auch wenn das erklärungsbedürftig ist, siehe oben. Die FVDZ-Kampagne „Wir geben Deutschland das Lächeln zurück“ erinnert im Titel und in der Aufmachung an das Übliche: Zahnarzt = schöne Zähne, Ästhetik. Da fragt sich der verwirrte Patient doch eher: Was wollen die jetzt von mir? Ist jetzt meine Gesundheit, Stichwort Parodontitis, betroffen? Oder geht es um Ästhetik, Aligner, Veneers und Co.?

Die Kräfte müssen gebündelt werden

Die Geschlossenheit und gegenseitige Unterstützung, die sich seit den ersten Protestaktionen 2022 zwischen den medizinischen Fachberufen, den Ärzten, Zahnärzten, Praxisteams nach und nach aufgebaut haben und sich in Berlin erneut deutlich gezeigt hat, gilt es zu erhalten und weiter auszubauen. Nur so wird der wichtige ambulante Sektor in der Politik Aufmerksamkeit erzeugen können, die Kräfte müssen gebündelt werden. Das ist in Berlin selbst über die laufenden Tarifverhandlungen hinweg gelungen.

Die von vielen erhofften großen Massenproteste sind realistisch betrachtet schon angesichts der kleinteiligen Strukturen, der im Vergleich zu anderen Gruppen eher kleinen Zahlen der Akteure nicht zu erwarten. Aber die vielen kleineren und größeren Aktionen in der Fläche halten die Aufmerksamkeit hoch und schweißen auch die Beteiligten zusammen. Auch hier gilt: Steter Tropfen höhlt den Stein. Er sollte nur in den Aussagen möglichst konzentriert tropfen  …

Dr. Marion Marschall, Berlin

Reference: Politik Nachrichten Team

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