0,00 €
Zum Warenkorb
  • Quintessence Publishing Deutschland
Filter
8269 Views

Internationale Gruppe von Materialwissenschaftlern knackt Rätsel um harte Muschelschalen

Perlmutt fasziniert den Menschen seit jeher. Es gibt Muschelschalen ihr schillerndes Aussehen und schützt das Tier vor Fressfeinden und anderen Bedrohungen. Seit mehr als 80 Jahren rätseln Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, woher die außergewöhnliche Härte von Perlmutt stammt – schon lange wird es als eines der zähesten Materialen der Welt gepriesen. Nun hat ein internationales Team aus den Bereichen Material- und Geowissenschaften sowie Biologie der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU), der University of Michigan, der Macquarie University in Sydney und der Université Bourgogne Franche-Comté das Geheimnis gelüftet.

Kompositstruktur im Nanobereich

Forschende kennen die Grundlagen von Perlmutt seit Jahrzehnten – es besteht aus mikroskopisch kleinen „Ziegelsteinen“ eines Minerals namens Aragonit, das aus einfachem Kalk besteht, und einem „Mörtel“ aus organischem Material. Diese Anordnung verleiht generell Festigkeit, aber Perlmutt ist weitaus widerstandsfähiger als seine einzelnen Komponenten vermuten lassen. In ihrem Experiment übte das Team unter einem Elektronenmikroskop auf die Schalen Druck aus und beobachte in Echtzeit, was passierte: Die Struktur verformte sich komplexer als gedacht.

Originalpublikation:
Gim, Jiseok, Noah Schnitzer, Laura M. Otter, Yuchi Cui, Sébastien Motreuil, Frédéric Marin, Stephan E. Wolf, Dorrit E. Jacob, Amit Misra, and Robert Hovden. 2019. „Nanoscale Deformation Mechanics Reveal Resilience in Nacre of Pinna Nobilis Shell.“ Nature Communications 10 (1): 4822. https://doi.org/10.1038/s41467-019-12743-z.


„Zentral für die von uns beobachteten Eigenschaften ist eine Kompositstruktur auf der Nanoskala, die das keramische Material Kalk eng mit Proteinen und anderen organischen Bestandteilen verwebt. Das gelingt der Muschel, indem sie kleinste Kalkpartikel zu Plättchen zusammenlagern lässt, ein Prozess, den wir derzeit genau untersuchen, um die fabelhaften Eigenschaften eines Tages auch synthetisch abbilden zu können¡“, erklärt Prof. Dr. Stephan Wolf, Juniorprofessor für Biomimetische Materialen und Prozesse am Lehrstuhl für Glas und Keramik der FAU.

Widerstandsfähiger als Kunststoffe

Bildlich gesprochen funktioniert das so: Die „Ziegelsteine“ sind tatsächlich mehrseitige Plättchen, die nur wenige hundert Nanometer groß sind. In der Regel bleiben diese Plättchen getrennt, in Schichten angeordnet und von einer dünnen Schicht organischen Mörtels gepolstert. Bei Belastung der Muschelschalen wird der Mörtel jedoch beiseite gequetscht, die Plättchen verhaken sich so sehr, dass sie gemeinsam die Belastung tragen und so daran nicht zerbrechen. Wird der Druck weggenommen, springt die Struktur in ihre alte Form zurück, ohne an Festigkeit oder Elastizität zu verlieren. Diese Eigenschaft ist außergewöhnlich, denn: Selbst die fortschrittlichsten Materialien, die von Menschen entworfen wurden, können das nicht. Kunststoffe können beispielsweise durch einen Aufprall zurückspringen, verlieren jedoch jedes Mal etwas an Festigkeit. Perlmutt hingegen verlor in den Experimenten bei wiederholten Schlägen kaum etwas von seiner Widerstandsfähigkeit. „Es ist unglaublich, wie eine Muschel – die nicht gerade für ihre Intelligenz gerühmt wird – so ein komplexes Material generiert, das über viele Längenskalen strukturiert ist”, sagt Prof. Hovden von der University of Michigan und Leiter der Studie.

Vorbild für bruchfeste Keramiken auch in Zahnmedizin

Ihre Ergebnisse erlauben es Materialwissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern, eine neue Generation von bruchfesten keramischen Materialien zu entwickeln, die widerstandsfähig auf Belastungen reagieren, Anforderungen wie sie für Alltags- oder Spezialanwendungen in der Medizintechnik auftreten, wie zum Beispiel für Zahn- und Knochenimplantate.

Titelbild: jele/shutterstock.com
Reference: Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) Bunte Welt Nachrichten Materialien

AdBlocker active! Please take a moment ...

Our systems reports that you are using an active AdBlocker software, which blocks all page content to be loaded.

Fair is fair: Our industry partners provide a major input to the development of this news site with their advertisements. You will find a clear number of these ads at the homepage and on the single article pages.

Please put www.quintessence-publishing.com on your „adblocker whitelist“ or deactivate your ad blocker software. Thanks.

More news

  
3. Jul 2025

Hitzewellen und Hitzedom: Deutschland ist drastisch unvorbereitet auf hohe Temperaturen

Deutsche Gesellschaft für Geriatrie: „Zehntausende Todesfälle binnen Tagen sind zu vermeiden!“
2. Jul 2025

Wie Fruchtzucker das Entzündungsrisiko steigert

Schon kurzfristiger hoher Fruktosekonsum erhöht Rezeptoren für bakterielle Toxine an Immunzellen
1. Jul 2025

Unterstützung für Frauen in den Wechseljahren

Barmer-Leitfaden „Menopause@work“ soll Unternehmen helfen, Betroffenen den Arbeitsalltag zu erleichtern
1. Jul 2025

3D-gedruckte Metallbauteile werden mit Schall besser

Neues Verfahren führt zu genaueren und qualitativ hochwertigeren Metallbauteilen
27. Jun 2025

Wandel durch Wissen – wenn Lernen zum Teil des Alltags wird

Oliver Schumacher mit Tipps, wie innovative Lernansätze die Unternehmenskultur verändern
26. Jun 2025

„Cocaine kills Brain“

Weltdrogentag am 26. Juni: Folgen des Drogenkonsums für die Hirngesundheit
24. Jun 2025

Aroniasaft und Sport bei Prä-Diabetes mellitus

Aktuelle Studie zeigt positiven Einfluss nach bereits zwei Wochen
20. Jun 2025

Der Mundgesundheit endlich die ihr zustehende Bedeutung geben

Kritik am Vorentwurf der Politischen Erklärung des UN-Treffens zu nichtübertagbaren Erkrankungen im September 2025