Für die Herstellung von Kunststoff verbraucht die Industrie wertvolle Ressourcen wie Erdöl. So problematisch wie die Herstellung ist auch die Entsorgung: Der Plastikmüll landet oft in der Umwelt. Ein Resultat daraus ist die größte Müllinsel im Pazifik, die 80.000 Tonnen Plastik umfasst und mit 1,6 Millionen Quadratkilometern mehr als viermal so groß wie Deutschland ist. Das Folgenschwere daran ist, das beispielsweise PET-Flaschen rund 450 Jahre brauchen, bis sie im Wasser zerfallen und als Mikroplastik auf den Meeresgrund sinken. Und das alles für einen oft einmaligen Gebrauch.
Pazifischer Müllteppich mehr als viermal so groß wie Deutschland
Die Bundesregierung zählt in ihrer „Hightech-Strategie 2020 für Deutschland“ die Biotechnologie zu den Schlüsseltechnologien für eine zukunftsfähige deutsche Wirtschaft. Vor diesem Hintergrund forscht Prof. Stephanie Stute von der Fakultät Verfahrenstechnik an der TH Nürnberg an biobasiert hergestellten Kunststoffen, die biologisch abbaubar sind. In ihrem Projekt „Biobasierte Herstellung des biologisch abbaubaren Bio-Kunststoffes Polybuttersäure (PHB)“ entwickelt sie ein kontinuierliches und damit wirtschaftlicheres Herstellungsverfahren für PHB. „Die Polybuttersäure ist ein farbloser Polyester und gilt als vielversprechendster Ersatz für petrochemische Polymere. Bisher sind die Herstellungskosten für diesen Bio-Kunststoff sehr hoch, weshalb die Industrie ihn noch nicht im großen Maßstab einsetzt“, so Stute. Neue Ansätze zeigen, dass und wie die Produktivität des PHB-Herstellungsverfahrens deutlich verbessert werden kann.
Bakterien produzieren Polybuttersäure (PHB)
Viele Bakterienarten lagern PHB als Speicherstoff in ihren Zellen ein. Um den Stoffwechsel der Bakterien im großen Maßstab nutzen zu können, sind für die Anzucht der benötigten Bakterienzellen und für die nachfolgende PHB-Produktion unterschiedliche Prozessbedingungen technisch zu realisieren. „Eine rasche Zellteilung und das damit verbundene mikrobiologische Wachstum sind nur bei einer optimalen Versorgung der Bakterienzellen mit Nährstoffen und Sauerstoff möglich. Für die Einlagerung von Polybuttersäure benötigen die Bakterien allerdings Mangelbedingungen“, erklärt Stute. Der neue Ansatz basiert auf zwei hintereinandergeschalteten Bioreaktoren, die kontinuierlich unter Zulauf von Nährstoffen betrieben werden.
Erst Wachstum, dann Mangel induzieren
In der ersten Stufe herrschen optimale Wachstumsbedingungen. In der zweiten Stufe wird gezielt ein Nährstoffmangel eingestellt, so dass die Einlagerung von PHB in den Bakterien beginnt und durch den Zulauf ausgewählter Nährstoffe verstärkt wird. Die Bakterien bilden so große Mengen des Produkts. Am Auslauf des zweiten Bioreaktors trennt das Team von Prof. Stute die Bakterienzellen vom Nährmedium ab und bereitet das Produkt PHB aus den Bakterienzellen auf. Das Bakterium C. necator lagert beispielsweise PHB von bis zu 80 Prozent der Biotrockenmasse ein und bietet damit das Potenzial zur Massenproduktion. Die Kosten für die Rohstoffe können einen Großteil der Gesamtkosten betragen, so dass die Nutzung von kostengünstigen industriellen Restströmen von großem Interesse ist.
Industrielle Restströme gesucht
Pro Tonne hergestelltem Biodiesel entstehen etwa 100 kg Rohglycerin, das die Industrie in Deutschland häufig nur gegen niedriges Entgelt verkaufen kann oder sogar kostenpflichtig entsorgen muss. Rohglycerin hat das Potenzial, die Produktionskosten des Bio-Kunststoffs erheblich zu reduzieren. Prof. Stute generiert auf Basis dieses Reststoffs ein wirtschaftliches Herstellungsverfahren für PHB, um dadurch biobasierte und biologisch abbaubare Kunststoffe zu produzieren. Das Projekt wird mit 40.000 Euro von der Staedtler-Stiftung gefördert und markiert den Startpunkt der Forschungsarbeiten im Fachgebiet Bioverfahrenstechnik an der TH Nürnberg – ein Beitrag zu einer nachhaltigen und wissensbasierten Wirtschaftsform.