Das Buch „Kinderzahnheilkunde. Grundlagen für die tägliche Praxis“ von Ulrike Uhlmann, erschienen im Frühjahr dieses Jahres bei Quintessence Publishing, widmet sich einem wichtigen, unter den zahnmedizinischen Fachbüchern gleichwohl eher stiefkindlich behandelten Thema.
Welche Bedeutung der Kinderzahnheilkunde heutzutage beigemessen wird, zeigt ihre Verankerung als ein Teilbereich der Prüfung im Fach Zahnerhaltungskunde gemäß der geltenden Approbationsordnung für Zahnärzte. Von einer wissenschaftlichen Fachgesellschaft und zahlreichen Landeszahnärztekammern werden strukturierte Fortbildungen auf diesem Gebiet angeboten, die sich regen Interesses erfreuen. Angesichts dessen ist die geringe Zahl aktueller Standardwerke auf diesem Gebiet mehr als nur erstaunlich.
Anspruchsvolles Querschnittsfach
Die Vorstellung, Kinder wie „kleine Erwachsene“ anhand entsprechender Empfehlungen zu behandeln, lässt wichtige Besonderheiten und Herausforderungen bei der Behandlung junger Patienten außer acht, die sorgfältig erforscht werden und im Spektrum einer modernen Zahnmedizin unumgänglich sind. Darüber hinaus ist Kinderzahnheilkunde wie sonst nur wenige zahnmedizinische Fächer ein Querschnitt durch alle zahnärztlichen Fachgebiete und eine Schnittstelle zu Allgemeinmedizin, Psychologie, Ernährungswissenschaften und weiteren Fachdisziplinen.
Das Buch behandelt alle für den Zahnarzt wichtigen Grundlagen des Faches sowie auch spezielle behandlerische Aspekte wie Sedierung, Intubationsnarkose, Homöopathie und Akupressur, ergänzt um ein Kapitel zu gestalterischen, administrativen und juristischen Aspekten. Es soll Neueinsteigern und am Fach Interessierten einen ersten Überblick über das vielfältige Fach bieten, und den Einstieg in die eigene Kinderbehandlung erleichtern, ein Ziel, hinsichtlich dessen das Buch alle Erwartungen erfüllt.
Gliederung orientiert sich an der Behandlungssitzung
Für die Gliederung hat die Autorin einen didaktisch interessanten Ansatz gewählt, indem sie die Abfolge der einzelnen Kapitel an einer Behandlungssitzung orientiert. So werden in insgesamt neun Kapiteln zunächst die anatomisch-physiologischen und pathogenetisch-ätiologischen Grundlagen besprochen, gefolgt von zwei Kapiteln zur Kommunikation mit Kind und Eltern sowie zur zahnärztlichen Untersuchung mit Hinweisen zur Steigerung der Compliance. Das Kapitel zu diagnostischen Methoden schließt Röntgendiagnostik und myofunktionelle Diagnostik ein und wird ergänzt durch ein umfangreiches Kapitel zu möglichen extra- und intraoralen Befunden, die Zahnärztinnen und Zahnärzten bei der Untersuchung von Kindern häufig begegnen, illustriert durch zahlreiche farbige Abbildungen.
Ulrike Uhlmann: Kinderzahnheilkunde. Grundlagen für die tägliche Praxis, 1. Auflage, Quintessenz Publishing, Deutschland (Berlin), 2019. Hardcover, 224 Seiten, 170 Abbildungen, Bestellnummer, 21770, ISBN 978-3-86867-417-0, 88 Euro.
Inhalt:
Kapitel 01. Einleitung und Basics
Kapitel 02. Kommunikation
Kapitel 03. Die zahnärztliche Untersuchung und Tipps zur Steigerung der Compliance
Kapitel 04. Diagnostik
Kapitel 05. Befunde
Kapitel 06. Behandlung
Kapitel 07. Prophylaxe: Recall und Aufklärung
Kapitel 08. Elterngespräche - Themen, die bewegen
Kapitel 09. Formelles und JuristischesZur Leseprobe. Direkt im Shop bestellen.
Breite Palette der Therapiemöglichkeiten
Mit einem Umfang von 116 Seiten bildet das Kapitel „Behandlung“ naturgemäß das Herzstück des Buches. Darin führt die Autorin den Leser von nicht-invasiven Behandlungstechniken über mikro-invasive Verfahren zu minimal-invasiven und invasiven Therapiemöglichkeiten. Den Abschluss dieses Abschnitts bilden chirurgische Interventionen und besondere Herausforderungen für den Behandler in Form der Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation (MIH), des (Milchzahn-)Traumas und des kleinen Schmerzpatienten. Nacheinander werden die wichtigsten Behandlungsmaßnahmen vorgestellt, detailliert beschrieben und Schritt für Schritt erläutert, unterstützt durch aussagekräftige klinische Bilder oder Schemazeichnungen.
Gut illustriert und praxisnah
Dabei konzentriert sich die Darstellung auf Verfahren, die in der Praxis gut umsetzbar sind. Die Beschreibung der einzelnen Techniken legt weniger Wert auf die akademische Bewertung der einzelnen Verfahren und Materialien, sondern auf die korrekte Indikation und die praktische Anwendung. Hier liegt aus Sicht der Rezensentin ein wesentlicher Nutzen des Buches für die Leser: Es ist eine schön illustrierte und didaktisch sehr gut aufbereitete Beschreibung des „How-to-do“ in der Kinderzahnheilkunde.
Häufige Fragen und Elterngespräch
Doch auch die Prävention kommt nicht zu kurz, der die Autorin ein eigenes Kapitel mit Fokus auf das Elterngespräch widmet, ergänzt durch topaktuelle Empfehlungen zur Fluoriddosierung in Kinderzahnpasten. Als besonders hilfreich für ratsuchende Leser dürfte sich zudem das Kapitel „Themen, die Eltern bewegen“ erweisen. Hier lässt die Autorin ihre Leser an ihrem Erfahrungsschatz ausgiebig teilhaben und behandelt Fragen, die auch der Rezensentin von Eltern besonders häufig gestellt werden wie „Mein Kind knirscht“, „Schnuller oder Daumen?“, „Karies durch Stillen“ oder zu angemessenen Verhaltensweisen, wenn sich das Kind gegen das Zähneputzen wehrt.
Anschaulich und sehr praxisbezogen
Das Buch ist flüssig geschrieben und gut zu lesen. Alle wesentlichen Inhalte sind kompakt und prägnant, dabei anschaulich und sehr praxisbezogen dargestellt. Für eilige Leser werden farblich abgesetzt die wichtigsten Inhalte knapp zusammengefasst. Ergänzendes Wissen, zum Beispiel über die Kommunikation mit Helikoptereltern oder Tipps zur Anästhesie bei Kindern, ist als Exkurs gekennzeichnet und ebenfalls farblich abgesetzt. Die Formatierung dieser Elemente als Marginalien erleichtert das Auffinden besonderer Informationen; ein kurzes Literaturverzeichnis am Ende jedes Kapitels verweist auf vertiefende Lektüre.
Hochwertig ausgestattet, bereitet es Freude, das Buch in die Hand zu nehmen und darin zu blättern. Zahlreiche farbige Bilder, Grafiken und Tabellen ergänzen den Text mit wichtigen Informationen, ein farbig abgesetzter Kolumnentitel mit der Kapitelüberschrift und den Untertiteln gibt dem Leser rasche Orientierung. Qualität und Aufmachung spiegeln den Stellenwert, den das Buch im Angebot des Verlags einnimmt.
Für Studierende und Berufsanfänger wie für erfahrene Praktiker
In der Summe ist es ein sehr empfehlenswertes Buch: Für Studenten zur Vorbereitung auf das Staatsexamen, für Berufsanfänger, die ein Kind in ihrem Terminbuch stehen haben, für Teilnehmer eines Curriculums oder eines Masterstudiengangs, um sich dem komplexen Thema zu nähern, und die Freude einer Praktikerin an der Behandlung von Kindern zu spüren. Gemessen an der schönen Ausstattung erscheint der Preis moderat. Ein Stichwortverzeichnis könnte das Buch in der nächsten Auflage noch vervollkommnen.
PD Dr. Dr. Christiane Gleissner, Mainz