Die Deutsche Gesellschaft für Kinderzahnmedizin (DGKiZ) befürwortet, dass die Fluoridlackanwendung bei Kindern bis zum vollendeten sechsten Lebensjahr demnächst von der gesetzlichen Krankenkasse bezahlt werden soll, und zwar unabhängig von bereits vorhandener Karies. Sie begrüßt den Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) hierzu als einen weiteren sinnvollen Schritt zur Eindämmung der frühkindlichen Karies (Early Childhood Caries; ECC).
Begrüßenswerte Ausweitung der Kassenleistung
Bislang gibt es für den Schutz des Milchgebisses mittels Applikation von Fluoridlack je nach Altersgruppe unterschiedliche Regelungen: Bis zum 33. Lebensmonat kann Fluoridlack bis zu zweimal pro Halbjahr appliziert werden. Zwischen dem 34. Lebensmonat und dem vollendeten sechsten Lebensjahr hingegen ist ein hohes Kariesrisiko Voraussetzung dafür, dass diese Fluoridierungsleistung weiterhin von der Kasse getragen wird. Diese Ungleichbehandlung der Altersgruppen soll nun durch den Beschluss des G-BA vom 18. Januar 2024 beendet werden. Alle Kinder bis zum Alter von sechs Jahren sollen demnächst Anspruch auf diese kariespräventive Leistung haben.
Effektiv, einfach, sicher
Die Ausweitung der Fluoridlackapplikation ist eine effektive, sichere und einfach durchzuführende kariespräventive Maßnahme, die zur Vermeidung von frühkindlicher Karies beitragen kann. Studien zeigen, dass die Zahngesundheit von Kindern unabhängig vom Kariesrisiko, das sich nach bereits vorhandener Karieserfahrung bemisst, von der Fluoridlackapplikation profitiert [1]. Somit erscheint es widersinnig, die Karieserfahrung abzuwarten, um dann erst präventiv tätig zu werden. „Für eine Primärprävention oder das mit Fluoridlack mögliche Stoppen einer Initialkaries ist es dann zu spät“, erläutert Prof. Ulrich Schiffner, Beirat Prävention der DGKiZ.
Frühkindliche Karies ist noch immer ein Problem
Während die Präventionsmaßnahmen der Kinderzahnmedizin bei Jugendlichen gefruchtet haben und ein deutlicher Kariesrückgang bei den 12-Jährigen über die vergangenen Jahrzehnte beobachtet werden konnte, stagniert die Kariesprävalenz bei den Sechs- bis Siebenjährigen auf einem relativ hohen Niveau von 1,73 dmf-t [2]. Nur 56,4 Prozent der Gebisse in diesem Altersspektrum sind kariesfrei und der Sanierungsgrad ist mit 42,5 Prozent nicht sanierter Zähne unbefriedigend. In der Altersgruppe der Dreijährigen sind bereits 13,7 Prozent von Milchzahnkaries betroffen (dmft 0,48) [2]. „Hier liegt der Sanierungsgrad mit 26,1 Prozent inakzeptabel niedrig, was mit akuten und chronischen Schmerzen, Infektionen, Appetit- und Schlaflosigkeit einhergehen kann“, sagt Prof. Katrin Bekes, Präsidentin der DGKiZ. Für diese Kinder bedeutet dies eine deutliche Einschränkung ihrer Lebensqualität [3]. „Problematisch ist zudem, dass sich in diesem jungen Alter ein solches Kariesgeschehen kaum ambulant im Wachzustand behandeln lässt.“
Um die frühkindliche Karies einzudämmen, wurden bereits einige Schritte unternommen: von der Einführung der drei Frühuntersuchungen ab dem Alter von sechs Monaten (FU 1a-c) im Jahr 2019, über die praktische Anleitung der Betreuungspersonen zur Mundhygiene beim Kind (FU Pr) und die oben genannten Fluoridlackanwendungen zur Zahnschmelzhärtung (FLA) bis hin zu den ersten gemeinsamen Empfehlungen von Zahnmedizinerinnen und -medizinern sowie Kinderärztinnen und -ärzten zur Fluoridanwendung in 2021, die unter anderem die Verwendung von Zahnpasta mit 1.000 ppm Fluorid ab 12 Monaten beinhalten.
Gezielte Anwendung in der Praxis
Von der regelmäßigen Fluoridlackapplikation profitieren insbesondere die Kleinkinder, bei denen das Zähneputzen der Eltern die Plaque nur ungenügend entfernt oder die bereits Initialkaries aufweisen. „Bei diesen Kindern ist die viermal jährliche Fluoridlackanwendung in besonderem Maße anzustreben“, erklärt Schiffner. „Das Fluoroserisiko steigt dadurch nicht an, denn der Lack wird in kleinen Mengen gezielt an die Stellen mit dem höchsten Kariesrisiko aufgetragen.“ Diese Stellen sind bei sehr jungen Kindern die Frontzähne, die hinsichtlich einer Saugerflaschenkaries gefährdet sind, und bei Kindern mit vollständigem Milchgebiss eher die Milchmolaren. „Die Fluoridierungen sollten in etwa gleichmäßig über das Jahr verteilt werden, denn dann ist der präventive Effekt am größten“, empfiehlt Schiffner.
Quellen:
[1] Bericht des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) zum Nutzen der Fluoridlackapplikation im Milchgebiss zur Verhinderung von Karies (Rapid Report „Fluoridlackapplikation im Milchgebiss zur Verhinderung von Karies“ Bericht Nr. 613 vom 23. März 2018) Das IQWiG ermittelte für den Endpunkt Karies bei Kindern mit und ohne (initial-)kariöse Läsionen im Milchgebiss einen Hinweis auf einen höheren Nutzen für die Applikation von Fluoridlack im Vergleich zur üblichen Versorgung ohne spezifische Fluoridierungsmaßnahmen, unabhängig von bereits vorhandener Karies.
[2] Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Jugendzahnpflege: Epidemiologische Begleituntersuchungen zur Gruppenprophylaxe 2016. Bonn 2017.
[3] Bekes K, et al. The German version of the Early Childhood Impact Scale (ECOHIS-G): translation process, reliabilityand validity. Clin Oral Investig 2019; 23(12): 4449-4454 (Die Untersuchung ergab eine 2,6-fach eingeschränkte Lebensqualität von Kindern mit ECC gegenüber zahngesunden Kindern)