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An sich symptomlos, ist differenzialdiagnostisch abzuklären, ob andere systemische Erkrankungen vorliegen

PSA ca. drei Jahre nach der Entfernung von Zahn 17 und 18.

Anhand eines Fallbeispiels stellen die Baseler Autoren Dr. Maximilian Struwe, Dr. Roland Meier, Dr. Daniel Turek und Prof. Dr. Andreas Filippi in ihrem Beitrag für die Quintessenz Zahnmedizin 3/2023 die Eigenschaften, Differenzialdiagnosen und die Therapieoptionen der Hyperzementose vor. Die Hyperzementose ist eine nichtneoplastische Ablagerung von überschüssigem Zement, der in das radikuläre Zement übergeht. Normalweise verläuft die Hyperzementose symptomlos und bedarf keiner Therapie.

Die „Quintessenz Zahnmedizin“, Monatszeitschrift für die gesamte Zahnmedizin, ist der älteste Titel des Quintessenz-Verlags, sie wird 2024 wie der Verlag selbst 75 Jahre alt. Die Zeitschrift erscheint mit elf Ausgaben jährlich. Drei Ausgaben davon sind aktuelle Schwerpunktausgaben, die zusätzlich einen Online-Wissenstest bieten mit der Möglichkeit, Fortbildungspunkte zu erwerben. Abonnenten erhalten uneingeschränkten Zugang für die Online-Version der Zeitschrift und Zugang zur App-Version. Mehr Infos, Abo-Möglichkeit sowie ein kostenloses Probeheft bekommen Sie im Quintessenz-Shop.

Einleitung

Die Hyperzementose bezeichnet eine abnorme und ausgeprägte Verdickung des Zements. Sie ist eine Form der Zementhyperplasie, die generalisiert oder lokalisiert vorkommen kann. Die generalisierte Hyperzementose betrifft alle Zähne und ist ein klassisches Merkmal der Osteodystrophia deformans (Morbus Paget)1. Andere systemische Erkrankungen, die mit einer Hyperzementose assoziiert werden, sind Akromegalie, Arthritis, Kalzinose, rheumatisches Fieber und Struma8. Lokalisierte Formen der Hyperzementose können idiopathisch auftreten, werden aber auch als mögliche Folge verschiedener Reize gesehen. Beispiele dafür sind okklusale Überbelastung und Entzündungen infolge von Pulpa- oder Parodontalerkrankungen13. Die Hyperzementose tritt überwiegend im Erwachsenenalter auf und die Häufigkeit nimmt mit fortschreitendem Alter zu, was wahrscheinlich auf eine kumulative Exposition gegenüber ursächlichen Einflüssen zurückzuführen ist. Das Auftreten bei jüngeren Patienten ist eher selten und viele dieser Fälle weisen eine familiäre Häufung auf, was auf einen genetischen Einfluss schließen lässt12. Molaren und Prämolaren sind am häufigsten von der Hyperzementose betroffen. Die Prävalenz im Bereich der Mandibula ist höher als in der Maxilla15. In der Regel verläuft die Hyperzementose asymptomatisch und sie bedarf keiner Therapie12.

Fallbericht

Anamnese

Eine 68-jährige Patientin stellte sich mit dem Wunsch nach Zahnsanierung im Universitären Zentrum für Zahnmedizin Basel (UZB) vor. Bei der Erstvorstellung gab sie an, unter rezidivierenden Schmerzen im Oberkiefer zu leiden. Zuvor war sie mehrere Jahre nicht bei einem Zahnarzt gewesen.

Allgemeinmedizinisch wurde bei der Patientin eine monoklonale Gammopathie festgestellt und im weiteren Verlauf das „Smoldering multiple myelom“ diagnostiziert. Zudem waren eine Adipositas (BMI 35 kg/m2), Polyneuropathie in Form des Guillain-Barré-Syndroms (behandelt mit dem Immunsuppressivum Imurek, einem Prednisolon-Präparat, dem Immunglobulin-Präparat Privigen und dem Antiepileptikum Pregabalin) und Vitamin-B-Mangel (behandelt mit Becozym forte und Benerva) bekannt.

Klinischer Befund

Der extraorale Befund zeigte sich unauffällig. Es konnten keine Asymmetrien festgestellt werden. Die Äste des Nervus trigeminus und des Nervus facialis waren seitengleich intakt. Die intraorale Inspektion ließ einen sanierungsbedürftigen Gebisszustand erkennen. Es zeigten sich multiple Wurzelreste, Zahnhartsubstanzdefekte, erhöhte Sondierungstiefen (parodontaler Screening Index (PSI) 4) und generalisierte Blutung auf Sondierung bei sehr schlechter Mundhygiene. Schwellungen der Weichgewebe oder knöcherne Auftreibungen waren nicht palpierbar.

Röntgenologischer Befund

Auf der Panoramaschichtaufnahme (PSA; Abb. 1) fiel – neben diversen Wurzelresten und apikalen Aufhellungen insbesondere beim Wurzelrest 17 – eine rundliche Radioopazität im Bereich der Wurzelspitzen mit scharfer Begrenzung auf. Eine ähnliche Veränderung geringeren Ausmaßes ließ auch der Zahn 18 erkennen. Zur weiteren Diagnostik erfolgte die Anfertigung einer digitalen Volumentomografie (DVT) des 1. Quadranten (Abb. 2 bis 6), die eine rundliche Zementverdickung der palatinalen Wurzel des Zahns 17 (etwa 0,6 x 0,6 x 0,3 cm) sowie einen stark erweiterten Parodontalspalt im Bereich der Veränderung zeigte (Abb. 2 bis 4). Auch der pfahlwurzelige Zahn 18 stellte sich mit auffällig hyperplastischen Bereichen zirkulär im apikalen Wurzeldrittel dar (Abb. 2). Etwa 1 cm kranial der Wurzelspitze des Zahns 16 befand sich eine kreisrunde Aufhellung im Knochen ohne Verbindung zur Zahnwurzel (Abb. 5 und 6). Im Zentrum dieser Aufhellung ließen sich radioopake Anteile erkennen.

Therapie

Da die Patientin eine Gesamtsanierung wünschte, war die Entfernung der Zähne 18 und 17 die einzige sinnvolle Behandlungsoption des rechten Oberkiefers. Dementsprechend wurde die Patientin zunächst über das Vorgehen, die Risiken des Eingriffs, die möglichen Komplikationen und das postoperative Verhalten aufgeklärt. Die Schnittführung erfolgte marginal entlang der Zähne 18 und 17 mit einem vertikalen Entlastungsschnitt mesial des Zahns 17. Nach der Bildung des Mukoperiostlappens und bukkaler Osteotomie konnten die Zähne 18 und 17 in toto entfernt werden. Die kreisrunde Verdickung an der palatinalen Wurzel des Zahns 17 war fest mit dem Zahn verwachsen und wurde demnach ohne weiteren Behandlungsaufwand mitentfernt (Abb. 7). Daraufhin folgten die Kürettage und Knochen-glättung. Anschließend wurde apikal in Regio 16 noch eine Trepanbohrung zur Gewinnung einer Knochenbiopsie durchgeführt. Abschließend wurde der Wundbereich mit Ringerlösung gespült, der Mukoperiostlappen reponiert und mit fünf Einzelknopfnähten fixiert. Die Patientin stellte sich drei Tage post operationem beschwerdefrei zur Wundkontrolle vor. Es zeigten sich reizlose Wundverhältnisse. Weitere vier Tage später konnte die Nahtentfernung erfolgen. Seitdem fanden in größeren regelmäßigen Abständen klinische und radiologische Nachkontrollen statt. Eine aktuelle PSA zeigte etwa drei Jahre nach dem Eingriff keinen Anhalt auf ein Rezidiv in Regio 16 (Abb. 8).

Histopathologie

Der entfernte Zahn 17 und die gewonnene Gewebeprobe in Regio 16 apikal wurden zur histopathologischen Untersuchung in das Institut für Medizinische Genetik und Pathologie des Universitätsspitals Basel geschickt.

Für den Zahn 17 wurde die Diagnose periapikale Hyperzementose gestellt (Abb. 9). Die Abbildungen 10a und 10b zeigen repräsentative Nahaufnahmen der gleichen Pathologie. Aufliegend und innerhalb der Zementose zeigten sich reichlich Aktinomycesdrusen sowie herdförmige Infiltrate des bekannten Plasmazellmyeloms. Die ergänzende immunhistochemische Untersuchung zeigte eine dichte Proliferation von Kappa-prädominanten Plasmazellen und bestätigte das Vorliegen von Infiltraten des Plasmazellmyeloms.

Die Untersuchung der Knochenbiospie aus Regio 16 ergab eine fortgeschrittene, lamellär ausgereifte Knochenneubildung mit lymphoplasmazellulärem Entzündungsinfiltrat ohne Anhalt auf Malignität. Der Befund zeigte sich vereinbar mit einer chronischen Osteomyelitis.

Diskussion

Hervorzuheben ist die Relevanz der Nebenbefunde und die entsprechende Interpretation. Bezogen auf das Fallbeispiel wurde hinsichtlich der histopathologischen Befunde (Plasmazellmyelom und Osteomyelitis) Rücksprache mit den behandelnden Ärzten im Zentrum für Hämato-Onkologie des Universitätsspitals Basel gehalten, um eine optimale medizinische Versorgung der Patientin zu gewährleisten. Das „Smoldering multiple myelom“ erfordert grundsätzlich keine Therapie. Ein Übergang in ein multiples Myelom ist jedoch möglich (50 Prozent innerhalb von fünf Jahren, dann 1 Prozent/Jahr)6. Eine enge Zusammenarbeit zwischen Hämatologie und Zahnmedizin ist bei Patienten mit multiplem Myelom von entscheidender Bedeutung. Spätestens bei Beginn einer antiresorptiven Therapie mit zum Beispiel Bisphosphonaten besteht ein erhöhtes Risiko für Osteonekrosen im Bereich des Kiefers2.

Da die Hyperzementose für gewöhnlich symptomlos verläuft, wird sie häufig als radiologischer Zufallsbefund erkannt. Eine chirurgische Intervention ist bei Verdacht auf Hyperzementose in der Regel nicht indiziert, weil es sich nicht um eine Neoplasie handelt11. Bei der Abgrenzung zu Differenzialdiagnosen sind alte Röntgenbilder hilfreich. Sie ermöglichen die Beurteilung einer eventuellen Größenzunahme. In diesem Fall war die Erhaltungswürdigkeit der betroffenen Zähne im Rahmen der Gesamtsanierung nicht gegeben. Eine histopathologische Untersuchung ist nach chirurgischer Intervention zur Diagnosesicherung zu empfehlen.

Differenzialdiagnosen

Die Hyperzementose (Abb. 11d) ist nicht immer leicht von anderen Pathologien abzugrenzen. In der Folge werden klinische, radiologische und histopathologische Eigenschaften von Differenzialdiagnosen thematisiert.

Bei der ossären Dysplasie (Abb. 11a) wird die periapikale Knochenstruktur durch Fibroblasten und Kollagenfasern und später wieder durch mineralisiertes Gewebe und Knochen ersetzt4. Radiologisch ist sie dadurch typischerweise mit einer apikalen Aufhellung einhergehend, in der sich reaktiv röntgenopake Zonen aus knöchernem Gewebe bilden können3. Je nach Entwicklungsstadium kann die Abgrenzung zur Hyperzementose damit erschwert sein16.

Die fokal sklerosierende Ostitis (Abb. 11b) ist charakterisiert durch eine Sklerosierung des Knochens aufgrund von chronischen Entzündungen oder Infektionen. Sie tritt in der Regel im periapikalen Bereich von Zähnen mit chronischem Reiz wie zum Beispiel Pulpanekrose oder chronischer Pulpitis auf. Histologisch ist die Läsion durch eine Obliteration des Knochenmarks bei deutlich ausgeprägter Trabekularisierung gekennzeichnet14. Radiologisch ermöglicht die typischerweise fehlende Lamina dura in Kombination mit einem erweiterten Parodontalspalt eine Abgrenzung zum Zementoblastom und anderen Neoplasien10.

Die idiopathische Osteosklerose (Abb. 11c) stellt sich als intraossäre, radioopake Läsion dar. Sie tritt klassischerweise lokalisiert sowie asymptomatisch auf und entsteht unabhängig von lokalem oder systemischem Entzündungsreiz. Histopathologisch zeigt sich vitales Knochengewebe mit dicht-trabekulärem Knochen ohne Hinweis auf Entzündungsaktivität14.

Das Zementoblastom (Abb. 11e) ist ein benigner Tumor odontogenen Ursprungs. Er ist gekennzeichnet durch die ausgeprägte Neubildung von zementähnlichem Gewebe, das sich direkt auf der Wurzeloberfläche anlagert. Sein Auftreten ist mit 1 bis 6 Prozent aller odontogenen Tumoren9 relativ selten und zumeist solitär. Histologisch zeigen sich mehrere Schichten von zementähnlichem Gewebe, welche typischerweise unregelmäßige Lakunen und ein zelluläres, fibrovaskuläres Stroma erkennen lassen. Ein entschei-dendes Kriterium zur Abgrenzung des Zementoblastoms zu anderen odontogenen Tumoren, zum Beispiel zum Osteoblastom oder auch zum Osteosarkom, ist die direkte Anheftung an die Zahnwurzel7. Diese kann Resorptionserscheinungen aufweisen5.

Fazit

Die Hyperzementose ist in der Regel nicht therapiebedürftig. Aufgrund der teilweise erschwerten Abgrenzung zu Differenzialdiagnosen ist eine regelmäßige Verlaufskontrolle dennoch ratsam. Bei Entfernung eines betroffenen Zahns bietet sich eine histopathologische Untersuchung zur Diagnosesicherung an.

Ein Beitrag von Dr. Maximilian Struwe, Dr. Roland Meier, Dr. Daniel Turek und Prof. Dr. Andreas Filippi, alle Basel

Literatur auf Anfrage über news@quintessenz.de

Quelle: Quintessenz Zahnmedizin 02/2023 Zahnmedizin Interdisziplinär

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