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Auf den Ansatz kommt es an – LMU-Studie zur Frage, wie statistische Informationen in der Medizin besser verstanden werden

(c) Ground Picture/Shutterstock.com

Ob Patienten ihre Risiken richtig einschätzen können, hängt auch davon ab, auf welche Weise Ärzte ihnen statistische Informationen vermitteln. Ärztliche Befunde sind nicht immer einfach zu verstehen und die Aussagen zum Risiko, das damit verbunden ist, womöglich noch weniger. Denn statistische Informationen an die Patientin oder den Patienten zu bringen, ist keine simple Angelegenheit.

Ein Team aus Wissenschaftlern aus den Fachbereichen Medizin, Medizindidaktik und Mathematikdidaktik der LMU hat nun im Fachmagazin PLOS ONE eine Studie dazu veröffentlicht, wie die Kommunikation zwischen Ärzten und Patienten über tatsächliche Risiken besser funktionieren kann.

Ärzte haben selbst Schwierigkeiten mit Daten

Denn was bestimmte Zahlen wirklich bedeuten, ist oft gar nicht so leicht zu begreifen. „Selbst Ärzte haben oft Schwierigkeiten, den richtigen Vorhersagewert zu bestimmen. Und wenn die Daten schon für den Arzt schwer zu interpretieren sind, ist es noch schwerer, sie korrekt und verständlich an die Patienten zu vermitteln.“, sagt Mathematikdidaktikerin Karin Binder, eine der Autorinnen der Studie.

Als Beispiel wird in der LMU-Information ein Fall geschildert: Ein Patient hat gerade erfahren, dass der Verdacht auf Krebs sich erhärtet hat, weil seine Schilddrüse in der Sonografie Auffälligkeiten gezeigt hat. Bedeutet das, dass der Patient an einem Schilddrüsenkarzinom erkrankt ist? Nicht unbedingt. Denn das Ergebnis der Untersuchung kann mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auch positiv sein, obwohl der Patient gar kein Schilddrüsenkarzinom hat.

Um dem Patienten zu erklären, wie sich die statistischen Zusammenhänge nach einem solchen positiven Testergebnis darstellen, gibt es zwei Ansätze. Bei einem davon muss man erst einmal um die Ecke denken, der andere ist aus Patientensicht deutlich leichter zu interpretieren, wie die Forschenden nachweisen konnten.

Bayesianische vs. diagnostische Information

Beim häufig gewählten Bayesianischen Ansatz geht man von der Anzahl der tatsächlich Erkrankten aus. Man erklärt also zunächst, wie häufig die untersuchte Krankheit insgesamt auftritt, also beispielsweise „von 1.000 Patienten haben 50 ein Schilddrüsenkarzinom“. Dann gibt man an, bei wie vielen dieser Erkrankten das Testergebnis positiv ausgefallen ist (20 der 50 Erkrankten) und zusätzlich, wie viele nicht-erkrankte Menschen trotzdem ein positives Testergebnis aufweisen (110 der übrigen 950).

Sensitivität allein reicht nicht

Das sind nämlich genau die Informationen, die dem Arzt in der Regel auch bekannt sind oder recherchiert werden können. Der Anteil positiv getesteter Personen unter den erkrankten Personen wird auch als Sensitivität bezeichnet – ein Begriff, der uns auch während der Corona-Pandemie begegnet ist, zum Beispiel als ein Qualitätskriterium von Schnelltests. Leider wird aber der Anteil positiv getesteter Personen unter den Erkrankten häufig verwechselt mit dem Anteil der erkrankten Personen unter den positiv getesteten Personen. Diese beiden Anteile können sich aber je nach Situation ganz drastisch unterscheiden.

„Was bedeuten nun obige Zahlen in Bezug auf eine Person mit positivem Testergebnis? Wie viele der positiv getesteten Personen sind tatsächlich erkrankt? Falls Sie das nicht sofort wissen, sind Sie nicht allein: Ohne weitere Informationen waren nur 10 Prozent der Testpersonen in der Lage zu errechnen, wie viele Menschen mit positivem Ergebnis wirklich erkrankt sind“, so die Forscher der LMU.

Diagnostische Informationsvermittlung schneller zu erfassen

Ganz anders sieht es hingegen bei der „diagnostischen“ Informationsvermittlung aus: Hier erfährt man zuerst, wie viele Patienten ein positives Testergebnis haben, unabhängig davon, ob sie wirklich krank sind, oder nicht. Im Beispiel wären das 130 Personen mit einer auffälligen Schilddrüsen-Sonografie (von 1.000 Untersuchten). Anschließend wird man darüber aufgeklärt, wie viele dieser positiv Getesteten wirklich erkrankt sind (20 von 130) und wie viele Menschen ebenfalls krank sind, obwohl ihr Testergebnis negativ war (30 von 870).

Relevante Information direkt zugänglich

Die relevante Information ist hier direkt und ohne Kopfrechnen enthalten: Wenn mein Befund positiv ist, stehen meine Chancen 20 zu 130, dass ich wirklich Schilddrüsenkrebs habe. Bei dieser Kommunikationsform waren 72 Prozent der Studienteilnehmer dazu in der Lage, zu dieser Schlussfolgerung zu gelangen, im Vergleich zu den 10 Prozent beim Bayesianischen Ansatz.

„Hinzu kommt, dass die Probanden bei der Bayesianischen Kommunikation erheblich langsamer zum richtigen Ergebnis kamen, wenn überhaupt.“, sagt Karin Binder. „Diese Verarbeitungszeit ist in Arztpraxen und Krankenhäusern aber oft nicht vorhanden.“ Das Autorenteam plädiert deshalb dafür, dass Ärzte in Zukunft vermehrt auf die diagnostische Informationsvermittlung setzen. So könnte Verwirrung, Fehlinterpretationen und falsche Entscheidungen besser begegnet werden.

Mehr Zeit nötig für das vollständige Bild

Noch besser wäre sogar, sich ausreichend Zeit zu nehmen und dem Patienten ein vollständiges Bild der Situation zu erklären, dass sowohl diagnostische als auch bayesianische Informationen enthält. Nur so kann der überraschende Effekt erklärt werden, warum sogar die Vorhersagekraft eines medizinischen Tests mit hervorragenden Gütekriterien unter bestimmten Umständen (zum Beispiel bei Massen-Screenings) eine sehr begrenzte Aussagekraft hat.

Originalpublikation

Brose SF, Binder K, Fischer MR, Reincke M, Braun LT, Schmidmaier R (2023) Bayesian versus diagnostic information in physician-patient communication: Effects of direction of statistical information and presentation of visualization. PLoS ONE 18(6): e0283947.

Quelle: LMU Patientenkommunikation Interdisziplinär Studium & Praxisstart

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