ZahnerhaltungSeiten: 1077-1086, Sprache: DeutschWicht, Michael J. / Noack, Michael JohannesWelche Therapieform ist wann Erfolg versprechend?Bei nahezu jeder Füllungstherapie muss der Zahnarzt eine Entscheidung treffen, inwieweit er kariös veränderte Zahnhartsubstanz entfernt oder nicht (Abb. 1). Er folgt dabei einem individuell festgelegten Muster, das jedoch eher auf eigenen Erfahrungswerten und tradierten Philosophien als auf klinisch belegten Fakten basiert. In pulpanahen Bereichen kann die vollständige mechanische Entfernung der Karies zu einer Traumatisierung des Zahnes führen, die weitere Behandlungsschritte wie die direkte Überkappung oder - im Fall eines Misserfolgs - eine endodontische Therapie nach sich zieht. Primär zur Vermeidung der Pulpaexposition, aber auch im Kontext eines zeitgenössischen Trends hin zu biologischen und schonenden Behandlungsverfahren wird die vollständige Exkavation momentan stark in Frage gestellt. Die schrittweise Kariesexkavation hingegen ist die sichere Variante, wenn es gilt, eine Pulpaeröffnung zu umgehen, und wird daher von vielen Autoren als das Mittel der Wahl bei der Versorgung tiefer Dentinläsionen angesehen. Das dauerhafte Belassen kariös veränderten Dentins unterhalb einer Restauration stellt insbesondere im deutschsprachigen Raum ein konfliktreiches Thema dar, weil es für viele nicht mit den ethisch-moralischen Grundsätzen des zahnärztlichen Handelns vereinbar ist. Erkenntnisse über das Progressionsverhalten kariöser Läsionen, die auf molekularbiologischen Untersuchungen zur Entwicklung der Mikroflora innerhalb einer Kavität beruhen, zwingen uns jedoch, unser alltägliches Handeln zu überdenken und möglicherweise auch den verfügbaren Aussagen klinischer Studien anzupassen, selbst wenn deren Anzahl zurzeit noch limitiert ist.
Schlagwörter: Kariestherapie, schrittweise Kariesexkavation, direkte Überkappung, Pulpaeröffnung, Mikroorganismen