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Aktuelle Erkenntnisse zeigen: Antibiotika führen oft nicht zu verbessertem Outcome

(c) DGI

Antibiotika werden in der Zahnmedizin häufig eingesetzt, ihr Einsatz hat weitreichende Implikationen für den individuellen Patienten. Übergeordnete Aspekte, zum Beispiel die Resistenzentwicklung, sollten allerdings ebenfalls berücksichtigt werden, doch die Daten der vergangenen Jahrzehnte zeigen, dass diese Balance nicht immer optimal eingehalten wird. Bemerkenswert ist in dem Zusammenhang die häufige Verordnung des Reserveantibiotikums Clindamycin, das nur bei bestehenden Allergien gegen Penicilline indiziert ist.

Indikationen

Akute Infektionen


Tab. 1 Antibiotika bei akuten Infektionen [1-4]
Viele zahnärztliche Notfallbehandlungen betreffen Patienten mit akuten Infektionen (zum Beispiel Pulpitis, apikale Parodontitis, apikale und parodontale Abszesse). Schmerzen werden durch die entzündliche Reaktion bedingt, der ursprüngliche, bakterielle Auslöser spielt nur eine untergeordnete Rolle. Die Infektionsquelle muss chirurgisch saniert werden, zum Beispiel durch Extraktion, endodontische Behandlung oder Abszessspaltung. Die Entscheidung, ob eine anschließende Antibiose notwendig ist, wird klinisch getroffen, zum Beispiel bei Gesichtsschwellung, Lymphknotenbefall, Schluckbeschwerden, Schwellung der oberen Atemwege oder Kieferklemme etc. Ziel ist es, eine Infektionsausbreitung in benachbarte Strukturen zu verhindern. Immungeschwächte Patienten erfordern häufig eine begleitende antibiotische Therapie und falls lokale chirurgische Maßnahmen allein nicht zum Erfolg geführt haben, werden viele Zahnärzte ebenfalls Antiinfektiva mit einsetzen. Bei Abszessen ist in erster Linie Amoxicillin und Metronidazol indiziert und als Alternative Erythromycin, Clarithromycin, Phenoxymethylpenicillin, Clindamycin, Amoxiclav und Azithromycin. Die Dosierungsschemata der verschiedenen Expertengruppen variieren geringfügig, aber eine allgemeine Empfehlung findet sich in Tabelle 1 [1-4].

 

Antibiotika und Parodontitis:
Was die neuen Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Parodontologie (DG Paro) zur adjuvanten systemischen Antibiotikagabe empfehlen, erklärt Prof. Dr. Ulrich Schlagenhauf (Würzburg), im Video: Antibiotika in der PAR-Therapie: Das empfehlen die neuen Leitlinien.


Endokarditisprophylaxe

Angeborene oder erworbene Schäden (zum Beispiel Herzklappenfehler wie Aortenstenose oder künstliche Herzklappen) resultieren zum Teil in der Ausbildung von Blutplättchen/Fibrin-Thromben, die sich an den kardialen Strukturen anheften. Ihre raue Oberfläche bietet eine optimale Angriffsfläche, die sich durch eine Bakteriämie zu einer bakteriellen Endokarditis entwickeln kann. Operationen und zahnärztliche Eingriffe können zu Bakteriämie führen und die hämatogene Streuung dieser Bakterien kann zu einer Besiedelung des vorgeschädigten Herzens führen. Antibiotika eliminieren diese Keime und verhindern so die bakterielle Endokarditis. In den vergangenen Jahren zeigten multiple Studien, dass normale alltägliche Aktivitäten wie Zähneputzen ebenfalls zu einer physiologischen Bakteriämie führen (Abb. 1) [5].


Abb. 1 Bakteriämie nach Zähneputzen, Zahnextraktion mit und ohne Amoxicillinschutz [5]
Die derzeitigen Empfehlungen zur Antibiotikaprophylaxe beschränken sich deshalb auf Patienten mit einem hohen Endokarditisrisiko, das heißt, bei Zustand nach Herzklappenersatz, Zustand nach Endokarditis oder bei einigen schwerwiegenden angeborenen Herzfehlern (Tab. 2) [6, 7]. Tab. 3 zeigt Zahnbehandlungen, die bei Risikopatienten mit Antibiotikaprophylaxe durchgeführt werden sollten [6]. Tabelle 4 gibt Hinweise zur praktischen Durchführung [8]. Cephalosporine sollten generell nicht appliziert werden bei Patienten mit vorangegangener Anaphylaxie, Angioödem oder Urtikaria nach Penicillin- oder Ampicillingabe.

 

Gelenkprothesen

Vor der Implantation von Gelenkendoprothesen sollte eine zahnärztliche Untersuchung und Sanierung möglicher Infektionsquellen durchgeführt werden, um eine Besiedlung des eingebrachten Fremdmaterials zu verhindern. Antibiotika sind hier nicht indiziert.

Antibiotikaprophylaxe vor Zahnimplantationen

Untersuchungen zeigen, dass in Europa und den USA 75 Prozent der Zahnärzte routinemäßig und ohne individuelle Indikation Antibiotika zur Prophylaxe bei Zahnimplantaten anwenden [9-11]. Studien zeigen allerdings, dass Antibiotika zur Prophylaxe den Outcome nicht verbessern, aber Zahnärzte fälschlicherweise glauben, eine lokale Infektion oder systemische Bakteriämie damit zu verhindern [12]. Eine aktuelle Studie aus 2015 verglich den Outcome bei 337 Patienten mit 1.273 Implantaten. Die Prophylaxegruppe erhielt 3 x 750 mg Amoxycillin für eine Woche und spülte zweimal täglich mit Chlorhexidin. Es fand sich kein statistischer Unterschied bezüglich der postoperativen Infektionen, und kein Unterschied bei der erfolgreichen Einheilung der Implantate [13].

Fazit

Antibiotika führen oft nicht zu einem verbesserten Outcome und das Indikationsspektrum wird zunehmend enger gesteckt. Zahnärzte fußen ihre Entscheidung, Antibiotika zu verordnen, zunehmend auf evidenzbasierte Studien und erreichen so das Ziel, ihre Patienten optimal zu behandeln, ohne die Resistenzentwicklung aus den Augen zu verlieren.

Ein Beitrag von Dr. med. Frank G. Mathers, Köln, und Dr. Dr. Wolfgang Jakobs, Speicher

Literatur


1. Kudiyirickal, M.G., Hollinshead, F. Antimicrobial prescribing practice by dentists: a study from two primary care centres in UK. Minerva Stomatol, 2011. 60(10): p. 495-500.


2. Cavanaugh, T.M., Buring, S., Cluxton, R. A pharmacoeconomics and formulary management collaborative project to teach decision analysis principles. Am J Pharm Educ, 2012. 76(6): p. 115.


3. Prior, M. et al. Evaluating an audit and feedback intervention for reducing antibiotic prescribing behaviour in general dental practice (the RAPiD trial): a partial factorial cluster randomised trial protocol. Implement Sci, 2014. 9: p. 50.


4. Palmer, N.O.A., Longman, L., Randall, C., Pankhurst, C. L. Antimicrobial prescribing for general dental practitioners. 2nd ed. 2012: Faculty of General Dental Practice (UK) London.


5. Lockhart, P.B. et al. Bacteremia associated with toothbrushing and dental extraction. Circulation,2008. 117(24): p. 3118-25.


6. Fluckiger, U., Troillet, N. [New Swiss guidelines for the prevention of infective endocarditis]. Rev Med Suisse, 2008. 4(174): p. 2134-8.


7. Sanchez-Rodriguez, F. et al. Prevention of infective endocarditis: a review of the American Heart Association guidelines. Bol Asoc Med P R, 2008. 100(4): p. 25-8.


8. Plicht, B., Lind, A., Erbel, R. [Infective endocarditis: New ESC guidelines 2015]. Internist (Berl), 2016. 57(7): p. 675-90.


9. Pyysalo, M. et al. Antibiotic prophylaxis patterns of Finnish dentists performing dental implant surgery. Acta Odontol Scand, 2014. 72(8): p. 806-10.


10. Deeb, G.R. et al. Antibiotic Prescribing Habits of Oral and Maxillofacial Surgeons in Conjunction With Routine Dental Implant Placement. J Oral Maxillofac Surg, 2015. 73(10): p. 1926-31.


11. Froum, S.J., Weinberg, M.A. An Evaluation of Antibiotic Use in Periodontal and Implant Practices. Int J Periodontics Restorative Dent, 2015. 35(4): p. 481-7.


12. Ireland, R.S., et al., An investigation of antibiotic prophylaxis in implant practice in the UK. Br Dent J, 2012. 213(8): p. E14.


13. Camps-Font, O. et al., Postoperative Infections After Dental Implant Placement: Prevalence, Clinical Features, and Treatment. Implant Dent, 2015. 24(6): p. 713-9.


Titelbild: Shutterstock/i viewfinder
Bibliografía: Institut für dentale Sedierung, Köln Zahnmedizin

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