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Ärzte- und Zahnärzteschaft schauen skeptisch auf Ampel-Bilanz im Gesundheitsbereich und erwarten Stillstand bei Gesetzgebungsverfahren

Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach wird die Mehrheit seiner Gesetze nicht mehr abschließen können – bei der Krankenhausreform hofft er noch.

(c) BMG/Jan Pauls

Nach dem plötzlichen Bruch der Ampel-Koalition am 6. November 2024 sind die Chancen, dass die noch geplanten Gesetze zur Gesundheitsversorgung in der laufenden Legislaturperiode verabschiedet werden, drastisch gesunken. In diesem Sinne äußerte sich zum Beispiel der KBV-Vorstand. Er sehe dafür keine Anzeichen. Es gebe dringenden Reformbedarf, den die Gesetzentwürfe der Ampel aber nicht wirklich gelöst hätten, sagte KBV-Chef Dr. Andreas Gassen.

Aktuell laufen die angekündigten Anhörungen zu den Lauterbach’schen Gesetzentwürfen noch weiter. So findet am 11. November 2024 eine Anhörung per Video zum Gesundheits-Digital-Agentur-Gesetz (GDAG) statt. Auch dieses Gesetzesvorhaben, dessen Kern der Umbau der Gematik zu einer Digitalagentur mit mehr Befugnissen und die Einführung einer digitalen Terminvermittlung sind, stößt bei Krankenkassen und ärztlicher Selbstverwaltung auf Widerstand. Nicht zuletzt, weil auch für die neue Digitalagentur wieder die Beitragszahler der Gesetzliche Krankenkassen aufkommen müssen.

Zahnärzteschaft kritisiert GDAG-Vorhaben

Vonseiten der Zahnärzteschaft gibt es daran ebenfalls heftige Kritik: Anlässlich der Anhörung des Gesundheits-Digitalagentur-Gesetzes (GDAG) im Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestags erklärte Dr. Karl-Georg Pochhammer, stellv. Vorsitzender des Vorstandes der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV): „Wir unterstützen das mit dem GDAG verfolgte Ziel der Digitalisierung im Gesundheitswesen. Die vorgesehenen Maßnahmen müssen allerdings zu einem spürbaren Mehrwert für die Patientinnen und Patienten sowie die Vertragszahnärztinnen und -zahnärzte führen. Das mit dem GDAG geplante Abrechnungsverbot gefährdet jedoch die Existenz der Praxen und damit die Gesundheitsversorgung. Denn die Hersteller von Praxissoftware sollen künftig ein neues Zertifizierungsverfahren durchlaufen. Fällt das Produkt ihres Software-Herstellers durch, dürfen Zahnarztpraxen dieses nicht mehr nutzen; andernfalls laufen sie Gefahr, die von ihnen erbrachten Leistungen nicht mehr abrechnen zu dürfen. Die Praxen selbst haben dabei keinen Einfluss auf die Umsetzung der gesetzlichen Regelungen durch die Software-Hersteller und infolge der vorgegebenen Frist nicht ausreichend Zeit, um gegebenenfalls den sehr aufwändigen Prozess eines Softwarewechsels anzustoßen.“

Pochhammer weiter: „Darüber hinaus schafft die im GDAG geplante Weiterentwicklung der digitalen Terminvergabe, die eine Normierung der Anforderungen an digitale Terminbuchungsplattformen durch die KZBV vorsieht, einen erheblichen Mehraufwand für alle Beteiligten. Die geplante Regelung lässt viele Punkte offen, etwa die Folgen für die freie Zahnarztwahl sowie Fragen des Datenschutzes und der Finanzierung. Sie bietet keinen erkennbaren Mehrwert für die Versorgung, sondern schafft nur zusätzliche Bürokratie für die Vertragszahnärzteschaft. Erst recht ist die Idee, Krankenkassen die Terminvermittlung zu überlassen, strikt abzulehnen. Der Aufbau von Parallel- und Doppelstrukturen ist weder wirtschaftlich, noch geeignet, begrenzte Behandlungskapazitäten besser auszuschöpfen. Die Terminvergabe ist grundlegende Aufgabe der Zahnarztpraxen.“ Die Stellungnahme der KZBV zum GDAG-Regierungsentwurf ist auf der Website unter: KZBV – Gesundheits-Digitalagentur-Gesetz eingestellt.

Offen, ob Gesetzentwürfe im Parlament ohne Mehrheit weiter beraten werden

Ob die aktuell schon im parlamentarischen Verfahren befindlichen weiteren Gesetze wie das Gesunde-Herz-Gesetz, das Gesetz zur Reform der Notfallversorgung oder das Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz (GVSG) mit der Entbudgetierung für die Hausärzte überhaupt noch in die abschließende 2. und 3. Lesung kommen, ist wegen der fehlenden Mehrheiten für Beschlussvorlagen in den Ausschüssen und im Parlament mehr als fraglich. Gegen alle Gesetze gibt es zum Teil breiten Widerstand vonseiten der Krankenkassen und der Leistungserbringer. Immerhin findet am 13. November 2024 noch die Anhörung zum GVSG im Gesundheitsausschuss des Bundestags statt.

Dringendere Gesetze als Gesundheit

Es gibt zudem wesentlich dringendere Gesetze, die der noch amtierende Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hofft, mit den Stimmen der Opposition beschließen zu können. Dazu gehören der Haushalt für das Jahr 2025 und auch ein Gesetz, mit dem die obersten Bundesgerichte wie das Bundesverfassungsgericht besser in der Verfassung verankert werden sollen.
Der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Timo Sorge, hatte bereits verlauten lassen, dass man als „Mehrheitsbeschaffer für eine rot-grüne Trümmerkoalition“ nicht zur Verfügung stehe. „Für das Gesundheitswesen ist die Legislatur beendet“, so Sorge gegenüber der „Ärzte Zeitung“.

Das sieht die KBV ähnlich. „Ich glaube nicht, dass noch Mehrheiten für die Gesetze gesucht werden“, sagte der stellvertretende Vorstandsvorsitzende, Dr. Stephan Hofmeister. Das Dilemma in der Gesundheitsgesetzgebung bestehe darin, dass der große Reformbedarf allseits anerkannt sei, „doch SPD, Grüne und FDP haben drei Jahre lang Zeit verschwendet“, so Hofmeister. Gassen ergänzte, dass es zwar traurig sei, dass es mit dem ursprünglich geplanten Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz nun zumindest vorerst auch keine Entbudgetierung der hausärztlichen Leistungen geben werde. „Auf der anderen Seite war das Gesetz handwerklich so schlecht gemacht, dass sich meine Trauer in Grenzen hält“, sagte Gassen.

Enttäuschende Bilanz

Rückblickend auf die vergangenen drei Jahre müsse er feststellen: „Die Bilanz der Ampel ist mehr als dürftig. Wir haben das Cannabisgesetz, das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz und zwei kleine Digitalgesetze.“ Angesichts der Herausforderungen im Gesundheitswesen sei das eindeutig zu wenig.

Krankenhausreform ebenfalls auf der Kippe

Ob die Krankenhausreform, die vom Bundestag bereits beschlossen wurde, nun tatsächlich kommt oder im Bundesrat durch Anrufung des Vermittlungsausschusses gestoppt wird, ist aktuell noch offen. Der Gesundheitsausschuss des Bundesrats hat in seiner Sitzung vom 6. November 2024 keinen Beschluss gefasst – allerdings war zum Zeitpunkt der Sitzung das Aus der Regierungskoalition noch nicht bekannt. Aktuell fehlt eine Stimme, um den Ausschuss anzurufen. Da es heißt, dass auch das von einer Koalition von CDU und SPD geführte Hessen der Reform kritisch gegenübersteht, ist ein Scheitern möglich.

Das Votum des Bundesrats/Anrufung des Vermittlungsausschusses könnte von einer Mehrheit im Bundestag überstimmt werden, aber diese Mehrheit gibt es nun nicht sicher und viele unionsgeführte Bundesländer positionieren sich wie Nordrhein-Westfalen eindeutig kritisch zu Lauterbachs Reformgesetz. NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann will das Gesetz nicht ganz scheitern lassen. Es müsse aber nachgebessert werden, um folgenschwere Schwachstellen für die Gesundheitsversorgung zu beheben, erklärte er laut „Ärzte Zeitung“. Lauterbach selbst hatte sich am 8. November 2024 auf einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz optimistisch gezeigt, dass das Gesetz am 22. November 2024 den Bundesrat passieren werde und der Vermittlungsausschuss nicht angerufen wird.

Mit Blick auf die beschlossene Krankenhausreform stellte KBV-Chef Gassen heraus, dass sich die Versicherten auf steigende Beiträge bei gleichzeitigen Leistungskürzungen einstellen müssten. „Das IGES Institut geht davon aus, dass die Sozialversicherungsbeiträge in den kommenden Jahren auf fast 50 Prozent steigen könnten“, sagte der KBV-Vorstandsvorsitzende. Der milliardenschwere – und vor allem umstrittene – Transformationsfonds für die Krankenhausreform sei dabei noch gar nicht eingepreist.

Für die Praxis notwendige Reformen sind ausgeblieben

Die KBV analysiert weiter, dass die für Praxen wirklich notwendigen Reformen ausgeblieben seien, obwohl diese mit relativ wenig finanziellen Mitteln hätten umgesetzt werden können. Dazu gehöre vor allem die Entbudgetierung hausärztlicher Leistungen, die „wenige hundert Millionen“ kosten würde, betonte Hofmeister.

Das gleiche gelte für die Einführung einer Bagatellgrenze von 300 Euro bei den Wirtschaftlichkeitsprüfungen. Eine solche Regelungen hätte sogar Geld gespart, sagte KBV-Vorstandsmitglied Dr. Sibylle Steiner. Der Aufwand für diese Prüfungen sei für Praxen, Krankenkassen und Kassenärztliche Vereinigungen unverhältnismäßig hoch. Zugleich seien zwei Drittel der Anträge allein im Bereich der ärztlichen und psychotherapeutischen Leistungen unbegründet.

KZBV-Vertreterversammlung kritisiert Gesundheitsgesetze

Zu einer ähnlichen Bewertung der Gesetzentwürfe und des weiteren Vorgehens kamen auch der Vorstand der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV) und die Delegierten der Vertreterversammlung am 6. und 7. November 2024 in Bonn. Sie stellten sich in ihrer Kritik an den Gesetzesvorhaben und mit ihren Beschlüssen schon darauf ein, die Anliegen, Konzepte und Interessen der Vertragszahnärzteschaft auf allen Wegen im Wahlkampf und danach an Öffentlichkeit und Politik zu tragen.

Angesichts des hohen Reformbedarfs und diverser in den noch anstehenden Gesetzen enthaltenen Korrekturen und Ergänzungen für bereits beschlossene Vorhaben ist das sehr wahrscheinliche Aus der Gesundheits- und Pflegegesetze allerdings weder für die sogenannten Leistungserbringer noch für die Beitragszahler in der Gesetzlichen Krankenversicherung eine gute Nachricht. Die Rechengrößen für die Sozialversicherung hat die Koalition noch vor dem Crash beschlossen. Damit steigen die Beiträge im kommenden Jahr deutlich. (MM)

 

Bibliografía: Quintessence News Politik Nachrichten Telematikinfrastruktur

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