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Noninvasive Therapie auch in komplexen Fällen

Ein Beitrag von Frank Schütz, Würzburg


Dr. med. dent. Frank Schütz

Moderne digitale Planungen ermöglichen neue Therapien. Der Einsatz leistungsfähiger Materialien und die Mittel der digitalen Planung lassen sich so miteinander verbinden, dass auch in komplexen Fällen eine noninvasive Therapie durchgeführt werden kann. Hier bieten Hochleistungspolymere Materialeigenschaften für eine Behandlung, bei der die Zahnsubstanz des Patienten nicht mehr verändert werden muss.

Einleitung

Der Ersatz verloren gegangener oder abradierter Zahn­substanz ist eine tägliche Aufgabe in der Zahnmedizin. Bisher wurden dabei vor allem invasive Methoden angewendet. Das invasive Vorgehen war zum einen durch die Forderung nach Stabilität begründet und zum anderen notwendig, um die ästhetischen Ansprüche von Patient und Behandler zu erfüllen12,16. Moderne CAD/CAM-Verfahren in Kombination mit Hochleistungs­werkstoffen erlauben eine funktionelle und ästhetische Rehabilitation unserer Patienten ohne eine weitere Re­duzierung der vorhandenen Zahnsubstanz20,35,47. Das noninvasive Vorgehen stößt auf eine sehr hohe Akzeptanz, denn zu Recht ist vielen Patienten die dauerhafte Veränderung ihrer Zahnsubstanz suspekt. In der Gunst weit oben stehen noninvasive Therapien, wohingegen das Beschleifen und Entfernen von Zahnsubstanz nur toleriert wird.

Zu den Voraussetzungen einer noninvasiven Therapie gehört eine genaue funktionelle und ästhetische Analyse des Patienten. Mit Hilfe des Digital Smile Design (nach Coachman4) und eines neuen Verfahrens, des Esthetic Dental Axis Planning (EDAP – Abb. 1), lassen sich die Behandlungsziele festlegen, und der Patient kann sich ein Bild von dem gewünschten Ergebnis machen. Das Ziel der Analyse ist eine ästhetische Referenz, mit der Zahnarzt und Zahntechniker eine einwandfreie funk­tionelle und ästhetische Planung für den Patienten errei­chen12. Für die Analyse wird die „Natural Head Position“ gewählt, die aus der Kieferorthopädie als Referenzposi­tion bekannt ist, so dass eine reproduzierbare Position für den Patienten gefunden werden kann23-25,30-32.

Im Anschluss an die digitale Planung der Therapie stellt sich die Frage nach einem geeigneten Werkstoff. Bisher kamen vor allem metallische oder keramische Materialien zum Einsatz. Dank der Weiterentwicklung auf diesem Gebiet stehen heute Werkstoffe zur Verfügung, welche die Vorteile verschiedener Materialien kombinieren. Denn die Belastungen in der Mundhöhle erfordern intelligente Werkstoffe, die neben der Ästhetik vor allem der natürlichen Funktion der Zähne Rechnung tragen sollen.

Hochleistungspolymere sind eine neue Möglichkeit zur Herstellung noninvasiver Restaurationen15,16. Die Kombination von glaskeramischen Füllstoffen und speziellen Polymeren erleichtert eine naturnahe Restauration. Von Vorteil ist bei Hochleistungspolymeren, dass sie aufgrund ihrer physikalischen Eigenschaften extrem dünn verarbeitet werden können18. Das schafft gute Voraussetzungen für eine noninvasive Therapie, und die hohe Elastizität führt zu stoßdämpfenden Effek­ten. Deshalb eignen sich Hochleistungspolymere dazu, Stress in starren oder spröden Strukturen zu ver­meiden. Brüche oder Chipping2,8,18,22,28,46 sind wegen der Flexibilität der Werkstoffe sehr selten. So können neue Werkstoffe unsere Therapie verändern und Paradigmenwechsel einleiten: von der Invasivität über die Minimalinvasivität hin zur Noninvasivität.

Nachfolgend wird das Verfahren des EDAP vorgestellt und anhand eines Fallbeispiels veranschaulicht, bei welchem der Patient mit einem Hochleistungspolymer versorgt wurde.

Grundlagen der Planung

Die Natural Head Position (NHP) ist seit den 1950er Jahren vor allem in der Kieferorthopädie als Bezugs­ebene genutzt worden. Sie stellt die Kopfhaltung dar, die ein Mensch einnimmt, wenn er auf Augenhöhe einen weit entfernten Punkt anvisiert. Die Position ist bei Kindern und Erwachsenen sehr gut reproduzierbar, Abweichungen sind sehr selten24,25,30-32. In 95 % der Fälle kann die NHP auch nach Jahren noch mit einer maximalen Deviation von nur 2° gefunden werden. Da­her ist sie eine verlässliche Position für die Vermessung und die ästhetische Gesichtsanalyse (Abb. 2a und b). Weil in der Praxis der weite Blick nicht immer zu gewährleisten ist, kommt bei uns eine spezielle Vorrichtung zum Einsatz, mit welcher der Patient während der Aufnahme über einen Spiegel in seine Augen schaut. So ist der Blick in die Ferne gerichtet, und die Kopfposition lässt sich sicher reproduzieren (Abb. 3 und 4).

Für die Übertragung der horizontalen Ebene in den Artikulator haben wir in der Praxis einen Übertragungs­arm/Horizonter (EDAP – Esthetic Dental Axis Planning) entworfen, der in der NHP des Patienten auf diesen zubewegt werden kann (Abb. 5, vgl. Abb. 1a und b sowie 2a und b). Auf diesem Arm ist die Bissgabel fixiert, welche die Horizontale und damit die exakten Zahnachsen in den Artikulator überträgt. Mit Registriermaterial wird nun die Bissgabel in den Mund des Patienten geführt, während er in der NHP verbleibt. Damit die Kopfmitte auch übertragen wird, zeichnen wir einen Punkt als Verlängerung der Raphe mediana auf die Frontzähne43. Ein Laserpunkt auf der Mitte des Übertragungsarmes wird auf den Raphe-mediana-Punkt des Frontzahnes ausgerichtet. So ist die Gesichtsmitte in der Übertragung neben der Horizontalebene gesichert (Abb. 6 bis 8). In den Arm lässt sich auch ein Foto­apparat oder ein Smartphone (in unserem Fall iPhone 5S, Fa. Apple, Cupertino, USA) einsetzen, mit dem Bilder in der Referenzebene der NHP für die digitale Analyse der Gesichts- und Zahnästhetik erstellt werden können. Mittlerweile sind wir dazu übergegangen, mit einem Smartphone kurze Filme in dieser Position zu drehen. Die aktuellen Videoprogramme erlauben eine Einzelbildanalyse, so dass statische Bilder für uns weitgehend überflüssig geworden sind.

Unser standardisierter Ablauf umfasst eine Aufnahme des ganzen Gesichtes des Patienten, während er von 1 bis 10 zählt. Neben der Lippenbewegung überprüfen wir so auch die Phonetik der bestehenden Zahnsituation. Nach dem Zählen soll der Patient breit lachen. Dann folgt eine Aufnahme des Mundes, während der Patient von 10 bis 1 zurückzählt. Auch hier soll er am Ende des Zählens nochmals breit lachen. Durch die Standardisierung der Videoaufnahmen vereinfachen wir die Planung oder Überprüfung. Die immer gleichen Bewegungen in der standardisierten Videoaufnahme erleichtern den direkten Vergleich von Ist- und Sollzustand des Patienten, z. B. bei der Einprobe des Mock-ups. Hier lassen sich bereits Veränderungen in den Bewegungen des Patienten erkennen, wenn die Einstellung im Video immer gleich ist. Die Lösung für eine erfolgreiche Planung heißt daher, dass wir eine Kombination der Daten aus dem EDAP, aus Patientenfotos oder -videos in der NHP und die EDAP-Übertragung mit dem Gesichtsbogen in den Artikulator haben. So gelingen die Analyse des Patienten und die ästhetische Planung zielsicher.

Esthetic Dental Axis Planning (nach Dr. Schütz)

Mit Hilfe der in der NHP gewonnenen Bilder und der präzisen Übertragung der Referenzposition beginnen nun die digitale Analyse der Frontzahnästhetik des Patien­ten und die digitale Planung der Veränderungen44,45. Das Verfahren ist inspiriert durch das Digital Smile Design (DSD) nach Coachman. Mit den Patientenbildern kann in einem Präsentations- oder Bildbearbeitungsprogramm (z. B. Keynote oder iPhoto, Fa. Apple) die Frontzahnsituation beurteilt und verändert werden. Das EDAP geht noch einen Schritt weiter: Die reproduzierbare NHP und die gleiche Orientierung der Modelle im Artikulator ermöglichen es dem Zahntechniker, immer exakt die Ausrichtung und die gewünschte Position der Zähne zu erkennen. Bei einer „freien“ Fotografie kann es durch Achsverschiebungen zu Verzeichnungen der Patientenbilder und damit auch zu Achsverschiebungen in der Restauration kommen (Abb. 9 bis 11).

Das DSD ist eine rasch erlernbare Technik, die anhand von ästhetischen Kriterien und von patienteneigenen Parametern eine digitale Simulation des späteren Ergebnisses erlaubt. Ein Katalog verschiedener Zahnformen erleichtert eine rasche Veränderung der Zähne, so das Patient, Zahnarzt und Zahntechniker das gewünschte Ziel bereits vor Augen haben. Dies ist sehr hilfreich für die Patientenkommunikation. Die Patienten verstehen, was und warum etwas geändert werden soll. Gleichzeitig haben sie eine Idee der neuen Situation vor Augen, und die Motivation zur Verbesserung des Ist-Zustandes steigt. Immer wieder schrecken Patienten vor einer sinnvollen Therapie zurück, weil sie das Ergebnis nicht visualisieren können. Mit Hilfe des DSD kann die konkrete Besprechung der Behandlungsziele und der sichtbaren Verbesserungen für den Patienten anschaulicher gestaltet werden. Das EDAP verbessert durch seine exakten Referenzebenen darüber hinaus noch die Präzision der Übertragung in das Labor und erleichtert so die Kommunikation mit dem Zahntechniker (Abb. 12 und 13).

Die in der DSD festgelegten Veränderungen können nun in das in der gleichen Horizontalebene orientierte Modell des Patienten für ein Wax-up oder Mock-up übertragen werden. So entsteht die dritte Dimension für den Patienten, denn anhand des Mock-ups kann er die angestrebte Situation sehen und erleben – er weiß nun, was möglich ist26,27. Die digitale Analyse überträgt dabei exakte Werte für den Wiederaufbau in das Labor. Das Ziel bleibt immer eine Wiederherstellung natürlicher physiologischer Verhältnisse für den Patienten. Neben der Ästhetik spielt die Funktion für einen dauerhaften Erfolg eine entscheidende Rolle7,17 (Abb. 14a und b). Die funktionellen Parameter des Patienten können heute mit elektronischen Registrierverfahren präzise bestimmt werden (in unserer Praxis: Zebris, Fa. Schütz Dental, Rosbach). Dieses System ist in der Lage, die Veränderung in dem EDAP in die Artikulatorprogrammierung umzurechnen. Denn am Ende stellt neben der Ästhetik eine physiologische Funktion einen wichtigen Faktor für die Zufriedenheit des Patienten mit der Restaura­tion dar.

Materialien für die Restauration

Für die vorgestellte noninvasive Therapie ist die Auswahl der Materialien wichtig. Hochleistungspolymere sind Gemische aus Glaskeramiken und polymeren Werkstoffen, die besondere Eigenschaften haben. Das von uns genutzte Hochleistungspolymer (Ambarino High-Class, Fa. Creamed, Marburg) besteht zu 70 % aus Glaskeramik (Strontiumaluminiumborosilikatglas) und zu 30 % aus Polymeren/Nanofüllstoffen (BODMA, Bis-GMA, UDMA) zur Verbesserung der Druckfestigkeit und Flexibilität. Der bisherige Standard, nämlich die Keramik, bekommt damit Konkurrenz. Schon seit einigen Jahren werden immer häufiger Hochleistungs­kunststoffe in der Prothetik eingesetzt, zum einen als Übergangsrestaurationen, zum anderen aber auch als dauerhafter Zahnersatz (z. B. PEEK-Werkstoffe auf Implantaten). Ambarino High-Class hat eine hohe Druckfestigkeit und eine große Elastizität. Dadurch eignet es sich für funktionell-ästhetische Restaurationen. Im Regensburger Kausimulatortest zeigte das Material bei 1,2 Mio. Belastungszyklen auf einer dreigliedrigen Brücke (Kraft 70 N, Frequenz 1,2 Hz, Hubhöhe 3 mm, befestigt mit zwei verschiedenen Befestigungsmaterialien) keinerlei Risse oder Beschädigungen. Die werkstoffkundliche Untersuchung der Verbund- und Haftfestigkeit erfolgte unter Erhitzung und Wasserlagerung und ergab durchschnittliche Werte von 30 bis 35 Mpa. Das entspricht anderen Restaurationsmaterialien, die zur adhäsiven Befestigung an Zähnen geeignet sind. Die besten Werte ergeben sich in einer Kombination von Sandstrahlen zur Konditionierung der Hochleistungspolymerfläche (Aluminiumoxid 50 µm) und Konditionierung der Fläche mit CFI Bonding Fluid (Fa. Creamed). Die physikalischen Eigenschaften des Werkstoffes liegen mit einer Biegefestigkeit von 175 MPa im Bereich von keramischen Restaurationsmaterialien. Der Elastizitätsmodul beträgt 10.000 MPa. Die Druckfestigkeit ist mit 480 MPa sehr „zahnähnlich“ (natür­licher Zahn: 350 bis 450 MPa). Die Vickers-Härte liegt bei 710 MPa6,39.

Dank eines homogenen Gefüges lässt sich das Material bei der CAD/CAM-Herstellung extrem dünn ausschleifen, ohne zu brechen oder auszureißen (bis 0,1 mm). So können auch kleine Funktions- und Führungsflächen okklusal noninvasiv wieder aufgebaut werden. Das ist entscheidend, wenn wir zukünftig mehr und mehr noninvasiv arbeiten möchten. Auch die ästhetischen Eigenschaften sind wichtig. Eine breite Auswahl verschiedener Blanks (vgl. Abb. 19) erleichtert die ästhetisch optimale Anpassung an die jeweilige Patientensituation. Einen weiteren Vorteil dieser Werkstoffe stellt die Reparaturfähigkeit der Restauration im Mund dar. Dennoch sind Hochleistungspolymere trotz positiver Eigenschaften und eines großen Potenzials noch nicht lange im klinischen Einsatz getestet und nachuntersucht worden. Es bedarf weiterer Stu­dien, um die Leistungsfähigkeit dieser Werkstoffe zu belegen. Im Fall der Anwendung sollte der Patient deshalb darüber aufgeklärt werden, dass noch keine Langzeitstudien zu dieser Materialgruppe vorliegen.

Patientenfall: Bisshebung

Nach der Fotoanalyse und der Modellanalyse beginnt die Phase der Therapie für den Patienten. Im Anschluss an das EDAP inklusive der DSD nach Coachman kann der Zahntechniker ein Wax-up (vgl. Abb. 20) der Front erstellen. Mittels einer klaren Silikonform lässt sich die Situation als Mock-up in den Mund des Patienten übertragen. Mit einem temporären Kunststoff (Ambarino Provi K&B, Fa. Creamed) wird der Silikonschlüssel gefüllt und als Mock-up auf die Front des Patienten gebracht. Nun erfolgt eine erneute Videoanalyse. Schon jetzt zeigt sich bei dem hier vorgestellten Patien­ten eine Veränderung in der Unterkieferhaltung und in der Lippenmotorik. Das Wiederherstellen einer physiologischen Länge der Zähne führte zu einer Normalisierung seiner Lautbildung. Vor dem Mock-up hatte er bei der Lautbildung den Mund nach links verzogen, wohingegen die Lippenhaltung direkt nach dem Testen des Mock-ups auf beiden Seiten fast wieder normal war. Das bestätigt die gute Qualität der Planung anhand des EDAP und der funktionellen Planung (Abb. 15 bis 17).

Für den Patienten bedeuten das Erleben seiner neuen Zähne und die spürbare Verbesserung seiner Ästhetik eine große Motivation im Hinblick auf die weitere Therapie. Vorzugsweise zeigen wir unseren Patienten zunächst ihren Videofilm, bei dem ein na­türliches Lippenbild zu sehen ist. Vor einem Spiegel machen Patienten nach unseren Erfahrungen eher ungewöhnliche Lippenbewegungen, die die Wahrnehmung einer guten Form trüben können. Um dem Patienten den Zahnverlust nochmals zu verdeutlichen, entfernen wir häufig zunächst nur eine Seite des Mock-ups (Abb. 18), denn dann ist der Unterschied zu den alten Zähnen auch für ihn sichtbar. Verläuft bei der Einprobe des Mock-ups alles nach Wunsch, sind sämtliche Parameter für die definitive Therapie festgelegt. Wenn eine Bisshebung angestrebt wird, ist selbstverständlich eine vorherige Schienentherapie unverzichtbar. Zwischen 3 und 6 Monaten dauert die endgültige Einstellung der Gewebe, erst dann werden definitive Therapieentscheidungen mit einer Bisserhöhung oder -korrektur getroffen. Als sehr hilfreich für die Diagnostik haben sich Brux-Checker-Schienen (Fa. Scheu Dental, Iserlohn) erwiesen: Der Patient trägt sie nacheinander für einen oder wenige Tage im Ober- bzw. Unterkiefer, und auf den Schienen zeichnen sich seine „Funktionsbahnen“ ein. So kann die tatsächliche Funktion des Patienten gut beurteilt werden (vgl. Abb. 14a und b).

Nach dem Scannen der Modelle des Patienten können mit einer Kombination aus physischem Wax-up (Abb. 20, vgl. Abb. 12) in der Front und virtuellem Wax-up (vgl. Abb. 13) an den Seitenzähnen dünne Schalen („Table Tops“) zum Aufbau der fehlenden Substanz hergestellt werden. Die CAD/CAM-Fertigung ermöglicht dabei sowohl die Planung der statischen Okklusion als auch das Überprüfen der funktionellen Parameter des Patienten mit einem virtuellen Artikulator (vgl. Abb. 12 und 13). Im ersten Schritt stellen wir die Aufbauten für die Seitenzähne her, um die Bisserhöhung des Patienten zu stabilisieren. Da die Table Tops aus einem Monoblock gefräst werden, ist die Materialgüte gleichbleibend, und es sind sehr dünn auslaufende Ränder möglich (Abb. 21 bis 24). Danach wurden im CAD/CAM-Verfahren die hauchdünnen Aufbauten für die Front erstellt. Die Anforderungen an das Material sind dabei hoch, denn es soll wichtige Funktionen erfüllen:

  • adhäsiv einsetzbar,
  • geringe Abrasion, aber funktionell veränderbar („antagonistenfreundlich“),
  • korrigierbar und reparaturfähig,
  • ästhetisch sowie
  • langzeitstabil.

Das von uns gewählte Hochleistungspolymer Ambarino High-Class setzen wir bereits seit 4 Jahren in unserer Praxis ein. Gerade bei funktionell aktiven Patienten (Bruxern) zeigt das Material gute Ergebnisse. Die dünnen Schalen werden aus gefärbten Blanks heraus­geschliffen. Je nach gewünschter Wirkung kann die Ästhetik der Restaurationen (Chamäleoneffekt) durch das Einsetzen in kleinem Rahmen beeinflusst werden9,21,29,41. Da die Schalen dünn sind, lässt sich eine Modulation der Farbwahrnehmung durch einen helleren oder dunkleren Befestigungskunststoff (bei uns: fließfähiges Komposit) erreichen, so wie es der individuelle Fall jeweils erfordert10,19,33,37,38,40,48. Alle Aufbau­ten aus Hochleistungspolymeren setzen wir adhäsiv ein (Abb. 25 und 26). Nach Sandstrahlung des Table Tops (Aluoxid 50 µm) kommt ein Bonding zum Einsatz (CFI Bonding Fluid). Die nicht präparierten Zähne werden nach Schmelzätzung ebenso mit einem Bonding haftfähig gemacht. Das adhäsive Einsetzen geschieht mit einem fließfähigen Kunststoff3,7,42.

Dank der Materialeigenschaften des Hochleistungspolymers kann es hauch­dünn ausgeschliffen werden (vgl. Abb. 23 bis 25). Dadurch „schmiegen“ sich die Auf­bauten an den Zahn an und können sehr gut anpoliert werden19,38. Keramische Materialien benötigen hier andere Mindeststärken und brechen aufgrund ihrer Sprödigkeit in Auslaufbereichen leichter als Hybridglas-Polymere (siehe physikalische Eigenschaften)5,11,13,14,36.

Nach etwa 1 Woche kontrollieren wir die Fein­einstellung der Okklusion. In fast allen Fällen sind die Patienten mit der Kaufähigkeit der Zähne sehr zufrieden. Dank der hohen Elastizität des Hochleistungs­polymers gewöhnen sich auch „funktionsgestörte“ Patienten schnell an die neue Restauration. Das Phänomen ist aus der restaurativen Zahnheilkunde bekannt: Die Restaurationen und Langzeitbrücken aus Kunststoff werden oft gut akzeptiert46, weil die Restauration nachgibt und kleine Fehler toleriert. Bei zu harten Restaurationen kann es in Einzelfällen zu Problemen hinsichtlich der Toleranz der Muskel- oder Kiefergelenksgewebe kommen1,22,28,34, weil kleinste Störstellen von sensiblen Patienten neuromuskulär bemerkt werden. Begeistert sind alle Patienten von der Ästhetik der neuen Restaurationen. Sie ist auch sicher zu erreichen, weil das EDAP die bestmöglichen Informationen zum Patienten standardisiert in das Labor transferiert (Abb. 27 bis 35). Da die Eingriffe noninvasiv erfolgen, entscheiden sich Patienten auch leichter für eine umfangreiche Therapie.

Resümee

Neue diagnostische Techniken generieren neue Konzepte. Die Kombination aus einer patientenorientierten und achsengerechten Analyse des Patienten, die mit Hilfe des EDAP und des DSD gewonnen wurde, sowie die Anwendung von Hochleistungspolymeren, einer neuen Übertragungstechnik für ästhetisch-funktionelles Arbeiten im Labor (EDAP) und der Möglichkeiten einer modernen CAD/CAM-Technologie erlauben eine noninvasive Therapie unserer Patienten. Die Materialeigenschaften des Hochleistungspolymers ermöglichen das Herstellen von hauchdünnen Aufbauten oder Table Tops, die adhäsiv eingesetzt werden können. Die ästhetische Wirkung ist gut. Patienten mit funktionellen Störungen und Bisshöhenverlust lassen sich gezielt in eine physiologische Position bringen, ohne dass eine Präparation mit weiterem Substanzverlust resultiert. Die Elastizität des Materials erleichtert das Eingewöhnen in die neue Relation der Zähne. Moderne Hochleistungspolymere sind für komplexe funktionell-ästhetische Restaurationen geeignet, bei denen noninvasiv gearbeitet werden kann. Weitere klinische Studien müssen zeigen, wie die Langzeitwirkung der neuen Materialien in der Mundhöhle sein wird. In jedem Fall ist eine Aufklärung des Patienten zum Einsatz notwendig.

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Reference: Die Quintessenz, Ausgabe 2/15 Digitale Zahnmedizin

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