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ZA Johannes Peus fasst die wichtigsten Facts für den Praxisalltag zusammen

Kombination aus Attrition, Abrasionen und Erosionen.

(c) ZA Johannes Peus

Es ist heute nahezu Alltag in einer Zahnarztpraxis: Ein Patient stellt sich für eine reguläre Kontrolle vor. Beim ersten Blick in den Mund und auf die Zähne des Patienten stellen sich abgeschliffenen Zähne oder Zähne, die eine glatte, abgeriebene Stelle aufweisen, dar. Zudem beobachtet man hier und da einen Defekt in der zervikalen Zahnhartsubstanz, sogenannte keilförmige Defekte. Und dann gibt es auch noch dunkle Verfärbungen auf einigen Zahnflächen.

Die Ätiologie dieser Verschleißerscheinungen ist häufig nicht immer schnell zu eruieren und bedarf weiterer anamnestischer Fragen. „Haben Sie schon einmal selbst bemerkt, dass Sie mit den Zähnen knirschen?“ – „Sind einige ihrer Zähne auf Kälte oder Süßes stark empfindlich?“ – „Trinken Sie viele säurehaltige Getränke wie Cola oder Fruchtsäfte?“ Solche Fragen können mitunter helfen, die Ursachen zu klären. Fakt ist, dass Verschleißerscheinungen an Zähnen häufig multifaktoriell sind1.

Klinisch ist zu sehen, dass Attritionen, Abrasionen oder auch Erosionen mit dem Verlust von Zahnhartsubstanz einhergehen. Zunächst ist erst der Zahnschmelz betroffen, in fortgeschrittenen oder extremeren Fällen liegen auch Dentinstrukturen frei. Insbesondere Erosionen gewinnen in den vergangenen Jahrzehnten immer mehr an Bedeutung2.

Um dem Patienten einen geeigneten Behandlungsvorschlag machen zu können, ist es zunächst wichtig, die Definition und Ätiologie verschiedener Zahnhartsubstanzverlusttypen zu kennen. Um diese danach differenzieren zu können, sollte man auch stets in der Lage sein, die Erscheinungsform richtig beschreiben und analysieren zu können3 (Abb. 1).

Arten und Ursachen für den Verlust der Zahnhartsubstanz

Attritionen

Attritionen sind definiert als Abrieb der Zahnhartsubstanz durch antagonistischen oder benachbarten Zahnkontakt4 und sind somit intrinsisch, also vom Körper selbst in einer Form verursacht. Hauptursächlich sind mastikatorische Bewegungen, das heißt Schlucken und Kauen. Auch wenn Zähne beim Kauen nur selten aufeinandertreffen, das heißt optimalerweise über leichten intermittierenden Kontakt an den oberen und unteren Eckzähnen, nimmt der antagonistische Zahnkontakt bei abnehmender Masse des Bolus zu. Beim Schlucken, welches ca. 1.500–2.000-mal pro Tag erfolgt5, sind diese Kontakte ohne Hindernis vorhanden. Im Gegensatz zu abrasiven oder auch erosiven Zahnhartsubstanzverlusten, die in der Folge noch thematisiert werden, ist die Attrition ein physiologisches Erscheinungsbild. Allerdings kann dieses durch zusätzliche pathologische Faktoren verstärkt werden, zum Beispiel Bruxismus, ausgelöst durch Stress und/oder Ärger. Aber auch okklusale Interferenzen6 können zu vermehrten attritiven Erscheinungen führen.

Klinisch sind attritive Zahnhartsubstanzverluste an glatten Schlifffacetten mit gegebenenfalls intermittierenden koronal scharfen Kanten zu erkennen, die bei der mandibulären Dynamik zueinander passend wie Mühlsteine aneinander vorbeigleiten.

Abrasionen

Abrasive Zahnhartsubstanzverluste entstehen durch Kontakt der Zähne mit Fremdkörpern4 und sind extrinsisch, also durch äußere Faktoren bedingt. Dazu gehören maßgeblich Nahrungsmittel. Dabei ist der Verlust abhängig von der Abrasivität der Nahrung2. Ein weiterer Faktor sind Angewohnheiten wie das Kauen auf Stiften oder an Fingernägeln. Aber auch berufsbedingte Faktoren wie die Arbeit in Fabriken mit starker Staub­entwicklung können Abrasionen verursachen. Selbst durch die Zahnpflege mit zu abrasiven Zahnpasten oder der falschen Zahnputztechnik können Abrasionen auftreten. Abrasionen können generell mit einem Index erfasst und analysiert werden. Einer dieser Indizes ist zum Beispiel der „Tooth wear index“ nach Donachin und Walls (1996). Dabei werden verschiedene Zahnflächen beurteilt und nach der Schwere der Läsion eingeordnet.

In den letzten Jahren erschienen multiple Studien zu verschiedenen Abrasionen-Indizes, die klinisch alle gut untersucht sind. Einige von diesen haben zusätzlich ein Behandlungskonzept abhängig vom Zustand der abradierten Zähne entwickelt7. Ob beziehungsweise welche Indizes derzeit am geeignetsten sind, ist in diesbezüg­lichen Reviews noch zu erarbeiten.

Erosionen

Erosionen entstehen durch direkte Säureeinwirkungen auf den Zahn4 und führen zu Demineralisation und dann durch Zahnkontakt zum Zahnhartsubstanzverlust8. Sie stellen im Vergleich den komplexesten Teil der ätiologischen Frage dar, da Erosionen sowohl intrinsisch als auch extrinsisch (insbesondere chemisch) bedingt sein können9. Anders als bei kariösen Läsionen, die immer mit bakterieller Beteiligung ablaufen und maßgeblich durch diese entstehen, ist der Prozess der Erosion ausschließlich abakteriell. Abhängig von der Dauer der Säureeinwirkung auf den Zahn kann die Demineralisation des Zahns durch die Pufferkapazität des Speichels inhibiert und der Remineralisierungsprozess eingeleitet werden, sodass kein Substanzverlust entsteht. Wenn die Exposition allerdings für längere Zeit anhält, so überwiegt die Demineralisierung des Zahns. Dabei werden insbesondere Calcium- und Phosphationen aus der Zahnhartsubstanz gelöst. Dies führt zum Anstieg des pH-Werts im Mund und kann wie bereits beschrieben den Säureangriff stoppen. Bei persistierender Säureeinwirkung wird das Lösen der Ca2+ und PO43- fortgesetzt.

Zu den maßgeblichen Gründen für Erosionen zählen saure Nahrungsmittel wie saure Softdrinks oder Zitrusfrüchte (extrinsisch), aber auch Erkrankungen wie Bulimie oder Reflux (intrinsisch) können zu erosiven Erscheinungen an den Zähnen führen. Zudem sind auch Erkrankungen, die mit Hyposalivation einhergehen (wie Sjögren-Syndrom, diverse Speicheldrüsentumoren, Sialolithiasis etc.), als mögliche Ursachen für erosive Erscheinungen in Erwägung zu ziehen10.

Besonders in der Bevölkerung nicht bekannt und daher zu erwähnen ist die Kombination aus Erosion und mechanischer Abnutzung. Dazu zählen insbesondere falsche Zahnputztechniken oder auch das Zähneputzen unmittelbar nach nicht nur säurehaltigen Speisen.

Falsche Zahnputztechniken können insbesondere zu Zahnhalsdefekten, aber auch zu generellen Zahnhartsubstanzdefekten führen. Durch den mechanischen Abrieb ist die Zahnoberfläche noch stärker schädlichen Einflüssen ausgesetzt. Daher sollte der Behandler bei jedem Kontrolltermin die Zahnputztechnik des Patienten erfragen, sofern der Verdacht besteht, dass diese für Defekte an den Zähnen verantwortlich sein kann. Welche Zahnputztechnik bei welchen dentalen Zuständen geeignet ist, ist in der Fachliteratur hinreichend erläutert4.

Das Zähneputzen unmittelbar nach dem Essen stellt ein weiteres Risiko für die Zahnhartsubstanz dar. Aufgrund des Absinkens des pH-Werts werden Ionen aus der Zahnhartsubstanz gelöst. Putzt der Patient unmittelbar nach dem Essen die Zähne, kann es zum mechanischen Abrieb dieser kleinsten Bestandteile der Zähne und somit zum Verlust von Zahnhartsubstanz kommen. Daher sollte je nach Nahrung11 ca. 20 Min. gewartet werden, bevor man die Zähne putzt. Diese Thematik ist anhand der Stephan-Kurve von Stephan und Miller im Jahr 1944 gut untersucht und in den folgenden Jahren geprüft, reevaluiert und modifiziert worden.

Erosive Erscheinungen lassen sich nicht per se von attritiven und/oder abrasiven Erscheinungen unterscheiden. Es ist zwingend notwendig, bei einem Verdacht auf einen Zahnhartverlust eine genaue Anamnese des Patienten zu erstellen, um potenzielle Gründe zu erfahren und diese dann gezielt behandeln zu können (Abb. 2).

Ätiologie des Verlustes der Zahnhartsubstanz

Bevor man Schäden der Zahnhartsubstanz final therapiert, sollte man sich vergewissern, dass man die korrekte Diagnose hinsichtlich der Ursache gestellt hat, um posttherapeutische Misserfolge zu limitieren. Attritionen sind verursacht durch Zahn-Zahn-Kontakt, Abrasionen verursacht durch Fremdkörperkontakt und Erosionen entstehen durch direkte Einwirkung chemischer Aggentien. Die Behandlung dieser Ursachen ist demnach auch durchaus unterschiedlich bzw. voneinander zu differenzieren.

Therapie

Jede Behandlung eines Patienten beginnt nach der korrekten Diagnosestellung mit der Aufklärung über Art und Weise der Erkrankung sowie über die (alternativen) Behandlungsmethoden. Dabei sollten alle Möglichkeiten aufgezählt werden. Wichtig dabei ist auch, dass der Pa­tient wenigstens in Grundzügen versteht, weshalb eine gewisse Art von Zahnhartsubstanzverlust aufkam. Die Aufklärung sollte dabei in ein­fachen, verständlichen Worten ohne viel Fachvokabular erfolgen. Denn allein die Aufklärung darüber kann schon eine Art Behandlung sein, wenn man zum Beispiel an die Essensgewohnheiten hinsichtlich von Erosionen denkt. Der Behandlungsplan sollte sich dabei nicht nur mit den Symptomen beschäftigen, sondern insbesondere mit den Ursachen selbst und diese so gut wie möglich behandeln12.

Im Bereich der Attrition gilt das Vermeiden falscher oder zu starker Zahnkontakte. Im Falle von Bruxismus stehen Therapien mit Aufbissschienen, kieferorthopädische Behandlungen, physiotherapeutische Behandlungen, autogenes Training und auch Biofeedback-Methoden13. Sind Fehlkontakte bei funktionellen Bewegungen die Ursache, so sollte eine Behandlung gewählt werden, die diese Fehlkontakte abstellt. Das Behandlungsspektrum erstreckt sich hierbei von noninvasiven bis zu invasiven Methoden. Um okklusale Fehlkontakte noninvasiv zu behandeln, bieten sich Aufbissschienen oder kieferorthopädische Behandlungen an. Sollen definitive rekonstruktive Arbeiten die Fehlkontakte beheben, so sind invasive Versorgungen mit (Teil-)Kronen, Brücken oder Implantaten in Erwägung zu ziehen.

Um Abrasionen zu reduzieren oder ganz zu vermeiden, sollten die kausalen Habits beseitigt oder zumindest reduziert werden. Diese Behandlung ist augenscheinlich relativ leicht, kann sich aber unter Umständen als schwierig erweisen, da viele Gewohnheiten unterbewusst etabliert und nur schwer abzustellen sind. Bei komplexen Fällen wäre auch eine Überweisung zu einem fachkundigen Spezialisten angeraten. Des Weiteren richtet sich die Behandlung von Abrasionen nach der Schwere der geschädigten Zähne. Ähnlich wie bei Attritionen kann auch hier mit rekonstruktiven direkten oder indirekten Restaurationen gearbeitet werden.

Die Behandlungsmöglichkeiten erosiver Zahnhartsubstanzdefekte sind vielfältig. Hierzu zählen das Abstellen von schädlichen Ess- beziehungsweise Trinkgewohnheiten oder auch die interdisziplinäre Behandlung von Erkrankungen des gastrointestinalen Trakts (zum Beispiel Reflux). Der Umstand einer gegebenenfalls psychischen Erkrankung, die sich in Form von Essstörung manifestiert, sollte mit größter Vorsicht und viel Fingerspitzengefühl seitens des Behandlers angegangen werden. Häufig sind die Umstände der Erkrankung nicht einmal im engsten Familienkreis bekannt. Bei einer konkreten Vermutung ist daher beim initialen Anamnesegespräch Vorsicht geboten. Sollten Sie als Zahnarzt den Verdacht auf eine psychosomatische Störung oder Expression derselben sehen, versuchen Sie den Patienten möglichst ohne Angehörige darauf anzusprechen. Der Einstieg in das Gespräch über die beobachteten erosiven Zahnhartsubstanzverluste kann dabei neutral wirken und hilfreich sein.

Sonstige erosive Defekte werden wie Attritionen und Abrasionen nach Abstellen der schädlichen Einflüsse direkt oder indirekt restaurativ behandelt.

Bei allen restaurativen Behandlungen sind die grundlegenden Entscheidungen nach Art, Lage und Ausdehnung der Defekte zu treffen. Liegen die substanziellen Schäden vorwiegend an Zahnhälsen im Front- oder Seitenzahnbereich, ist eine klassische Füllung in Säure-Ätz-Technik und adhäsiver Befestigung indiziert, um die Stabilität des Zahns zu gewährleisten und weiteres Herauslösen und Aussprengungen der Zahnhartsubstanz zu vermeiden.

Sind die Schäden von okklusaler Natur, ist eine strenge Indikationsstellung gefragt. Einfache Substanzverluste sind auch hier mit konventionellen hochqualitativen Kunststofffüllungen zu behandeln. Ausgedehnte Defekte, die ggf. auch schon die vertikale Dimension der Okklusion (VDO) kompromittiert haben, sollten unter Berücksichtigung einer definierten Bisshebung versorgt werden. Fehlen gegebenenfalls sogar Zähne, sollte sich der Behandler auch Gedanken darüber machen, dass diese adäquat ersetzt werden. Behandlungsalternativen erstrecken sich auch hier von noninvasiven bis hin zu invasiven direkten oder indirekten wie auch implanttattechnischen Versorgungen.

Fazit

Die Ätiologie von Zahnhartsubstanzverlusten ist vielfältig. Um dem Patienten möglichst gezielt und auch langfristig helfen zu können, ist es wichtig, eine detaillierte medizinische und zahnmedizinische Anamnese, um begleitende (über die Zahnheilkunde hinausgehende) Ursachen zu erfassen. Erst nach genauer Diagnosestellung und Ursachenforschung kann eine geeignete Therapie vorgeschlagen werden.

Attritionen, Abrasionen und Erosionen können separat voneinander oder auch als Kombinationserscheinungen auftreten, je nachdem, welche (Vor-)Geschichte der Patient hat. So ist die Therapie in den meisten Fällen konventionell restaurativ mit Füllungen in Adhäsivtechnik. Erscheinen Zahnhartsubstanzverluste generalisiert, gegebenenfalls mit Verlust der VDO, so ist der Behandler dazu angehalten, eine komplette Rehabilitation des Kauorgans vorzunehmen. Dies kann unter Umständen mit einer Schiene simuliert und danach, indirekt im Labor hergestellt, umgesetzt werden.

Das Thema der attritiven, abrasiven und auch erosiven Zahnhartsubstanzverluste wird womöglich in den kommenden Jahrzehnten aufgrund seiner multifaktoriellen Ätiologie noch stärker Einzug in die zahnmedizinischen Behandlungen halten als bisher, sodass es unabdingbar ist, dass sich bereits jeder zahnmedizinische Student, basierend auf einer fundiert guten Ausbildung seitens der Lehrbeautragten, mit diesem Thema sorgfältig auseinandersetzt, um dem Patienten später suffizient und zufriedenstellend helfen und ihn behandeln zu können.

Ein Beitrag von Johannes Peus, Bonn

Literatur auf Anfrage über news@quintessenz.de

Reference: Studium & Praxisstart Zahnmedizin Restaurative Zahnheilkunde Prävention und Prophylaxe

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