Für Zahnärzte mit dem Cerec-System im Eigenlabor und gewerbliche zahntechnische Labore ist die neue Europäische Medizinprodukte-Verordnung (Medical Device Regulation, MDR) eigentlich eine „Fingerübung“. Schon der Vorläufer, das Medizinproduktegesetz von 2017, verlangte eine systematische Dokumentation der Behandlungsabläufe in der Praxis beziehungsweise der Vorgehensweisen im ZT-Labor und die Einrichtung eines Qualitätsmanagements. Bei diesen Regelwerken stehen Sicherheit und Schutz des Patienten für den Lebenszyklus eines Medizinprodukts im Fokus.
Schnittstellen- und Risikomanagement
Die MDR hat Zahnersatz als „Sonderanfertigung“ klassifiziert. Dies erfordert seitens der Zahnersatz-Hersteller – also Zahnarzt und Zahntechniker – die Erfassung der eingesetzten industriellen Werkstoffe für den speziellen Patientenfall sowie die Chargenkennzeichnung zum Zweck der Rückverfolgbarkeit. Ferner ist ein Risikomanagement angezeigt, das nachträgliche Interventionen dokumentiert.
Zahnärzte ohne Eigenlabor, die lediglich die Abformungen als Arbeitsunterlage übergeben und somit die Ausarbeitung der Restauration dem zahntechnischen Labor überlassen, brauchen lediglich die überlassenen Auftragsunterlagen zu dokumentieren (Schnittstellenmanagement). Das beauftragte, zertifizierte Labor übernimmt die Dokumentation der ausgeführten Restauration zur Hinterlegung in der Praxis.
Auch CAD/CAM-Produkte betroffen
Für alle industriellen Produkte und Arbeitsverfahren liefert die Dentalindustrie europaweit gültige Zertifizierungen, CE-Kennzeichen, Spezifikationen, Gebrauchsanweisungen, Chargen-Bezeichnungen. Sie alle sind in der Praxis und im Labor zu hinterlegen, um bei Bedarf darauf zugreifen zu können.
Ziel der MDR ist, mit dem Regelwerk die Patientensicherheit gegenüber fehlerhaften oder risikobehafteten Medizinprodukten zu verbessern – so der Gesetzgeber. Die Maßnahmen betreffen besonders Zahnärzte mit Eigenlabor, die Zahnersatz („Sonderanfertigungen“) in der Praxis herstellen und „in Verkehr bringen“. Auch Anwender von CAD/CAM-Verfahren (Cerec, inLab) und somit Hersteller von „digital erstelltem Zahnersatz“ fallen mit der Dokumentationspflicht in den Geltungsbereich der Verordnung.
Nur Formulare oder auch Fortschritt?
Im Webinar der „Cerec Masters“ im April 2021, geleitet von Dr. Andreas Kurbad, Viersen, und ZMV Regina Kraus, Fachwirtin im Sozial- und Gesundheitswesen (IHK), wurden die neuen Bedingungen der MDR den mehr als 100 Teilnehmenden, die am Bildschirm der virtuellen Veranstaltung folgten ,vorgestellt und diskutiert. Während voluminöse Bücher zum Thema über viele Seiten die Forderungen der neuen Verordnung für Zahnmediziner zu erklären versuchen, schaffte es das Webinar-Team Kurbad und Kraus im Zeitfenster eines „Luncheon“, den Cerec-Anwendern das MDR-gestützte Prozedere anschaulich zu vermitteln.
- Für bildgebende Anlagen wie Röntgengerät, Intraoralscanner (Cerec), und invasive Geräte wie Turbine, Cavitron, Elektrotom, Polymerisationslampen etc. sind Bestandsverzeichnisse und Betriebsanweisungen aufzulisten und Prüfdaten zu hinterlegen.
- Die meisten zahnärztlichen Produkte sind der Klasse IIa zugeordnet: Füllungsmaterial und prothetische Werkstoffe, die über einen längeren Zeitraum in den Zähnen verbleiben oder diese ersetzen, also Endodontiestifte, Aufbissschienen, KFO-Aktivatoren, diagnostische und therapeutische Software (Cerec, 3-D-Druck). Lediglich Implantate zählen zu Klasse IIb; sie enthalten höhere Risiken. Für alle Produkte sind Wareneingangslisten, Chargen-Nummern, CE-Kennung, Sicherheitsdatenblätter und Gefahrstoffverzeichnisse der Lieferanten vorzuhalten, um auf Rückrufe reagieren zu können.
- Die Konformitätserklärung ist der Nachweis für die Funktionstüchtigkeit, Leistungsfähigkeit und Sicherheit für den Zahnersatz. Sie wird dem Patienten nach Behandlungsabschluss ausgehändigt und enthält die spezifischen Merkmale der Restauration wie Material und Hersteller, Artikelbezeichnung und CE-Kennzeichen. Eine Kopie wird zehn Jahre in der Praxis aufbewahrt, für Implantate 15 Jahre.
- Zur Kontrolle des inkorporierten Zahnersatzes ist ein Überwachungsplan nach dem „in-Verkehr-bringen“ erforderlich. Dies dient der klinischen Qualitätsüberwachung, der Erfassung von Fehlfunktionen oder Schäden. Nachbesserungen werden dokumentiert, gesundheitsrelevante Vorkommnisse sind meldepflichtig (Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte).
- Damit alle Prozesse der MDR sich in den Praxisablauf einfügen und koordiniert werden, ist das Praxispersonal in die Aufgaben einzuweisen und Verantwortlichkeiten festzulegen. Ein Praxismitarbeiter mit medizinischer oder technischer Ausbildung ist als „Beauftragter für Medizinproduktsicherheit“ mit einer Bestellungsurkunde zu benennen. Dem Beauftragten obliegen die organisatorische Implementierung aller Maßnahmen, die Delegation von Einzelaufgaben sowie die Kontrolle aller Funktionen.
MDR – (k)ein Bürokratie-Monster
Wer schon in den vergangenen Jahren ein (gesetzlich für Vertragszahnarztpraxen vorgeschriebenes) Qualitätsmanagement in seiner Praxis verankert hat, für den sind die zusätzlichen Bedingungen der neuen Verordnung mit überschaubarem Aufwand in den Praxisablauf zu integrieren. So wie in modernen Autos ein Mikroprozessor alle technischen Abläufe und Vorkommnisse aufzeichnet und an Inspektionen erinnert, kann beim jährlichen Service das „Auto-Leben“ digital ausgelesen werden. Die MDR-Protokolle zeichnen den Werdegang einer Restauration auf und bilden den Qualitätsstatus ab. Das Wiedereinbestellen des Patienten zur klinischen Nachkontrolle stützt das Qualitätsangebot des Behandlers und ist darüber hinaus ein Mittel zur Patientenbindung. Für den Patienten ist dies eine vertrauensbildende Maßnahme des Zahnarztes – also ein wichtiger Baustein im Erscheinungsbild der Praxis.
Service für die Cerec Masters
Alle MDR-Unterlagen zur Dokumentation, wie Wareneingangsbuch, Bestandsverzeichnis, Medizinproduktebuch, Konformitätserklärung, Chargen-Aufkleber, Mitarbeiterunterweisung, Rückmeldungen, Überwachungsplan, können durch die Teilnehmer des Webinars der Cerec Masters per Download zum Vorteilspreis von der Geschäftsstelle bezogen werden. Allein schon für den Club-Service zur MDR-Implementierung in der niedergelassenen Praxis lohnt sich eine Mitgliedschaft im „Cerec Masters Club“. Mehr Informationen per E-Mail an masters@cerec.de oder auf der Homepage.
Manfred Kern, Wiesbaden