0,00 €
Zum Warenkorb
  • Quintessence Publishing Deutschland
Filter
1853 Views

Neuropathien nach Operationen oder Traumata können schnell chronisch werden und sind dann nur noch schwer zu behandeln

Unangenehmes Kribbeln in Händen und Füßen, Taubheitsgefühle, Pelzigkeit und Brennen – diese Symptome können auf eine Neuropathie, eine Erkrankung des Nervensystems hindeuten. Dauern die Schmerzen mehrere Monate an, werden sie als chronisch bezeichnet. Sie sind dann nur sehr schwer zu behandeln, wobei verfügbare Medikamente oftmals gravierende Nebenwirkungen haben. Forscherinnen und Forscher am Institutsteil Translationale Medizin und Pharmakologie TMP des Fraunhofer-Institut für Molekularbiologie und Angewandte Oekologie IME haben einen Weg gefunden, um die Entwicklung von neuropathischen Schmerzen frühzeitig zu unterbinden.

Veränderte Hautsensibilität

Etwa fünf Millionen Menschen in Deutschland leiden an neuropathischen Schmerzen. Sie entstehen durch Schädigungen des peripheren oder zentralen Nervensystems. Die Ursachen sind vielfältig: Oftmals treten die Missempfindungen nach Operationen, beispielsweise bei Bypass-OPs, oder Unfällen auf, etwa wenn das Rückenmark verletzt ist. Auch Phantomschmerzen, unter denen nicht wenige Patienten nach einer Amputation leiden, zählen zu den neuropathischen, mechanisch induzierten Schmerzen. Typisch ist eine Veränderung der Hautsensibilität. Reize wie Kälte, Hitze oder Berührungen werden stärker oder kaum empfunden. Problematisch wird es, wenn der Schmerz sich verselbständigt und chronisch wird. Die Lebensqualität der Betroffenen ist dann erheblich beeinträchtigt. Häufig können sie ihren Beruf nicht mehr ausüben, sie vernachlässigen Freizeitbeschäftigungen und Freundschaften. Die Folgen sind Isolation, Resignation und Depression.

Die Entwicklung von neuropathischen, trauma-induzierten Schmerzen, die nach Operationen oder Unfällen häufig auftreten, muss so früh wie möglich unterbunden werden. Denn sind die neuropathischen Schmerzen erst einmal entstanden, wirken Therapien nur noch eingeschränkt. Hinzu kommt, dass die entsprechenden Medikamente starke Nebenwirkungen haben.

Wenn Immunzellen zum Feind werden

Wissenschaftler des Fraunhofer IME in Frankfurt forschen an alternativen Therapien für die frühzeitige Behandlung neuropathischer Schmerzen. In Tests konnten sie nachweisen, dass verschiedene Lipide, die als Signalmoleküle bei Verletzungen freigesetzt werden, die Entzündungsreaktionen an den beschädigten Nerven steuern. „Die Nerven schlagen Alarm und setzen Lipide frei, um dem Immunsystem zu signalisieren, dass eine Verletzung vorliegt und die Ursache beseitigt werden muss“, erklärt Prof. Dr. Klaus Scholich, Gruppenleiter Biomedizinische Analytik und Imaging am Fraunhofer IME. „Bei neuropathischen Schmerzen werden die angelockten Immunzellen nach einiger Zeit zum Feind. Sie interagieren derart mit den Nerven, dass die betroffenen Areale permanent entzündet sind. Die Nervenschmerzen können nicht mehr abflauen, sie werden chronisch. Indem wir Signalwege unterbrechen, die Immunzellen anlocken, können wir die Schmerzen deutlich verringern. Möglich ist dies beispielsweise durch den rechtzeitigen Einsatz von Schmerzmitteln wie Ibuprofen und Diclofenac. Frühzeitig verabreicht, können diese Medikamente die Herstellung des Lipids Prostaglandin E2 stoppen, das eine entscheidende Rolle bei trauma-induzierten Schmerzen spielt, da es sowohl die Nerven sensibilisiert als auch das Immunsystem aktiviert.

Prostaglandin E2 spielt zentrale Rolle

Darüber hinaus bindet Prostaglandin E2 den Rezeptor EP3. Neuronen, die diesen Rezeptor aufweisen, setzen das Signalmolekül CCL2 frei. Dieses fördert wiederum die Schmerzentwicklung entscheidend, da es immer neue Immunzellen zu den verletzten Nerven lockt und auch selbst die Schmerzwahrnehmung verstärkt, wie die IME-Forscher in ihren Untersuchungen herausfanden.


Fluoreszenzaufnahme von verschiedenen Immunzellen bei der Reparatur eines verletzten Ischiasnerven. Bild: IME Frankfurt

„Wir konnten die nachgeschalteten Mechanismen aufklären, die über Entzündungsreaktionen die Entstehung neuropathischer Schmerzen begünstigen“, erläutert Scholich. „Der Rezeptor EP3 erkennt das Prostaglandin E2. Indem man nun den EP3 ausschaltet und somit die CCL2-Freisetzung hemmt, kann man die Schmerzentstehung deutlich verringern.“

Antikörper als Therapieoption

Das CCL2 ließe sich mit therapeutischen, spezifischen Antikörpern abfangen. Diese Antikörper könnten bei chronischen Schmerzen zum Einsatz kommen, wenn herkömmliche Arzneimittel wie Ibuprofen nicht mehr wirken. Der Nachteil: Antikörper müssen gespritzt werden. Da dies von den meisten Patienten als unangenehm empfunden wird, forschen Scholich und seine Kolleginnen und Kollegen an alternativen Wirkstoffen, die sich oral verabreichen lassen.

Titelbild: myboys.me/shutterstock.com
Reference: IME Frankfurt Bunte Welt Nachrichten

AdBlocker active! Please take a moment ...

Our systems reports that you are using an active AdBlocker software, which blocks all page content to be loaded.

Fair is fair: Our industry partners provide a major input to the development of this news site with their advertisements. You will find a clear number of these ads at the homepage and on the single article pages.

Please put www.quintessence-publishing.com on your „adblocker whitelist“ or deactivate your ad blocker software. Thanks.

More news

  
Was Dinozähne über das Leben vor 150 Millionen Jahren verraten
23. Jul 2025

Was Dinozähne über das Leben vor 150 Millionen Jahren verraten

Hinweise auf Migration, Umweltbedingungen und Nischenverteilung in Ökosystemen vor 150 Millionen Jahren
Empfehlungen zur Förderung akademischer Ausgründungen
22. Jul 2025

Empfehlungen zur Förderung akademischer Ausgründungen

Innovative biomedizinische Produkte und Technologien sollen möglichst zügig in die Anwendung gelangen
Wie gängige Medikamente Krankheitserregern den Weg ebnen
22. Jul 2025

Wie gängige Medikamente Krankheitserregern den Weg ebnen

Viele Nicht-Antibiotika schwächen die natürliche Schutzfunktion des Darms – krankmachende Bakterien können leichter ansiedeln
Ausbildung in diesem Jahr der beliebteste Bildungsweg nach der Schule
18. Jul 2025

Ausbildung in diesem Jahr der beliebteste Bildungsweg nach der Schule

Jugendliche haben häufig Vorurteile über das Gehalt – Schulen setzen vermehrt auf „Ausbildungsbotschafter“
Neue Stipendien-Infoseite hilft bei der Bewerbung
17. Jul 2025

Neue Stipendien-Infoseite hilft bei der Bewerbung

Universität des Saarlandes will Hemmschwelle beseitigen – der Weg zum passenden Stipendium
Größtes globales Sportfest für Studierende startet in Deutschland
16. Jul 2025

Größtes globales Sportfest für Studierende startet in Deutschland

FISU World University Games 2025: Spitzensport und akademische Gemeinschaft – Athletinnen und Athleten mit und ohne Beeinträchtigung
„Entwicklungen im Gesundheitswesen aktiv mitgestalten“
16. Jul 2025

„Entwicklungen im Gesundheitswesen aktiv mitgestalten“

BFS-Kampagne: „André taucht ein“ soll offenen Dialog über die Zukunft der Zahnmedizin fördern
Deutschlandstipendium – jetzt bewerben
15. Jul 2025

Deutschlandstipendium – jetzt bewerben

Uni Heidelberg: Förderung von monatlich 300 Euro – Bewerbungsfrist endet am 31. August