Während die Tuberkulose (TB) in Deutschland und anderen Industrienationen relativ selten geworden ist, erkranken vor allem in den ressourcenschwächeren Ländern Südostasiens, Afrikas und im westpazifischen Raum jedes Jahr rund 10 Millionen Menschen an der bakteriellen Infektion. Damit ist die TB derzeit die Infektionskrankheit, die weltweit zu den meisten Todesfällen führt.
Aus Anlass des jährlich am 24. März begangenen Welt-Tuberkulose-Tages hat das Deutsche Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) einige seiner Forschungen der vergangenen Monate zur Behandlung, Diagnose und Überwachung von Behandlungserfolgen sowie der Ausbreitung antibiotikaresistenter Tuberkulose vorgestellt.
Vermehrtes Aufkommen multiresistenter Tuberkuloseerreger
Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sterben jedes Jahr rund 1,6 Millionen Menschen an einer Infektion mit dem Tuberkuloseerreger, darunter 240.000 Kinder. Zu den Herausforderungen in der Bekämpfung der Krankheit und der Eindämmung ihrer weltweiten Verbreitung zählen das Fehlen wirksamer Impfungen und Medikamente gegen TB sowie das vermehrte Aufkommen von multiresistenten Tuberkuloseerregern. Auch die Prognose beziehungsweise Überwachung des Erfolgs individueller Behandlungen stellt die Ärzteschaft vor große Probleme.
Tuberkulose behandeln, wenn Antibiotika nicht mehr wirken
Ein Forschungsteam um den Infektiologen PD Dr. Jan Rybniker der Kölner Universitätsmedizin und des DZIF hat mit Partnern aus Frankreich neuartige, antibiotisch aktive Moleküle identifiziert, die den Tuberkuloseerreger M. tuberculosis angreifen und für den Menschen weniger gefährlich machen. Darüber hinaus ermöglichen einige der Substanzen eine erneute Behandlung mit Antibiotika – auch bei Stämmen des Erregers, die bereits Resistenzen entwickelt haben. Pressemitteilung zur Studie
Neuer Wirkstoff zur Behandlung der Tuberkulose
Gemeinsam mit internationalen Kolleginnen und Kollegen konnten Forschende der klinischen Tuberkuloseeinheit des DZIF (DZIF ClinTB) am Forschungszentrum Borstel, Leibniz Lungenzentrum, zeigen, dass der neuartige Wirkstoff Ganfeborol klinische Aktivitäten in Patientinnen und Patienten aufweist und ein vielversprechender Kandidat für eine sichere und effektive Behandlung der Lungentuberkulose sein könnte. Ganfeborol zählt zu einer neuen Antibiotikaklasse – den sogenannten „Leucyl-tRNA Synthetase Inhibitoren“ –, die die Neubildung wichtiger Proteine in den Bakterien verhindert und somit das Wachstum der Krankheitserreger hemmt. Weitere Informationen zum neuen Wirkstoff
Der Leibniz-Wirkstoff des Jahres 2023
Der Medikamenten-Kandidat BTZ-043 hat einen neuartigen Wirkmechanismus und gehört zu einer neuen Substanzklasse. Der am Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie entdeckte Wirkstoff wird seit 2014 in Zusammenarbeit mit dem Tropeninstitut am Klinikum der LMU München und der Hapila GmbH in Gera unter anderem im Rahmen des DZIF und des Konsortiums InfectControl 2020 entwickelt. BTZ-043 wurde 2023 zum Leibniz-Wirkstoff des Jahres gekürt. Pressemeldung zum Leibniz-Wirkstoff des Jahres 2023
Neue Hoffnung im Kampf gegen Tuberkulose
Unite4TB – eine internationale öffentlich-private Partnerschaft, deren Ziel es ist, die Entwicklung innovativer Tuberkulosebehandlungen zu beschleunigen – hat im November 2023 den Beginn ihres klinischen Studienprogramms der Phase IIb/c bekannt gegeben. Im Rahmen der innovativen Phase-IIb/c-Studien von Unite4TB werden 14 Kombinationen von neun bestehenden Medikamenten sowie zwei neu entwickelte Wirkstoffkandidaten (BTZ-043 und GSK656) getestet. Ziel ist es, Therapieschemata zu entwickeln, die die Behandlung von multiresistenter (MDR) sowie auch medikamentensensibler TB weiter verbessern können. Das DZIF und das LMU Universitätsklinikum München, eine Mitgliedseinrichtung des DZIF, spielen eine zentrale Rolle im Unite4TB-Konsortium. Mehr zu den neuen klinischen Studien von Unite4TB
Neue Antibiotikaresistenzen rechtzeitig erkennen und bekämpfen
Das Antibiotikum Bedaquilin wurde im Jahr 2014 speziell für die Behandlung einer multiresistenten TB zugelassen und ist seitdem ein wichtiger Baustein einer erfolgreichen TB-Therapie. Einige Erregerstämme haben jedoch bereits Resistenzen gegen diesen Wirkstoff entwickelt. Welche Mutationen im Erbgut der Bakterien diese Resistenz vermitteln, war bisher nur unzureichend bekannt. Mit evolutionsbiologischen Verfahren gelang es internationalen Forschenden unter der Leitung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des Forschungszentrums Borstel, Leibniz Lungenzentrum und des DZIF, neue und bisher unbekannte Resistenzmutationen zu klassifizieren. Dieses Wissen kann in Zukunft bei der molekularen Diagnostik eingesetzt werden, um Patientinnen und Patienten eine maßgeschneiderte Antibiotikatherapie zu ermöglichen. Mehr zur Klassifizierung der Antibiotikaresistenzen
Neues Tool erleichtert Tuberkulose-Diagnose bei Kindern
Weltweit sterben jährlich etwa 240.000 Kinder an TB. Damit gehört die Erkrankung zu den zehn häufigsten Todesursachen bei Kindern unter fünf Jahren. Einer der Hauptgründe ist, dass besonders in ressourcenschwachen Regionen die Erkrankung oft nicht richtig und nicht rechtzeitig diagnostiziert wird. Einen wichtigen Fortschritt kann nun ein neues Diagnostik-Tool bringen, das ein internationales Forschungskonsortium um die DZIF-Forschenden Laura Olbrich und Norbert Heinrich vom Tropeninstitut des LMU Klinikums München im Rahmen einer groß angelegten Studie in fünf Ländern getestet hat. Details zum neuen TB-Diagnostik-Tool
Besorgniserregende Ausbreitung multiresistenter Tuberkulose in Mosambik
Mit einer der höchsten TB-Inzidenzen (368 Fälle/100.000 Einwohner) in der afrikanischen Region ist Mosambik stark von der TB-Epidemie betroffen. Die unkontrollierte Übertragung von multiresistenten TB-Stämmen in Mosambik und anderen Teilen Afrikas stellt eine enorme Herausforderung für die TB-Bekämpfung im 21. Jahrhundert dar. Forschende eines internationalen Konsortiums unter der Leitung von DZIF-Wissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern am Forschungszentrum Borstel, Leibniz Lungenzentrum, untersuchten multiresistente TB-Stämme und fanden einen hohen Anteil an Resistenzen gegen zwei Schlüsselmedikamente aktueller Therapieschemata. Die Studie unterstreicht die Bedeutung einer wirksamen Diagnose und TB-Überwachung auf der Grundlage umfassender molekularbiologischer Methoden wie der Sequenzierungstechnologien. Pressemitteilung zur Studie
DZIF-Tuberkuloseforscher helfen ukrainischer Partner-Universität
Aufgrund des Krieges in der Ukraine stellt die Aufrechterhaltung von Unterricht für die Studierenden an der V. N. Karazin Kharkiv National University in Charkiw und anderen Universitäten des Landes eine große Herausforderung dar. Im Rahmen der von dem DZIF-Wissenschaftler Prof. Christoph Lange und dem DZIF-ClinTB-Team ins Leben gerufenen Online-Vortragsreihe „Tuberculosis and other Infectious Diseases“ unterrichten führende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Deutschland, Dänemark, Österreich, der Schweiz und den USA die Medizinstudierenden in der Ukraine zu den Themen Tuberkulose, HIV, COVID-19 und virale Hepatitis. Weitere Informationen zur internationalen Online-Vortragsreihe