Alter | 72 Jahre | ||
Geschlecht | männlich | ||
Raucher | nein | ||
Anamnese | Verschiedene internistische Erkrankungen; regelmäßige ärztliche Kontrolle und medikamentöse Behandlung | ||
Grund des Besuchs | Frontzahnkronen 12 bis 23 hatten sich zum wiederholten Mal gelöst; zunehmend eingeschränkte Kaufunktion durch stark abradierte Zähne; Bruxismus | ||
Diagnose | Lateraler Zwangsbiss; verbesserungswürdige Mundhygiene; Gingivalindex = 1,4; keine befestigte Gingiva an 23 bis 27; vereinzelt Taschensondierungstiefen ≥ 4 mm; Lockerungsgrad II bis III | ||
Therapie | freies Schleimhauttransplantat in Regio 24 bis 27; Entfernung Zahn 24; prothetische Bisshebung; Beseitigung des lateralen Zwangsbisses und Lückenschluss 24; Eingliederung einer Aufbissschiene mit adjustierter Okklusion |
Im Befund waren bis auf die dritten Molaren sowie Zahn 47 alle Zähne vorhanden und teilweise überkront bzw. mit Teilkronen und Inlays versorgt. Nicht überkronte Zähne zeigten generalisiert Abrasionen bzw. Attritionen, die mehrheitlich bis ins Dentin reichten (Attrition Score25 Grad 3 an > 30 % der Zähne). An den bestehenden Restaurationen, insbesondere im Oberkiefer, waren ausgeprägte Schlifffacetten erkennbar. Es lag eine markante Tiefbisssituation vor, was sich auch extraoral in einem verkürzten unteren Gesichtsdrittel bemerkbar machte.
Die unter den beengten vertikalen Platzverhältnissen eingegliederten prothetischen Restaurationen wiesen eine mangelhafte Retentions-und Widerstandsform auf und dezementierten dementsprechend häufig. Vor allem im Frontzahnbereich führte der Platzmangel auch zu einer kompromittierten Form der überkronten Zähne und damit zu einer gestörten Abbeisfunktion sowie einer mangelhaften Ästhetik.
Trotz der großen Abweichung zur zentrischen Kondylenposition war die Position vom Patienten muskulär adaptiert. Horizontal bestand ein prothetisch über die Frontzahnrestaurationen fixierter Zwangsbiss; zwischen zentrischer Kondylenposition (ZKP) und habitueller Interkuspidationsposition (IKP) zeigte sich ein Abgleiten des Unterkiefers von > 5 mm nach anterior links. Die Mundhygiene des Patienten war verbesserungswürdig. Das Zahnfleisch wies lokalisiert eine moderate Blutungstendenz (Gingivalindex16 = 1,4) auf. An den Zähnen 23 bis 27 lag keine befestigte Gingiva vor, was u. a. eine adäquate Mundhygiene in diesem Bereich erschwerte. Vereinzelt wurden Taschensondierungstiefen ≥ 4 mm gemessen. Zahn 24 wies einen röntgenologischen Attachmentverlust > 50 % auf und war stark gelockert (Lockerungsgrad II bis III).
Zunächst wurde das Ausmaß der Bisshebung im Artikulator mit Hilfe eines Wax-ups in ZKP simuliert.
Die Frontzahnästhetik erscheint harmonisch (links). Situation mit eingegliederter Bisshebungs-/Zentrikschiene. Man beachte die Kongruenz zwischen Ober- und Unterkiefermitte (blaue Markierungen, rechts). Das Ausmaß der Bisshebung wurde dem Patienten mit Hilfe eines Mock-ups intraoral demonstriert und über eine von diesem 24 Stunden pro Tag für 3 Monate getragene, nur zum Essen ausgegliederte Schiene getestet. Insgesamt wurden die (Neu-)Überkronung der Zähne 16 bis 22, 26, 27, 37 und 36 sowie der Ersatz des Zahnes 24 mittels einer 3-gliedrigen Endpfeilerbrucke geplant. Als Restaurationsmaterial sollte hochtransluzentes Zirkonoxid mit vestibulären Verblendungen in der ästhetischen Zone zum Einsatz kommen. Außerdem war geplant, die Front-und Eckzähne des Unterkiefers mit zahnfarbenem Komposit im direkten Verfahren sowie die Zähne 35 und 34 im indirekten Verfahren umzuformen.
Kaum Vestibulum im Bereich der Zähne 24 bis 27 aufgrund eines Mangels an befestigter keratinisierter Gingiva (links). Ein breites Band befestigter Gingiva nach freier Schleimhauttransplantation in Regio 24 bis 27 unterstützt die Schaffung entzündungsfreier Verhältnisse (rechts). Im Zuge der Vorbehandlung wurde die Mundhygiene des Patienten verbessert, die parodontale Situation stabilisiert sowie eine chirurgische Kronenverlängerung an den Zähnen 12 bis 23 und ein freies Schleimhauttransplantat in Regio 24 bis 27 durchgeführt.
Oben: Situation vor dem Einschleifen. Rot: Zentrikkontakte ohne Provisorium 24(B)-25-26, blau: isolierter Kontakt auf dem Provisorium. Unten: Situation nach dem Einschleifen der Schiene. Alle Zähne weisen in Zentrik einen gleichmäßigen Kontakt zur Schiene auf, und Zentrikkontakte mit (rot) bzw. ohne Provisorium (blau) sind deckungsgleich. Nach dem Abheilen und im Anschluss an eine 3-monatige Schienenphase begann die restaurative Therapie. Im Anschluss an die Entfernung des insuffizienten Kronenblocks 12 bis 23 und der Karies wurden die Zähne mittels eines dualpolymerisierenden Komposits wiederaufgebaut, zur Aufnahme von Kronen präpariert und mit stuhlgefertigten Provisorien aus einem dualpolymerisierenden zahnfarbenen Komposit versorgt. Angesichts der geringfügigen Defektsituation wurde Zahn 27 davon abweichend zur Aufnahme einer Teilkrone präpariert.
Die Oberkieferprovisorien erlauben nicht nur die funktionelle und ästhetische Evaluation der prospektiven Restaurationen, sondern sichern auch die über die Schiene im Vorfeld erprobte horizontale und vertikale Kieferrelation. Die Schiene wurde entsprechend der Kontur der Provisorien sukzessive reduziert, um die im Vorfeld erprobte horizontale und vertikale Kieferrelation über die gesamte Behandlung hinweg zu erhalten. Mit Eingliederung des letzten Provisoriums im Oberkiefer war die Schiene dann überflüssig.
Zur Darstellung der Präparationsgrenze wurde ein mit Eisen-III-Sulfat getränkter Faden der Größe 00 verwendet. Die Präzisionsabformung des Oberkiefers erfolgte in Doppelmischtechnik mittels Polyethermaterialien. Die gewonnenen Superhartgipsmodelle wurden in ZKP schädelbezuglich einartikuliert. Dabei orientierte sich die Sperrung des Artikulators an dem beim Patienten mit eingegliederten Provisorien ermittelten intersulkulären Abstand der antagonistischen Zahnpaare, wodurch die erprobte Vertikale unkompliziert auf die definitiven Restaurationen übertragen werden konnte. Letztere wurden anschließend in einem CAD/CAM-Prozess gefertigt.
Nach vollanatomischer Konstruktion der Kronen und des Brückenzwischengliedes erfolgte im Bereich der Zähne 15 bis 25 gemäß einem virtuellen Cut-back-Verfahren die Schaffung von Platz für eine vestibuläre Verblendung. Zwischenzeitlich wurde ein vollanatomisches PMMA-Mock-up der geplanten Situation gefertigt und klinisch in Bezug auf die Form und Stellung der Zähne, die Orientierung der Front- und Seitenzahnebenen wie auch die Kieferrelation evaluiert.
Die definitiven Restaurationen wurden aus vorgesintertem hochtransluzentem Zirkonoxid gefräst, endgesintert und im Rahmen einer Gerüstanprobe klinisch evaluiert. Im Dentallabor erfolgten dann eine Glättung eingeschliffener Bereiche mittels Fein-und Feinstkorndiamanten (30 μm und 15 μm) unter Wasserkühlung sowie eine seidenmatte Politur der Restaurationen. Danach wurden diese bemalt, wo vorgesehen in Schichttechnik verblendet und abschließend Glasiert.
Deutliche Hartsubstanzverluste durch Abrasion und Attrition an den Unterkieferfrontzähnen (links). Frontzähne nach Schneidekantenaufbau mit direktem Komposit (rechts). An eine erneute klinische Anprobe schlossen sich die definitive Befestigung der Kronen bzw. der Brücke mittels eines selbstadhäsiven Zements und im Rahmen eines Folgetermins der Aufbau der Unterkieferfrontzähne mit direktem Komposit unter Zuhilfenahme eines auf dem Wax-up-Modell gefertigten Silikonschlüssels an.
Nach einer kurzen Behandlungspause erfolgte die prothetische Rehabilitation des Unterkiefers, welche die Neuüberkronung der Zähne 37 und 36 sowie die Versorgung der Zähne 35 und 34 mit indirekt gefertigten okklusalen Kompositveneers vorsah. Im Anschluss an die Kronenentfernung (EKR) stellten sich an den Zähnen 37 und 36 kariesfreie Verhältnisse dar, weswegen auf einen Austausch der suffizienten Aufbaufüllungen verzichtet werden konnte. Die Zähne wurden nachpräpariert und der Unterkiefer mittels Polyvinylsiloxanmaterialien in Doppelmischtechnik abgeformt. Nach schädelbezüglicher Einartikulation der resultierenden Modelle in maximaler IKP erfolgte analog zum Vorgehen im Oberkiefer die Anfertigung der Kronen aus hochtransluzentem Zirkonoxid. Die Kompositveneers wurden aus einem Verblendkomposit miteinander verblockt modelliert.
An eine entsprechende Anprobe schloss sich das Einsetzen der Kronen mittels eines selbstadhäsiven Zements an, wozu die Kroneninnenflachen mit 1 bar korundgestrahlt (50 μm) wurden. Die Dentinflächen wurden mit einer Zirkonsilikatpaste gereinigt und nach Absprühen mit Wasserspray feuchtglänzend getrocknet. Das Befestigen der Kompositveneers erfolgte volladhäsiv. Schmelzanteile wurden hierfür zunächst angeraut und für 10 Sekunden selektiv mit 37%iger Phosphorsaure geätzt sowie die Kompositveneers vorsichtig mit 1 bar korundgestrahlt (50 μm). Die Verblockung erleichterte die Positionierung der Veneers beim Einsetzen und wurde im Anschluss daran unter Zuhilfenahme einer Sägematrize aufgelöst. Die Zähne 15 bis 27, 37 und 36 waren mit hochtransluzentem Zirkonoxid, die Zähne 35 und 34 mit indirektem und die Zähne 33 bis 43 mit direktem Komposit funktionell und ästhetisch rehabilitiert. Funktionell lagen eine Front-Eckzahn-Führung und in IKP gleichmäßige Kontakte auf allen Zähnen vor, wobei die IKP der ZKP entsprach; die Ruhelage betrug 2 mm.
Zusammenfassung | Im vorliegenden Fall wurde bei der prothetischen Rehabilitation eines Abrasionsgebisses großer Wert auf ein defektadäquates Vorgehen gelegt. In diesem Zusammenhang gelang es u. a. mit Hilfe von monolithischen Restaurationen aus Zirkonoxid der 3. Generation, den Patienten unter Schonung der noch vorhandenen Zahnhartsubstanz funktionell und ästhetisch zufriedenstellend zu rehabilitieren. Durch den Verzicht auf okklusale keramische Verblendungen sollte zudem technischen Komplikationen wie z. B. Chipping vorgebeugt werden. Um den langfristigen Erfolg der getroffenen Maßnahmen zu gewährleisten, wurde der Patient in ein Recallsystem aufgenommen. Halbjährlich stattfindende Nachsorgesitzungen dienten dazu, Zähne und Restaurationen zu untersuchen, die parodontale Situation zu überwachen und den Patienten kontinuierlich zu einer effektiven Mundhygiene anzuleiten und zu motivieren. (Quelle Originalbeitrag: Waldecker M, Mattikau O, Bömicke W. Prothetische Rehabilitation eines Abrasionsgebisses unter Verwendung von hochtransluzentem Zirkonoxid. Quintessenz 2019;70(02):160-173.) |
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