Einführung: Trotz der Integration medikamentös induzierter gingivaler Hyperplasien (MIGH) als Form der plaqueinduzierten Gingivitis in die aktuelle Klassifikation für parodontale Erkrankungen von 2018 gibt es gegenwärtig nur wenige wissenschaftliche Erkenntnisse zu Auftreten, Diagnostik und Therapie in deutschen zahnärztlichen Praxen. Erstes Ziel einer zweigeteilten Umfragestudie war es, den aktuellen Wissensstand und das Vorgehen bei MIGH in der zahnärztlichen Praxis zu evaluieren.
Methode: Mittels eines Onlinefragebogens (Ethikvotum: D524/22) wurden von Oktober bis Dezember 2022 Zahnärzte/-innen (ZA) und weitergebildetes zahnmedizinisches Prophylaxepersonal (PP) deutschlandweit befragt. Nach Einwilligung zur anonymisierten Datenerhebung wurden mithilfe eines dreiteiligen Fragebogens, bestehend aus 27 Items, demografische Informationen (z. B. Berufserfahrung, Spezialisierung), Charakteristika der bereits behandelten MIGH-Fälle (z. B. Häufigkeiten, Therapieausgang, Kooperationen) und konkretes Wissen sowie das bisher genutzte Therapiekonzept erfasst und vorwiegend deskriptiv ausgewertet.
Ergebnisse: Es nahmen 44 ZA und 33 PP an der Umfrage teil (Responserate 14,4 %). Die Relevanz der MIGH schätzten sowohl die ZA als auch die PP mit 27,2 % als „hoch“ ein. Der persönliche Wissensstand wurde von den ZA in 31,8 % (PP 12,1 %) als „gut“ bewertet; im Durchschnitt wurden 3,1 von 11 richtigen Antworten im Wissenstest gegeben. 66 % der ZA gaben an, ≤ 5 Fälle/Jahr zu befunden/behandeln (PP 84,8 %). Die Mehrheit berichtete, dass meist ein Therapieerfolg erzielt wird (ZA 90 %; PP 75,7 %), jedoch nur selten im Rahmen „regelmäßiger“ interdisziplinärer Zusammenarbeit (ZA 25 %; PP 21,2 %).
Schlussfolgerung: Die Studienergebnisse weisen eine Diskrepanz zwischen der in Deutschland wachsenden Menge verschriebener Arzneimittel mit der Nebenwirkung „MIGH“ und der somit eigentlich anzunehmenden steigenden MIGH-Prävalenz in der zahnärztlichen Praxis auf. Möglicherweise liegt dies auch an den konstatierten Wissenslücken in Befund, Diagnose und Therapie der befragten Berufsgruppen, weshalb dringend neben vermehrten spezifischen Fortbildungsangeboten zum Thema MIGH die interdisziplinäre Zusammenarbeit für eine patientenindividualisierte Versorgung verbessert werden sollte.
Schlagwörter: gingivale Hyperplasie, medikamentenassoziierte Gingivawucherung, Onlineumfrage, zahnärztliche Praxis