Einleitung: Hermann Wolf erlangte als Hochschullehrer und als Präsident der DGZMK große Popularität, die bis heute nachwirkt. Dennoch sind seine konkreten Beiträge zur Entwicklung der Zahnheilkunde nur wenig bekannt. Noch geringer ist das Wissen um sein Verhältnis zum Nationalsozialismus. Vor diesem Hintergrund widmet sich dieser Beitrag Wolfs fachlichem Œuvre, seinen Entwicklungen und Entdeckungen und insbesondere seiner Rolle im „Dritten Reich“.
Material und Methode: Wissenschaftliche Grundlage der Studie sind archivalische Aktenbestände und ein autobiografisches Dokument Wolfs mit Bezug auf das Jahr 1945. Zudem erfolgte eine vollständige Auswertung der zu Wolf verfügbaren Sekundärliteratur (Biografien, lexikalische Beiträge, Fachaufsätze, Laudationes und Nachrufe).
Ergebnisse: Wolf war nicht nur ein führender zahnärztlicher Hochschullehrer und Standespolitiker, sondern auch ein Wegbereiter der postgradualen Ausbildung und ein erfindungsreicher Entwickler. Allerdings erlangte das Gros seiner Innovationen im Fach Zahnheilkunde nur passagere Bedeutung. Zeitgenossen betonten zudem seine hohe Sozialkompetenz sowie seine internationale Vernetzung. Seine Rolle im „Dritten Reich“ war komplex. Wolf trat der NSDAP bei, wurde jedoch 1942 aus der Partei ausgeschlossen, weil seine Frau nicht „rein deutschblütig“ war. Gleichwohl erlitt er bis 1945 keinen Karrierebruch.
Diskussion und Schlussfolgerung: Wolf bietet ein prototypisches Beispiel für Diskrepanzen zwischen zeitgenössischer und retrospektiver Wahrnehmung: Während er seinerzeit als Promotor der postgradualen Ausbildung, als vorbildlicher akademischer Mentor und als ingeniöser Entwickler angesehen wurde, wird er heute vornehmlich als fachlich vielseitiger DGZMK-Präsident österreichischer Herkunft erinnert. Daneben zeigt sein Fall, dass ein Ausschluss aus der NSDAP nicht zwangsläufig mit beruflicher und sozialer Degradierung einherging. Vielmehr belegen die Berufungsverfahren im Fach Zahnheilkunde, dass Wolf noch bis zum Ende des „Dritten Reichs“ für herausgehobene Positionen in Betracht gezogen wurde.
Schlagwörter: DGZMK, Endodontie, Kieferchirurgie, Nationalsozialismus, NSDAP