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Ein optimiertes Konzept beinhaltet das sukzessive Knochenremodelling, CAD/CAM-gefertigte Aufbauten und einen digitalen Workflow

Das biomechanische Verhalten eines Implantats und die periimplantären Mukosaverhältnisse unterscheiden sich bekanntermaßen vom parodontalen Gewebe an einem Zahn. Mit diesem Hintergrund und dem Wissen um die biologische Breite stellen die Autoren Dr. Friedemann Petschelt und ZTM Thomas Kraußeneck in ihrem Beitrag für die Implantologie 1/20 ein implantatprothetisches Versorgungskonzept vor, das die mittlerweile gewonnenen Erkenntnisse der modernen Implantologie berücksichtigt und dabei noch einen erheblichen Zeitgewinn erzielt. Das Verfahren ermöglicht ein sukzessives Knochenremodelling, eine Zahnersatzadaptation für den Patienten, den Einsatz CAD/CAM-gefertigter Aufbauteile sowie auch einen digitalen Workflow. Das Ziel, möglichst selten Komponenten ins Implantat ein- und ausschrauben zu müssen und die definitiven Abutments bei der ersten prothetischen Sitzung verfügbar zu haben und endgültig einschrauben zu können, ohne dabei an Präzision bei der Restauration zu verlieren, wird damit erreicht. Es kann bei allen anfallenden Indikationen ohne neue finanzielle Investitionen angewendet werden.

In keiner anderen Disziplin der Zahnmedizin schreitet die Entwicklung so schnell voran wie in der Implantologie. Ziel der Zeitschrift ist es, dem Fortbildungsangebot im Bereich der Implantologie durch die Veröffentlichung praxisbezogener und wissenschaftlich untermauerter Beiträge neue und interessante Impulse zu geben und die Zusammenarbeit von Klinikern, Praktikern und Zahntechnikern zu fördern. Mehr Infos zur Zeitschrift, zum Abo und zum Bestellen eines kostenlosen Probehefts finden Sie im Quintessenz-Shop.

Einleitung

Die implantologische Behandlung lässt sich in einen chirurgischen und einen prothetischen Abschnitt aufteilen. Das, was der Patient sieht und subjektiv beurteilen kann, ist der Zahnersatz, sodass der Erfolg einer zahnärztlich-implantologischen Behandlung vonseiten der Patienten in erster Linie durch die Prothetik gekennzeichnet ist1. Daher erscheint es umso wichtiger, diesem Teilgebiet der Implantologie die notwendige Wertschätzung entgegenzubringen. Während wir Zahnärzte mit der Vorgehensweise bei der konventionellen Prothetik bestens vertraut sind, entstehen bei der Implantatprothetik doch immer wieder Fragen und  Unsicherheiten.

In der folgenden Arbeit wird unter anderem auf die Unterschiede, die zweifellos zwischen Restaurationen auf Zähnen beziehungsweise auf Implantaten bestehen, eingegangen. Hieraus ergibt sich dann als logische Konsequenz auch ein geändertes beziehungsweise angepasstes Behandlungsprotokoll, das aufgezeigt werden soll. Das „One-Abutment/One-Time“-Konzept hat neben einer Vereinfachung im Behandlungsablauf und der Berücksichtigung der durch die Natur vorgegebenen Parameter viele Vorteile und kann zum Langzeiterfolg einer Implantatbehandlung entscheidend beitragen2,3. Es ist davon auszugehen, dass durch den bewussten und schonenden Umgang mit der Mukosamanschette ein erheblicher Schutz vor Schäden am periimplantären Gewebe oder sogar vor einer sich einstellenden Periimplantitis erreicht wird4,5.

Klinisches Prozedere

Mit der Freilegungsoperation nach Einheilungszeit und erfolgreicher Osseointegration beginnt der prothetische Teil der Implantattherapie. Diese, wenn die Situation es erlaubt, immer möglichst minimalinvasiv gehaltene Sitzung, kann und sollte mehr beinhalten als nur für die Eröffnung der Implantate6,7. Wir nehmen dabei den endgültigen individuellen Abdruck oder bei digitalem Vorgehen den Intraoralscan mit entsprechenden Scanbodies (Abb. 1 und 2). Eine einfache Okklusionsregistrierung ermöglicht dem Zahntechniker die Modellherstellung und Einartikulation. Seit vielen Jahren haben sich Kunststoff-Einmalabdrucklöffel bestens bewährt. Diese können je nach Pfeilerposition für die „Pick-up-Technik“ mit Perforationen für die langen Abdruckschrauben individualisiert werden (Abb. 3 und 4). Somit ist es möglich, den Umweg über die Herstellung eines laborgefertigten individuellen Abdrucklöffels zu umgehen und eine weitere Behandlungssitzung mit Zeitverlust zu vermeiden. Der Patient kann mit Gingivaformern zum Schutz des Implantats und dessen Innen­gewindes sowie zur Stützung der Mukosa die Praxis verlassen (Abb. 5).

Die bereits vorhandenen Provisorien oder In­terimslösungen müssen im Bereich der Gingivaformer hohl- beziehungsweise ausgeschliffen und können bis zur nächsten Konsultation unverändert getragen werden.

In aller Regel wird zwei Wochen gewartet, um die Behandlung fortzuführen. In dieser Zeit können durch die Zahntechnik ohne großen Zeitdruck die individuell angepassten Abutments, die definitiven Gerüste, ein Übertragungsschlüssel sowie einfache, ohne viel Aufwand hergestellte Langzeit­provisorien angefertigt werden (Abb. 6).

Dies gilt für alle anfallenden Indikationsbereiche wie die Einzelzahnversorgung, auch im ästhetisch wichtigen Bereich, bei reduziertem Restbestand und bei Freiendsituation. Lediglich bei zahnlosen Kiefern wird eine exakte Kieferrelationsbestimmung in einer weiteren Behandlungseinheit erforderlich. Jedoch wird auch bei dieser Sitzung kein Gingivaformer entfernt, der schonende Umgang mit dem Weichgewebe steht stets im Vordergrund. Dieser Arbeitsschritt kann zudem folgendermaßen deutlich vereinfacht werden8:

Dem Zahntechniker werden mindestens drei identische Gingivaformer, die auch im Mund des Patienten an festgelegten Implantatpositionen eingebracht sind, mitgegeben. Darüber kann nun eine Kieferrelationsplatte eventuell mit provisorischer Frontzahnaufstellung hergestellt werden (Abb. 7 und 8). Diese Registrierplatte besitzt in aller Regel, ohne einen Schraubendreher in die Hand nehmen zu müssen, einen gewissen „Schnappeffekt“ über die weiterhin im Mund verbleibenden Gingivaformer. Mit diesem posi­tionsstabilen Registrierbehelf kann ohne Irritation des Patienten eine exakte Kieferrelation in der gewünschten Dimension verschlüsselt werden (Abb. 9).

Beim nächsten Termin in der Praxis, der eigentlichen ersten prothetischen Sitzung nach der Freilegung, steht alles für eine sichere und den Patienten zufriedenstellende Rehabilitation zur Verfügung. Die Wundverhältnisse sind regeneriert, eine Epithelisierung der Mukosatasche hat noch nicht stattgefunden (Abb. 10). Der Wunsch, das definitive Abutment bereits jetzt einzuschrauben und anschließend nicht mehr entfernen zu müssen – getreu dem Motto „One-Abutment/One-Time“ –, kann uneingeschränkt erfüllt werden (Abb. 11). Die definitiven individuell angefertigten Abutments werden mithilfe des Einsetzschlüssels endgültig mit dem vorgeschriebenen Drehmoment eingeschraubt (Abb. 12 und 13). Das zumeist durch Fräsvorgang gewonnene Gerüst, aus welchem Material auch immer, kann aufgesteckt und darüber eine präzise Okklusions­verschlüsselung vorgenommen werden. Über dieses Gerüst muss nun ein Überabdruck oder ein Intraoralscan erfolgen, da dem Techniker die Abutments (diese verbleiben schon im Mund) nicht mehr im Modell vorliegen (Abb. 14). Dabei werden auch die aktuellen Weichteilverhältnisse abgebildet.

Anschließend wird ein neues Modell mit entsprechenden Stümpfen zur Aufnahme der Gerüste und der folgenden Fertigstellung durch den Zahntechniker erstellt. Dieses Modell mit den meist in Kunststoff gearbeiteten Stümpfen kann später bei der Zementierung zugleich einen Zementschlüssel bilden. Damit kann ein zu großer Zementüberschuss, der sich im Sulkus verfangen könnte, vermieden werden.

Der Patient kann die Praxis mit den semipermanent eingesetzten Langzeitprovisorien auf den endgültigen Abutments verlassen (Abb. 15). Dieser therapeutische Zahnersatz dient zur Adaptation des Patienten an die neue Situation. Diverse Änderungen, die bei der nun folgenden zahntechnischen Herstellung des definitiven Zahnersatzes gleich berücksichtigt werden können, sind gut realisierbar.

Einige Wochen später kann die implantologische Behandlung mit Entfernung der Provisorien und Eingliederung des fertiggestellten endgültigen Zahnersatzes beendet werden (Abb. 16). Man kann zusammenfassen, dass die Implantatprothetik in zwei bis drei Sitzungen abgeschlossen ist (Abb.17 und 18).

Wenn eine Abformung oder ein Intraoralscan während der Implantation gemacht wird, könnten innerhalb der Osseointegrationsphase für die Freilegung, insbesondere bei Schaltlücken, das individuelle Abutment, der Einsetzschlüssel, das finale Gerüst, Langzeitprovisorien oder die endgültige Krone beziehungsweise Brücke bereits hergestellt werden (Abb. 19). Dies würde den Einsatz eines Gingivaformers komplett erübrigen. Damit wäre ein einmaliges Einbringen des Abutments umsetzbar, ohne je einen Gingivaformer verwendet zu haben (Abb. 20).

Diskussion

Neuerungen mit Umstellung von festgefahrenen Prozessketten im täglichen Behandlungsablauf setzen sich bekanntermaßen nur schwer durch. Unabdingbare Voraussetzungen für neue Technologien sind:

  • Neue Erkenntnisse können mit vorhandener Technik nicht mehr umgesetzt werden.
  • Neue Technik ergibt mindestens gleiche oder bessere Qualität.
  • Die Kostenstruktur sollte erhalten bleiben.
  • Neue Technik ist einfacher und anwenderfreundlicher9.

Nachdem all diese Bedingungen in dem hier vorgestellten Konzept uneingeschränkt zutreffen, scheint eine Anpassung der bislang herkömmlich ausgeführten Behandlung angebracht, auch wenn dies im bisherigen Praxisablauf nicht leicht umzusetzen ist.

Abb. 21 Vorteile zeitgemäßer Implantatprothetik nach dem „One-Abutment/­One-Time“-Konzept.
Abb. 21 Vorteile zeitgemäßer Implantatprothetik nach dem „One-Abutment/­One-Time“-Konzept.
Es gilt, die unterschiedlichen biologischen, biodynamischen und -mechanischen Eigenschaften des Implantats im Vergleich zum natürlichen Zahn nach dem derzeitigen Stand des implantologischen Wissens optimal zu beachten beziehungsweise in den Therapieablauf einzubringen (Abb. 21).

Viele namhafte Referenten und auch die einschlägige anerkannte Literatur befassen sich zunehmend mit der Durchtrittsstelle des Implantats in die Mundhöhle7,9–15. Dabei besteht eindeutiger Konsens, dass die Mukosamanschette wegen des minderwertigen, schlecht vaskularisierten und narbenähnlichen Zustands äußerst schonend behandelt werden sollte. Es ist wichtig, ein häufiges Wechseln von Aufbauelementen zu vermeiden, da die zunächst vorliegende bindegewebige Anhaftungszone gestört wird, sodass das Epithel über die Oberfläche des Verbindungsstücks bis zum enossal verankerten Implantat proliferieren kann16.

Nur eine noch nicht vollständig abgeschlossene Epithelisation der Tascheninnenwand kann einen histologisch gesicherten hemidesmosomalen Anschluss an die Abutmentunterseite ermöglichen11,17,18. Diese von der Stabilität her mit einem parodontalen Ligament am Zahn nicht zu vergleichende Barriere ist nur bei regenerationsfähiger Mukosaoberfläche erzielbar. Dabei ist übrigens auch eine Sondierung, wie sie bei Zähnen üblicherweise durchgeführt wird, in dieser Region kritisch zu sehen16. Man kann in einem ersten Schritt eher an ein sanftes Ausstreichen des Sulkus denken, um eventuell erste Anzeichen einer Entzündung oder Blutung zu erkennen16,19–23. Sicherlich leistet diese durch das vorgestellte Verfahren möglich gewordene Barriere einen erheblichen Beitrag zur Vermeidung von Bakterieneintritt Richtung Knochenniveau und ist damit eine echte Peri­implantitisprophylaxe14,24.

Kenntnisse der biologischen Breite im Bereich der Implantatdurchtrittsstelle müssen bei einer modernen prothetischen Behandlung Berücksichtigung finden. Ein Anarbeiten gegen diese durch die Natur vorgegebenen bekannten Parameter kann den Langzeiterfolg nicht mehr gewährleisten und sogar gefährden. Ohne Einschränkung kann man sagen, dass individuelle per CAD/CAM hergestellte anatomische Abutments mittlerweile die konventionellen Abutments verdrängt haben und das Mittel der Wahl sein sollten25–28. Die Gestaltung des Kronenrands mit der Präparationsgrenze am individuellen Abutment kann der Situation, sprich der biologischen Breite, optimal angepasst werden29–32. Sowohl diese Abutments als auch die endgültigen Gerüste, die auf den Originalteilen passgenau nach CAD/CAM-Schema erstellt wurden, vereinen viele Vorteile. Zum einen können sie unkompliziert eingesetzt werden, zum anderen sind sie in der ersten prothetischen Sitzung verfügbar. Die Präzision mit exakter Verarbeitung ist dadurch gewährleistet.

Dieses vereinfachte Protokoll, das eine zeitgemäße Implantatprothetik ermöglicht, kann sofort in den Praxisalltag, ohne mit weiteren Investitionen verbunden zu sein, übernommen werden. Der mehr und mehr aufkommende digitale Workflow ist uneingeschränkt umsetzbar.

Neben der digitalen Möglichkeit ist auch der Zeitfaktor für Patient und Zahnarzt ein wichtiger Bestandteil in der Zahnheilkunde. In dem beschriebenen Prozedere sind, ohne Qualität beziehungsweise Passgenauigkeit einzubüßen, bei allen auftretenden Indikationen wie Einzelzahnversorgung, reduziertem Restzahnbestand, Freiend­lücken oder Zahnlosigkeit nur zwei beziehungsweise drei prothetische Behandlungssitzungen erforderlich33,34. Nach der Freilegung sind in der ersten prothetischen Folgebehandlung die endgültigen individuellen Abutments vorhanden und können definitiv mit dem empfohlenen Drehmoment eingeschraubt werden. Das mehrmalige Aus- und Eindrehen von Aufbaukomponenten entfällt. Das bedeutet im Vergleich zur traditionellen Vorgehensweise nicht nur eine enorme Zeitersparnis, sondern auch einen Vorteil für Behandler und Patienten.

Da in das Implantat letztlich nur einmal ein Gingivaformer eingesetzt werden muss, ist eine Abnützung des Implantatinnengewindes auf ein Mindestmaß reduziert. Mit einer intakten Befestigungsschraube kann man immer die nötige Spannung für das empfohlene Drehmoment erreichen und mechanische Probleme wie Schraubenlockerungen verringern12,35,36.

Die Beachtung der wissenschaftlich anerkannten Größe der biologischen Breite um Implantate sichert eine ungestörte, möglichst wenig manipulierte Weichgeweberegeneration und nicht zuletzt aus diesem Grund, vorausgesetzt die Implantate stehen an korrekter Position, den Langzeiterfolg mit stabilen periimplantären Verhältnissen. Nachdem die durch die Natur vorgegebenen anatomischen Gesetzmäßigkeiten Berücksichtigung finden, werden auch die ästhetischen Patienten- und Behandlerwünsche langfristig erfüllt36.

Die Eingliederung des laborgefertigten provisorischen Zahnersatzes auf die endgültigen Abutments führt schon zu diesem Zeitpunkt zu befriedigenden Zuständen beim Patienten. Der Zeitdruck ist genommen. Diese Provisorien werden gering außer Kontakt gearbeitet, um eine Knochenadaptation im Sinne des „Progressive Bone Loading“ zu erzielen4,13,14. Die Gefahr der Überbelastung des Interfaces zwischen Implantat und Knochen kann minimiert werden11. Häufig können in der mehrwöchigen Einheilungsphase an diesem sozusagen therapeutischen Zahnersatz Problembereiche, die sich für Patienten zunächst störend auswirken, korrigiert und dann am definitiven Zahnersatz schon bei der Herstellung im Zahnlabor entsprechend verarbeitet werden. Das häufige Ändern am finalen, mit Mühe durch die Zahntechnik angefertigten Zahnersatz entfällt.

Fazit

Es kann festgestellt werden, dass das unterschiedliche biomechanische Verhalten eines Implantats im Gegensatz zu einem Zahn und die schlechtere Widerstandsfähigkeit der Mukosa bei Implantaten im Vergleich zum parodontalen Gewebe eines Zahns in der modernen Implantatprothetik Berücksichtigung finden sollte6. Diese Forderung wird durch das vorgestellte Versorgungsprotokoll, bei dem das Wechseln von Implantataufbaukomponenten minimiert werden konnte, erfüllt. Zudem bietet das Konzept weitere erhebliche Vorteile, wie zum Beispiel Zeitersparnis und Möglichkeit der sukzessiven Krafteinleitung in den Knochen, und damit einen deutlichen Benefit für Patient und Behandler.

Ein Beitrag von Dr. Friedemann Petschelt und ZTM Thomas Kraußeneck, beide Lauf

Literatur auf Anfrage über news@quintessenz.de

Implantologie Implantatprothetik

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