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29. DGAZ-Jahrestagung in Hamburg mit Schwerpunkt „Prothetische Versorgung bei Gebrechlichen und Pflegebedürftigen“

Mitten drin statt nur dabei – das trifft sowohl auf das spektakuläre Ambiente des Hamburger Hafens als Tagungsort als auch auf das Thema der 29. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für AlterszahnMedizin (DGAZ) Mitte Juni zu: die angemessene „Prothetische Versorgung bei Gebrechlichen und Pflegebedürftigen“ kann zu einer deutlichen Steigerung der Lebensqualität Betroffener beitragen. DGAZ-Präsidentin Prof. Dr. Ina Nitschke, MPH, (Leipzig) begrüßte im Hotel Hamburger Hafen mit Blick auf Landungsbrücken und Elbphilharmonie rund 200 Kongressteilnehmer.

Acht neue Spezialisten für SeniorenzahnMedizin

Der Kongress fand gemeinsam mit der 3. Sonderfortbildung AlterszahnMedizin der Zahnärztekammer Hamburg statt. Das Kongressprogramm näherte sich dem Thema unter Berücksichtigung ganz unterschiedlicher Aspekte, von der richtigen Kommunikation des Praxisteams mit dementen Patienten, die unterschiedlichen Stadien einer demenziellen Erkrankung über die Vorteile einer unzerbrechlichen Nylon-Prothese bis hin zur Versorgung multimorbider Patienten.

Auch der „Politische Pflegefall Mundhygiene" und die Forderung nach neuen Bema-Positionen für Menschen mit besonderem Versorgungsbedarf wurden diskutiert. Im Rahmen der angeschlossenen DGAZ-Mitgliederversammlung konnten acht neue Spezialisten für SeniorenzahnMedizin (SZM) durch den langjährigen Vorsitzenden der Prüfungskommission und DGAZ-Ehrenmitglied, Dr. Klaus-Peter Wefers, ausgezeichnet werden.

Für fitte Senioren geplant, von gebrechlichen Senioren getragen

Alter an sich sei kein Risikofaktor für Implantate, erklärte Prof. Dr. Torsten Mundt (Greifswald) zum Auftakt. Sein Vortrag „Implantatgestützter Zahnersatz für fitte Senioren geplant und von gebrechlichen Senioren getragen“ stellte die Notwendigkeit heraus, Periimplantitis und Implantatverluste besonders bei Pflegebedürftigen zu vermeiden, was angesichts der Pflegesituation in Deutschland erschwert werde. Aus prothetischer Sicht könne die tägliche Pflege der Rekonstruktionen erleichtert werden, wenn im Sinne einer strategischen Implantatvermehrung (zum Beispiel auch mit einer ausreichenden Anzahl von Einzelimplantaten und einer gerüstverstärkten Prothese), chirurgischen Anpassungen (zum Beispiel keine Planierung des Kiefers oder Augmentation) und einer einfachen Umbaubarkeit der Rekonstruktion (zum Beispiel semi-definitive Zementierung) versorgt und regelmäßig im Recall nachgesorgt werde.

Die richtige Wahl des Materials für den Zahnersatz stand im Mittelpunkt des Referats „So einfach und effektiv wie möglich: Modellguss, PEER oder Polyamid? Versorgung von Gebrechlichen und Pflegebedürftigen mit Teilprothetik im geriatrischen Workflow" von PD Dr. Oliver Schierz (Leipzig). Er lieferte eine übersichtliche Darstellung der verfügbaren Materialien und Techniken, um Pflegebedürftige mit einfachem, zweckmäßigem und sicher gestaltetem Zahnersatz zu versorgen. Besonders bei der älteren Patientengruppe gelte es, Reinigbarkeit und Reparaturfähigkeit im Auge zu behalten, um den Bedürfnissen dieser Patientengruppe gerecht zu werden. Wer Gründe habe von einer klassischen Versorgung abzuweichen, greife am besten auf NEM-Klammern und einen mit den „neuen" Materialien geübten Zahntechniker zurück, denn erstere seien weiterhin graziler und anpassbarer als andere Lösungen und Letzterer ein wesentlicher Schlüsselfaktor für den prothetischen Erfolg.

Ruhig, einfach, eindeutig

Wertvolle Hinweise für „Die Kommunikation des Praxisteams mit Patienten mit Demenz in unterschiedlichen Stadien" lieferten die Ausführungen von Melanie Feige (Hamburg), die als Dozentin für Gerontopsychiatrie am Universitätsklinikum Eppendorf lehrt. Eine ruhige, einfache und eindeutige Kommunikation – und das grundsätzlich mit einem Lächeln auf den Lippen – sei für die Kontaktgestaltung durch das Praxisteam Grundvoraussetzung. Die Behandlung möge am besten ohne Mund- und Haarschutz oder die Lupenbrille vorgenommen werden. Der Austausch über einige wenige private biografische Kenntnisse der Betreuten zum Beispiel über die Kinder, den früheren Beruf oder ähnliches, schaffe Vertrauen und lasse eine Beziehung entstehen. Und gerade diese sei im Kontakt mit Menschen mit Demenz von zentraler Bedeutung.

Digitalisierung hilfreich?

„Totalprothetik – digital: Welche Systeme stehen heute zur Verfügung und wie können sie uns bei der Versorgung von Betagten helfen?" Die Digitalisierung der Totalprothetik könne den klassischen Workflow von fünf Sitzungen zur Herstellung einer Totalprothese auf nur zwei Sitzungen beim digitalen Workflow reduzieren, erläuterte Prof. Dr. Peter Pospiech (Berlin) anhand zweier marktreifer Systeme. Ob die digitale Prothetik bei der Versorgung von Betagten hilfreich sei, werde sich bei verstärkter zukünftiger Anwendung zeigen. „Und wenn es doch nicht hält?“ Unter dieser Fragestellung lieferte Dr. Felix Blankenstein (Berlin) Wichtiges zum Thema Haftcreme, Prothesenreinigung und Verschlucken von Prothesen.

Unter anderem empfahl er, Prothesen und Prothesenlager wenigstens einmal täglich mechanisch und chemisch zu reinigen, um den Prothesenhalt zu optimieren.

Die aktuellen Veränderungen der zahnärztlichen Versorgungsstruktur stellte anhand des Barmer Zahn-Reports DGAZ-Vizepräsident Prof. Dr. Christoph Benz (München) vor und leitete daraus die Forderung nach weiteren neuen BEMA-Positionen ab, die speziell für Menschen mit besonderem Versorgungsbedarf zu entwickeln seien. Sein Vortrag zum „Politischen Pflegefall Mundhygiene“ mündete in eine kurze Diskussionsrunde mit Dr. Eric Banthien, Vorstand der KZV Hamburg, und Dr. Thomas Einfeldt, Vorstandsmitglied der ZÄK Hamburg und Landesbeauftragter der DGAZ für Hamburg. Sie berichteten vom Rückgang der Versorgungsmöglichkeiten in Allgemeinanästhesie für Menschen mit Behinderungen und wiesen darauf hin, dass bei der Schaffung der Altersmedizinischen Zentren in Hamburg die Zahnheilkunde vergessen wurde.

Gemeinsam mit Martin Sielaff, Geschäftsführer der Hamburgischen Pflegegesellschaft e.V., stellte Einfeldt, das gemeinsame Projekt „Zahnmedizin und Pflege“ vor. Die Hamburgische Pflegegesellschaft repräsentiert ca. 96 Prozent der insgesamt 560 Pflegebetriebe in Hamburg, das heißt, man erreicht fast alle Pflegekräfte, um sie zu diesem Thema zu sensibilisieren, also auch die noch zu Hause lebenden Patienten, sofern sie vom Pflegedienst versorgt werden. Für alle Hamburger Pflegeeinrichtungen gibt es jetzt das „Handbuch der Mundhygiene“ und das Thema Mund- und Zahngesundheit wurde in den Landespflegeausschuss eingebracht. Die nächsten Schritte in diesem Projekt werden weitere Angebote an Pflegeschulen zur Unterrichtsstärkung durch Fachdozenten sein.

Hilfe zur Selbsthilfe

Prof. Dr. Dr. Thomas Kreusch und Dr. Kerstin Houché (beide Hamburg) stellten zum Abschluss ihr „Konzept zur Versorgung von komplexen multimorbiden Patienten" vor. Die Strategie bei der Vorgehensweise besteht darin, dass Angehörige, Pflegekräfte und idealerweise der Patient selbst in der Lage sein sollten, die intraorale Situation für die kommenden Jahre zu beherrschen. Sie sollten nach dem jeweiligen Eingriff eine intraorale Situation vorfinden, die gut zu pflegen, gut zu tragen und zu erhalten ist. Planung und  Therapie sind bei diesem Konzept so ausgerichtet, dass Funktion vor Ästhetik geht und dass in den folgenden Jahren keine weiteren Interventionen in Narkose notwendig werden sollten.

DGAZ auf Facebook und Instagram

Auf der gut besuchten DGAZ-Mitgliederversammlung wurde unter anderem beschlossen, die Beiträge für jüngere Assistenzzahnärzte zu senken, um jüngere Kolleginnen und Kollegen für das Fach zu gewinnen. Darüber hinaus engagiert sich die DGAZ jetzt auch in den neuen Medien, unter anderem bei Facebook und Instagram. Außerdem wurden Ideen gesammelt, wie die Verbesserung der mundgesundheitsbezogenen Lebensqualität für Pflegebedürftige, auf einem breiten und festen Fundament weiterentwickelt werden könne. Die kommende Jahrestagung vom 15. bis 17. Mai 2020 wird als interne Klausurtagung für alle DGAZMitglieder in Königstein im Taunus stattfinden.

Markus Brakel, Mettmann

Das Titelbild zeigt (von links) die neuen SZM-Spezialisten der DGAZ: ZÄ Katharina Kops, Dr. med. dent. Katja Giese-Kraft, ZA Veit Vogel, Dr. med. dent. Heike Wickop-Karber, Dipl. Zahnärztin Linda Coletta, Dr. Claudia Susanne Koller, Dr. med. dent. Andrea Marliani (es fehlt ZA Stephan Jahns) mit DGAZ-Präsidentin Prof. Dr. Ina Nitschke. Bild: DGAZ
Bibliografía: DGAZ Alterszahnmedizin Zahnmedizin Fortbildung aktuell

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