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Eine moderne Möglichkeit, traumatisierte und auch kariös erkrankte Zähne langfristig zu erhalten

Adhäsive Aufbaufüllung und Hohlkehlpräparation zur Aufnahme einer provisorischen Krone. Zahn 21 wurde adhäsiv rekonstruiert.

Mit den heutigen Therapieverfahren der partiellen und der vollständigen Pulpotomie gelingt es häufig, die Vitalität traumatisierter und auch kariös erkrankter Zähne langfristig zu erhalten. Dr. Michael Drefs stellt in seinem Beitrag für die Quintessenz Zahnmedizin 1/22 das Verfahren vor und zeigt Möglichkeiten und Grenzen dieser Therapie auf. 
Das Behandlungsprotokoll einer Pulpotomie ist gegenüber der klassischen Wurzelkanalbehandlung weniger techniksensitiv und kann auch unter gesundheitsökonomischen Gesichtspunkten als vorteilhaft bezeichnet werden, wobei diese Therapieformen nicht im Abrechnungsverzeichnis abgebildet sind. Die ursprünglich auf das Milchgebiss beschränkte Behandlungsoption scheint auch im permanenten Gebiss eine ausgesprochen gute Prognose aufzuweisen – unabhängig davon, ob das Wurzelwachstum des zu therapierenden Zahns bereits abgeschlossen ist oder ein offenes apikales Foramen vorliegt. Eine abschließende Erfolgsbewertung kann jedoch erst vorgenommen werden, wenn ausreichend Langzeitergebnisse vorliegen, was derzeit noch nicht der Fall ist.

Mit der Einführung bioaktiver Materialien wie beispielsweise Mineral Trioxid Aggregat (MTA) oder Biodentine konnten die ohnehin schon guten Erfolgsaussichten mitunter sogar noch gesteigert werden. Grundvoraussetzung für eine erfolgversprechende Behandlung sind neben der indikationsgerechten Fallauswahl und einem aseptischen Arbeitsfeld die Anwendung geeigneter Materialien und die anschließende bakteriendichte Restauration des zu behandelnden Zahns. Auf diese Weise lassen sich auch Zähne mit Zeichen einer lokalen Entzündung der koronalen Pulpa erfolgreich versorgen.

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Einleitung

Die Pulpotomie ist ein Therapieverfahren, das sich bei Behandlung von Milchzähnen seit vielen Jahren etabliert hat und hohe Erfolgsraten aufweist29. Durch die Entfernung der infizierten Kronenpulpa – was einer vollständigen Pulpo­tomie entspricht – infolge einer profunden Karies wird versu­cht, das gesunde und entzündungsfreie Pulpagewebe im Bereich der Wurzeln vital zu erhalten, sodass der betroffene symptomlose Milchzahn in der Mundhöhle belassen werden und seine Funktion als Platzhalter und Wegweiser für seinen permanenten Nachfolger erfüllen kann. Ein Cochrane-Review kommt zu dem Schluss, dass aufgrund verschiedener Behandlungstechniken (zum Beispiel Elektrochirurgieverfahren oder Laseranwendung) sowie diverser zur Verfügung stehender Materialien zur Abdeckung der gesunden Wurzelpulpa (zum Beispiel Calciumhydroxid (Ca(OH)2), Formo­cresol, Eisensulfat, Mineral Trioxid Aggregat (MTA) etc.) derzeit keine ausreichende Evidenz besteht, welches Behandlungsprotokoll am geeignetsten ist26. Dennoch stehen diverse klinische Untersuchungen mit unterschiedlichen Behandlungsempfehlungen und Materialien zur Verfügung, die hohe Erfolgsraten vollständiger Pulpotomiebehandlungen an Milchzähnen erkennen lassen. Neben der vollständigen oder auch totalen Pulpotomie steht die partielle Pulpotomie als weniger invasive Therapieoption zur Verfügung, bei der lediglich die infizierten Areale der entzündlichen Kronenpulpa entfernt werden. Diese Behandlungsoption ist in den vergangenen Jahren besonders in den Fokus gerückt, wenn es um die Versorgung permanenter Zähne mit exponierter Pulpa geht.

Nicht selten wurde bisher nach Eröffnung der Pulpa an einem permanenten Zahn (traumabedingt oder infolge einer profunden Karies) – abhängig vom Schweregrad des dentalen Traumas beziehugnsweise Zustand der Pulpa bei profunder Karies – die klassische Wurzelkanalbehandlung als The­rapie der ersten Wahl erwogen, da diese eine günstige Erfolgs­prognose aufweist27,32. Dennoch sollte unter dem Gesichtspunkt eines angestrebten Vitalerhalts des betroffenen Zahns ein konservativerer Ansatz verfolgt werden, wenn es darum geht, vitale Zähne mit exponierter Pulpa zu behandeln. Mögliche Therapieoptionen im Kontext der vital­erhaltenden Behandlungsmaßnahmen umfassen neben der direkten Pulpaüberkappung auch die partielle oder totale beziehungsweise zervikale Pulpotomie21. Derartige Therapie­formen gewährleisten den Fortbestand der Pulpavitalität in Einheit mit funktioneller und struktureller Heilung des Pulpa-Dentin-Komplexes durch den Erhalt des vorhandenen gesunden Pulpagewebes35. Aufgrund der deutlich geringeren Techniksensitivität im Gegensatz zur klassischen Wurzelkanalbehandlung können die vitalerhaltenden Maßnahmen häufig erfolgreich realisiert werden6.

In den vergangenen  Jahren konnte gezeigt werden, dass die Therapie der partiellen Pulpotomie auch an permanenten Zähnen erfolgversprechend zu sein scheint18. Die Indikation für diese Behandlung reicht dabei von dentalen Traumata mit Pulpabeteiligung bis hin zu Zähnen, deren Pulpa infolge der Entfernung profunder kariöser Läsionen exponiert ist – unabhängig davon, ob das Wurzelwachstum des entsprechenden Zahns abgeschlossen ist oder nicht.

Klinisches Vorgehen bei partieller Pulpotomiebehandlung

Sobald die Therapieentscheidung des Zahnarztes beziehungsweise der Zahnärztin zur partiellen Pulpotomie gefallen ist, gilt es, den zu behandelnden Zahn mit exponierter Pulpa durch die Applikation eines Kofferdams zu isolieren und eine Des­infektion der Zahn­krone vorzunehmen, um ein möglichst aseptisches Arbeitsfeld zu schaffen. Mit dem Ziel einer größtmöglichen Keimreduktion werden gegebenenfalls vorliegende kariöse Dentinanteile von peripher nach zentral entfernt, sodass anschließend die Bewertung des Pulpazustands in der gesunden Zahnhartsubstanz erfolgen kann, was die Nutzung zumindest einer Lupenbrille nahezu zwingend erforderlich macht. Nekro­tische Pulpaanteile, die durch ein helles Erscheinungsbild ohne Blutversorgung imponieren, müssen ebenso ausgeräumt werden wie hyperämische Pulpa­bereiche, deren nicht zu stoppende Blutungsneigung auf irreversibel entzündetes Gewebe schließen lässt. Unter dem Gesichtspunkt der Keimreduktion sollten sterile, hochtourig laufende Diamantschleifkörper unter ausreichend Wasserkühlung genutzt werden.

Ziel der partiellen Pulpotomie ist es, alle nekrotischen und irreversibel geschädigten Pulpaareale zu entfernen, was im zahnärztlichen Alltag eine nicht zu unterschätzende Herausforderung darstellt, da sich der histologische Zustand der Pulpa klinisch nicht erfassen lässt. Der Endpunkt der Amputationstiefe sollte sich daher an der Blutungsneigung der Pulpa und ihrer Stillbarkeit orientieren. Es empfiehlt sich nach der Präparation die Amputationsstelle mit 3-prozentigem Natriumhypochlorit (NaOCl) zu desinfizieren, um anschließend die Stillbarkeit der Blutung zu beurteilen, wobei das Sistieren der Blutung bei gesunder Pulpa innerhalb von ca. 5 Minuten zu erwarten ist23. Kommt die Blutung auch nach längerer Zeit nicht zum Stehen, muss davon ausgegangen werden, dass das gesunde Pulpagewebe noch nicht erreicht wurde, was die weitere Präparation mit dem Ziel der Entfernung aller infizierten Gewebeanteile nach sich zieht. Dieses Vorgehen kann bis hin zur vollständigen Pulpotomie erfolgen, um die Vitalität der Pulpa zu erhalten. Kann auch nach totaler Pulpotomie keine Blutstillung erreicht werden, so ist die Einleitung einer Wurzelkanalbehandlung angezeigt. Grundsätzlich ist jedoch die partielle Pulpotomie – wenn möglich – zu bevorzugen. Im Gegensatz zur totalen Pulpotomie, bei der die Entfernung der gesamten Kronenpulpa und die Abdeckung der Wurzelpulpa im Bereich der Wurzelkanaleingänge erfolgt, wird mit der partiellen Pulpotomie ein konservativerer Behandlungseinsatz gewährleistet. Die partielle Pulpotomie bietet durch den Erhalt großer Anteile der Kronenpulpa den Vorteil, dass weiterhin zervikales Dentin gebildet werden kann. Außerdem kann das Risiko ausgeprägter Wurzelkanalkalzifikationen vermindert werden, indem die Kronenpulpa nur partiell und nicht vollständig eliminiert wird7,19. Zu einem späteren Zeitpunkt ermöglicht dies auch eine bessere Nachkontrolle auf Fortbestand einer vitalen und sensiblen Pulpa.

Um das freigelegte gesunde Pulpagewebe abzudecken, stehen Ca(OH)2-Suspensionen oder hydraulische Calciumsilikatzemente zur Verfügung, die wiederum mit aushärtenden Materialien überdeckt werden sollten13. Auch wenn Ca(OH)2-Produkte mit 90 Prozent sehr gute Erfolgsraten auf­weisen19, scheinen hydraulische Calciumsilikatzemente bei vitalerhaltenden Maßnahmen mit exponierter Pulpa etwas überlegen zu sein34. Die Applizierbarkeit von Calciumsilikatzementen ist zudem etwas einfacher umzusetzen. Es konnte gezeigt werden, dass sich bereits 6 Wochen nach Biodentine-Applikation eine neue Dentinbrücke zwischen dem Überkappungsmaterial und der Pulpa bilden kann (Abb. 17c). Zudem waren keine Entzündungsanzeichen der Pulpa feststellbar28. Es ließen sich vielmehr Odontoblasten und Odontoblasten-ähnliche Zellen identifizieren, die unterhalb des Osteodentins tubuläres Dentin produzierten. Ein Unterschied zwischen Biodentine und MTA konnte nicht beobachtet werden. Entscheidend ist, dass das Material zur Abdeckung der vitalen Pulpa behutsam, drucklos und direkt auf das gesunde Pulpagewebe appliziert wird16.

Neben der adäquaten Fallauswahl, den strikten asep­tischen Bedingungen während der Behandlung und der Wahl des Überkappungsmaterials ist für den langfristigen Erfolg der partiellen Pulpotomiebehandlung nicht zuletzt die bakteriendichte, adhäsive Rekonstruktion des Zahns maßgebend33. So konnte beobachtet werden, dass die Erfolg­schancen signifikant höher ausfallen, wenn die finale Restauration des Zahns nach partieller Pulpotomie sofort oder innerhalb von zwei Tagen nach Überkappung erfolgt8. Eine zwischenzeitliche provisorische Rekonstruktion, zum Beispiel mit einem Zinkoxid-Eugenol-Zement nach Überkappung, mit der Absicht einer späteren definitiven Versorgung sollte möglichst vermieden werden, denn derartige Aufbau­füllungen sind weder flüssigkeits- noch bakteriendicht und eignen sich nicht zur Restauration großer Kavitäten12.

Besonderheiten der partiellen Pulpotomie nach dentalem Trauma

Die Prävalenz von Frontzahntraumata schwankt je nach Population und Studiendesign erheblich und erreicht Werte von mehr als 30 Prozent9. Zwar ereignet sich die überwiegende Zahl der Fälle im Milchgebiss, dennoch treten derartige Verletzungen in etwa 33 Prozent der Fälle auch im permanenten Gebiss auf9. Sobald es traumabedingt zur Eröffnung der Pulpa kommt, sollte möglichst der Vitalerhalt des verletzten Zahns angestrebt und keinesfalls von vorherein die klas­sische Wurzelkanalbehandlung erwogen werden. Frische Traumata ohne oder mit nur geringen Dislokationsver­letzungen können mittels direkter Überkappungsmaß­nahmen erfolgversprechend versorgt werden. Bei einem einige Tage zurückliegenden Trauma mit Freilegung der Pulpa ist dagegen bereits eine oberflächliche entzündliche beziehungsweise nekrotische Pulpaschicht zu erwarten (Abb. 1 bis 10). Dabei reicht die Ausdehnung der Pulpaveränderung selbst nach sieben Tagen „nur“ etwa 2 mm tiefer als die Kontaktfläche des Pulpagewebes zur Mundhöhle16, sodass die partielle Pulpotomie in diesen Fällen verhältnismäßig minimal­invasiv durchgeführt werden kann. Dabei sollte der partiellen Pulpotomie aufgrund der besseren Prognose gegenüber der zervikalen Pulpotomie der Vorzug gegeben werden, da so die zellreiche und besser zur Heilung geeignete Kronenpulpa erhalten werden kann. Bei der zervikalen Pulpotomie überlebt lediglich die fibröse und zellärmere Wurzelpulpa, deren Fähigkeit zur Reizantwort vermindert ist17.

Wegen der exponierten Stellung der oberen Inzisivi sind insbesondere diese Zähne hauptsächlich von dentalen Traumata betroffen. Im Hinblick auf ästhetische Aspekte ist die Auswahl des Abdeckungsmaterials der pulpo­tomierten Zähne bedeutsam. Das bereits seit vielen Jahren gut untersuchte MTA weist zwar gute Ergebnisse auf, sollte jedoch insbesondere im Frontzahnbereich möglichst nicht verwendet werden, da es im Gegensatz zum Beispiel zu Biodentine (Septodont) zu Verfärbungen des behandelten Zahns führen kann1. Diese Farbdifferenzen sind häufig auch durch den Schmelz hindurch optisch wahrnehmbar.

Prognose partieller Pulpotomien nach dentalem Trauma

Die Erfolgsraten von partiellen Pulpotomiebehandlungen an permanenten Zähnen mit komplizierter Kronenfraktur liegen zwischen 87,5 und 100 Prozent19, wobei Nachuntersuchungszeiträume von wenigen Monaten bis hin zu 11 Jahren vorliegen. Inwieweit die Größe der traumabedingten freigelegten Pulpa Einfluss auf die Erfolgswahrscheinlichkeit hat, ist nicht abschließend geklärt, wobei kleinere Läsio­nen von bis zu 4 mm eine gute Prognose aufweisen10. Die Studienlage zu größeren Läsionen ist bisher noch nicht ausrei­chend. Für Milchzähne und permanente Zähne mit offenem Apex scheint die Größe der eröffneten Pulpa zumin­dest keine entscheidende Rolle für den Erfolg der Behand­lung zu spielen5.

Prognostisch scheint die Zeit zwischen der traumatischen Pulpaeröffnung und der partiellen Pulpotomie laut der American Academy of Pediatric Dentistry (AAPD) bei Milchzähnen und permanenten Zähnen mit offenem Fo­r­amen ebenfalls nicht entscheidend zu sein, solange es gelingt, den oberflächlich infizierten Anteil bis hin zur darunter liegenden gesunden Pulpa zu entfernen5. Für per­manente Zähne mit abgeschlossenem Wurzelwachstum scheint dasselbe zu gelten. Die Behandlung einer komplizierten Kronenfraktur bis zu 9 Tage nach Trauma hat laut Bimstein und Rotstein nur einen minimalen Einfluss auf die Erfolgsprognose der partiellen Pulpotomie10. In einer Studie konnte ebenfalls kein statistisch signifikanter Unterschied zwischen zeitnaher (Erfolgsrate: 96 Prozent) und deutlich verspäteter Versorgung (Erfolgsrate 87,5 Prozent) durch partielle Pulpotomie festgestellt werden15.

Die Prognose für Pulpotomiebehandlungen an traumatisierten Zähnen mit offenem Apex wurde bereits in zahlreichen Studien untersucht, wobei hohe Erfolgsraten festge­stellt werden konnten. Aber auch Zähne mit vollständig abgeschlossenem Wurzelwachstum können auf diese Weise erfolgreich behandelt werden, selbst wenn sie erst mehrere Tage nach traumatischer Pulpaeröffnung partiell pulpotomiert und mit einem biokompatiblen Calcium­silikatzement zur Behandlung gelangen11. Dennoch wurde festgestellt, dass das Patientenalter einen negativen Einfluss auf die Erfolgswahrscheinlichkeit vitalerhaltender Behand­lungsmaßnahmen zu haben scheint, denn bei älteren Patientinnen und Patienten liegt eine eher fibrotische Pulpa vor, die durch ein geringeres Heilungsvermögen charakterisiert ist19. Bei jugendlichen Zähnen mit weitem apikalen Foramen ist zudem die Kontaktfläche zwischen Pulpa und dem um­gebenden Parodontium größer, was einen besseren Heilungsverlauf zur Folge haben könnte gegenüber Zähnen mit abgeschlossenem Wurzelwachstum24. In Bezug auf die Erfolgsaussichten zwischen Zähnen mit offenem und geschlossenem Apex herrscht jedoch ein uneinheitliches Bild. Während einige Autoren für jugendliche Zähne mit weitem apikalen Foramen eine bessere Prognose beobachteten22,24, können andere Untersuchungen keinen Unterschied zwischen diesen beiden Gruppen feststellen15,17.

Ein durchaus bedeutsamer Einflussfaktor auf die Erfolgswahrscheinlichkeit ist das Vorliegen von Begleit­verletzungen. Insbesondere Luxationsbewegungen des zu therapierenden Zahns können zur Verminderung der Blutversorgung und/oder der Innervation führen, was die Herabsetzung der Erfolgswahrscheinlichkeit der partiellen Pulpo­tomie zur Folge haben kann10. Dabei sind sowohl Luxa­tionsverletzungen als auch Subluxationen von Be­deutung24. In diesen Fällen erscheint es vorteilhaft, wenn eine größere Kontaktfläche zwischen Pulpa und Parodontium vorliegt – also das Wurzelwachstum noch nicht ab­geschlossen ist.

Besonderheiten der partiellen Pulpotomie an kariesexponierter Pulpa

Der Erhalt der Pulpavitalität ist nicht nur bei der Behandlung nach dentalem Trauma das primäre Ziel der zahnärztlichen Behandlung, sondern spielt auch eine entscheidende Rolle bei der Versorgung von tiefen kariösen Läsionen in unmittelbarer Nähe zur angrenzenden Pulpa. Grundsätzlich sollte bereits während der Kariesentfernung die Freilegung der Pulpa vermieden werden, selbst wenn dabei Anteile kariösen Dentins belassen werden müssen30. Dieses Konzept der selektiven Kariesentfernung hat in den vergangenen Jahren stark an Beachtung gewonnen, wobei Studien zur langfristigen Erfolgsprognose abgewartet werden müssen. Dennoch ist es selbst bei weniger invasiver Kariespräparation oftmals unvermeidlich, dass im Zuge der Kariesexkavation die Kronenpulpa mitunter sogar großflächig eröffnet wird, insbesondere dann, wenn die kariöse Läsion bis an die Kronenpulpa heranreicht (Abb. 11 bis 17). Auch in diesen Fällen sollte das primäre Ziel der Behandlung die Vitalerhaltung des betroffenen Zahns sein, insbesondere dann, wenn Beschwerdefreiheit vorliegt. Dabei kommen neben der direkten Pulpaüberkappung auch die partielle sowie die zervikale Pulpotomie in Betracht. Direkte Überkappungsmaßnahmen sind jedoch nur erfolgversprechend, wenn die Eröffnungsstelle der Pulpa in der gesunden Zahnhartsubstanz vorliegt und die Pulpa keinerlei Anzeichen einer Infektion aufweist.

Offenbar gelingt es auch, Zähne mit Zeichen und Hinweisen auf eine als „irreversible Pulpitis“ bezeichnete Pulpaveränderung erfolgreich zu therapieren, wenn sie einer partiellen Pulpotomie unterzogen werden14. Grund für die günstige Prognose auch bei „irreversibler Pulpitis“ ist ein unterschiedlicher Infektionsgrad innerhalb der verschiedenen Pulparegionen19. Bei pulpanaher Karies ist die Infektion in den oberflächlichen Pulpaschichten im Vergleich zu tieferen Schichten oder zur Wurzelpulpa stärker ausgeprägt, denn trotz geringer Gefäßerweiterungen liegt das Pulpagewebe im Bereich der Wurzelkanäle unverändert vor19. Mit der Entfernung der koronalen 2 bis 3 mm der Kronenpulpa gelingt die Eliminierung des zerstörten und beeinträchtigten Gewebes, was die Regeneration und damit den Vitalerhalt der übrigen Pulpa ermöglicht. Es gibt Hinweise darauf, dass die Heilungswahrscheinlichkeit gegenüber einer direkten Überkappung der exponierten Pulpa ohne Pulpotomie größer ist, wenn die infizierten Pulpaareale entfernt werden3. Die derzeitige Bezeichnung einer „irreversiblen Pulpitis“ bei bestimmten Symptomen ist daher unter den beschriebenen Gesichtspunkten nicht mehr zutreffend und sollte überdacht werden.

Diverse aktuelle Untersuchungen beschäftigen sich damit, aussagekräftige Kriterien beziehungsweise verlässliche Parameter zu bestimmen, die als therapeutische Entscheidungshilfe bei der Frage dienen können, wann eine partielle Pulpotomie bei entzündlicher Pulpa noch möglich beziehungsweise wann eine klassische Wurzelkanalbehandlung prognostisch sicherer ist. Dabei scheinen im Pulpablut detektierbare Biomarker ein vielversprechender Ansatzpunkt zu sein, die je nach vorherrschender Konzentration die Erfolgswahrscheinlichkeit für eine partielle Pulpotomie vorhersagen könnten31. Inwieweit pulpale Biomarker jedoch für den klinischen Allta­g am Patienten oder an der Patientin hilfreich sein können, ist derzeit kaum absehbar.

Prognose partieller Pulpotomien nach kariesexponierter Pulpa

Die Erfolgsraten von partiellen Pulpotomiebehandlungen nach Pulpaeröffnung infolge tiefer Kariesentfernung liegen nach 6 Monaten bei 98 Prozent, nach 1 Jahr bei 96 Prozent und nach 2 Jahren bei 92 Prozent18,20. Damit entsprechen die Erfolgsraten nach 1 Jahr denen, wie sie auch bei vollständiger Pulpotomie festgestellt wurden4. Die partielle Pulpotomie sollte dennoch favorisiert werden, da sie die weniger invasive Therapie ist, bei der das Risiko von späteren Kalzifikationen vermindert ist. In der Untersuchung von Matsuo et al. wurde gezeigt, dass sich eine Nachuntersuchungszeit von 21 Monaten zur Bestimmung des Langzeiterfolgs als ausreichend erweist, wobei bereits nach 3 Monaten die Tendenz eines Behandlungserfolgs erkennbar ist25. Diese Beobachtungen beruhen allerdings auf direkten Überkappungsbehandlungen mit Ca(OH)2, die dem Prozedere der partiellen Pulpotomie ähnlich sind. Auch Elmsmari et al. stellen keine signifikanten Unterschiede in Bezug auf die Erfolgswahrscheinlichkeit im Zeitintervall von 6 Monaten bis 2 Jahre nach partieller Pulpotomie fest18. Demnach ist denkbar, dass bereits 6 Monate nach erfolgter Behandlung die langfristige Erfolgswahrscheinlichkeit abgeschätzt werden kann. Laut Taha et al. konnten die Erfolgschancen durch die Entwicklung und Einführung von biokeramischen Materialien, die sich durch gutes Abdichtungsverhalten und bioaktive Eigenschaften auszeichnen, gegenüber der klassis­chen Anwendung von Ca(OH)2 als Überkappungs­ma­terial deutlich gesteigert werden33. Hydraulische Cal­ciumsilikatzemente induzieren eine schnellere Bildung einer weniger porösen und dickeren Hartsubstanzbarriere (vgl. Abb. 17c) zwischen Abdeckungsmaterial und Pulpa im Vergleich zur klassischen Anwendung von Ca(OH)22.
Die mechanische Widerstandsfähigkeit ist gegenüber biokeramischen Materialien oder MTA zudem vermindert, was über längere Zeit zu Mikrofiltrationen führen kann2. Trotz di­verser Vorteile von MTA und MTA-ähnlichen Materialien beein­flusst die Wahl des Überkappungsmaterials in der Metaanalyse von Elmsmari et al. die Erfolgsrate der partiellen Pulpotomiebehandlung bei kariös exponierter Pulpa interessanterweise jedoch nicht18. Auch haben weder das Alter des Patienten oder der Patientin noch der Zustand der Wurzelentwicklung einen Einfluss auf den Behandlungserfolg20. Die hohen Erfolgsraten von mehr als 90 Prozent 2 Jahre nach partieller Pulpo­tomiebehandlung basieren in der überwiegenden Zahl der Studien auf symptomlosen Zähnen mit gesundem Pulpa-Dentin-Komplex oder Zähnen mit Anzeichen einer rever­siblen Pulpitis.

Für die partielle Pulpotomie bei bisheriger Diagnosestellung „irreversible Pulpitis“ konnten nach einem Jahr Erfolgsraten von 97,4 Prozent klinisch und 95,4 Prozent radiologisch beziehungsweise nach 3 Jahren Erfolgsraten von knapp 94 Prozent klinisch und 88,4 Prozent radiologisch beobachtet werden14. Damit weist die partielle Pulpotomie bei vermeintlich irreversibel erkrankter Pulpa vergleichbare Erfolgsraten auf wie die klassische Wurzelkanalbehandlung, wobei die zugrundeliegenden Studien eine große Heterogenität aufweisen und ein gewisses Verzerrungsrisiko (Bias) besteht. Andere Autor/-innen beobachteten im Vergleich zu symptomlosen Zähnen mit gesundem Pulpa-Dentin-Komplex jedoch geringere Erfolgs­raten der partiellen Pulpotomie bei „irreversibler Pulpitis“18,34. In der Untersuchung von Elmsmari et al. wurde der präoperative Zustand der Pulpa als einziger prognostischer Faktor identifiziert, der Einfluss auf die Erfolgsrate der partiellen Pulpotomie hat. Demnach sind die Erfolgs­raten bei entzündlich veränderter Pulpa geringer als bei Zähnen mit gesunder und symptomloser Pulpa. Ursache für die reduzierte Erfolgsprognose bei diagnostizierter „irreversibler Pulpitis“ ist vermutlich der ausgeprägtere Entzündungszustand der Pulpa, der weiter apikalwärts in das Wurzelkanalsystem voranschreiten kann und so den gesamten Pulpa-Dentin-Komplex betrifft. Offenbar genügt es in diesen Fällen nicht, lediglich 2 bis 3 mm der exponierten Kronenpulpa zu entfernen, sodass möglicherweise die invasivere vollständige Pulpotomie oder gar die Wurzel­kanalbehandlung in Betracht gezogen werden sollte, wenn es gilt, Zähne mit infizierter Pulpa zu behandeln18.

Fazit

Kommt es infolge eines dentalen Traumas oder der Entfernung einer profunden kariösen Läsion zur Freilegung der Kronenpulpa, so ist sowohl die partielle als auch die vollständige Pulpotomie eine erfolgversprechende und zu­verlässige Therapieoption, bei der die Vitalerhaltung des betroffenen Zahns ermöglicht werden kann. Die 2-Jahres-Erfolgswahrscheinlichkeit liegt laut derzeitiger Studienlage bei mehr als 90 Prozent. Auch wenn die Erfolgsprognose für gesunde oder reversibel erkrankte Zähne höher zu sein scheint, so können selbst Zähne, deren jeweilige Pulpa bisher als irreversibel geschädigt galt, vielfach auf diese Weise vital erhalten werden.

Die bisherige Nomenklatur sollte im Hinblick auf den Terminus „irreversible Pulpitis“ prinzipiell überdacht werden, wenn die Vitalität eines derartig diagnostizierten Zahns mittels partieller oder vollständiger Pulpotomie­behandlungen erhalten werden kann. Grundvoraussetzung für den langfristigen Erfolg ist jedoch eine aseptische Arbeits­weise, ein geeignetes Überkappungsmaterial und eine suffiziente koronale Rekonstruktion. Nicht wenige Autoren machen darauf aufmerksam, dass insbesondere die Qualität der koronalen Restauration von entscheidender Bedeutung für den Langzeiterfolg der partiellen Pulpotomie ist18,36. Das Vorliegen eines beobachteten Misserfolgs muss nicht zwangsläufig auf das Fehlschlagen der partiellen Pulpotomie zurückzuführen sein, sondern kann seine Ursache in einer unzureichenden koronalen Restauration oder in parodontalen Problemen haben. Ein starker limitierender Faktor hinsichtlich langfristiger Erfolgsprognosen ist die Schwierigkeit der Ermittlung der Pulpavitalität und -sensibilität, da ausgeprägte Kalzifikationen infolge par­tieller Pulpotomien die eindeutige Bestimmung des Pulpazustands erschweren.

Die Pulpotomie ist im Vergleich zur klassischen Wurzelkanalbehandlung weniger techniksensitiv, zeitsparender und weist vergleichbare Erfolgsraten auf, sodass im Fall einer exponierten Pulpa bei vitalem Zahn die Pulpotomie der Wurzelkanalbehandlung vorzuziehen ist, insbesondere auch deswegen, weil so die funktionelle und strukturelle Einheit der Pulpa erhalten werden kann. Außerdem stellt diese Art der Behandlung eine unter dem Gesichtspunkt der Kosteneffektivität vorteilhaftere Therapie gegenüber der Wurzelkanalbehandlung dar6. Hervorzuheben ist jedoch, dass eine Abrechnung dieser Behandlungsmaß­nahmen derzeit nicht möglich ist.

Ein Beitrag von Dr. Michael Drefs, Schwerin

Literatur auf Anfrage über news@quintessenz.de

Bibliografía: Quintessenz Zahnmedizin 01/2022 Zahnmedizin Restaurative Zahnheilkunde Endodontie

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