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Dr. Susanne Klein über kognitive Trägheit, ihre Folgen und wie man jetzt die Zeit für Veränderungen nutzt

Thomas betrachtet Anne, und Anne betrachtet Michael. Thomas ist verheiratet, Michael Single. Die Quizfrage lautet: Betrachtet hier eine verheiratete Person einen Single? Die Antwortoptionen sind: a) Ja, b) Nein, c) Lässt sich nicht sagen. Tippen Sie auf c?

Dann sind Sie in guter Gesellschaft. 80 Prozent der Quizteilnehmer tippen auf c. Da wir nicht wissen, ob Anne Single oder verheiratet ist, können wir das nicht genau einschätzen. Glauben wir. Tatsächlich aber ist a korrekt. Entweder ist Anne Single und der verheiratete Thomas sieht sie an oder Anne ist verheiratet und schaut Michael an, der Single ist. In jedem Fall also betrachtet eine verheiratete Person einen Single.

Energiesparmodus statt genau durchdenken

Klassischer Fall von kognitiver Trägheit, schlussfolgern die Forscher. Menschen folgen gerne dem ersten Impuls. Sie nutzen ihre erste Eingebung, ohne sich weiter mit einer Aufgabe zu befassen. Denn grundsätzlich befindet sich das Gehirn im Energiesparmodus. Wenn es nicht sein muss, nutzen wir die Kapazitäten nicht voll. Und so kommen nicht nur Fehler zustande, sondern Abläufe werden nicht optimal an die Gegebenheiten angepasst. Wir folgen der ersten Idee und nehmen auch im Alltag Umständlichkeiten in Kauf. Das kostet vermeintlich weniger Energie, als die Dinge genau zu durchdenken.

Und genau das ist eine Chance in der Corona-Zeit (oder in der ruhigeren Sommerzeit): Weniger Patienten machen es möglich. Jetzt gibt es noch ein paar Tage die Luft, um Dinge genau zu betrachten, um sich die Zeit zu nehmen, um Dinge genau zu betrachten, um Prozesse zu optimieren. Hier ein paar Ideen.

Cross Check

Analog zur Lufthansa lohnt bei wichtigen Themen ein „Cross Check“: Ein Crew-Mitglied schließt die Flugzeugtür, ein anderes prüft, ob sie richtig geschlossen ist. In einem Umfeld, in dem es um viel geht, ist es wichtig, sich gegenseitig zu kontrollieren. Da muss nicht der Pilot das Cockpit verlassen, um nachzuschauen. Das gelingt hervorragend auf kollegialer Ebene.

Das gleiche Prinzip kann in der Praxis Fuß fassen. Besonders die Hygienestrecke braucht in dieser Zeit eine genaue Überprüfung. Aber auch andere Prozesse, wie die Materialbestellung, kann mit einem Cross Check effektiver gestaltet werden. Genau zu überlegen, wie das gelingen kann, lohnt sich.

Teammeetings

Viele Praxisteams sind mit ihren Meetings nicht zufrieden, Sie haben aber ad hoc keine Idee, wie sie es besser gestalten können. Jetzt ist Zeit und Energie dafür da, den ersten Impuls zu überwinden und genauer zu überlegen, wie das gelingen kann. Damit, wenn die Patientenzahlen wieder steigen, alles reibungslos laufen kann und man sich am neuen Format erfreut. Ideen gibt es viele: Selbstorganisation, New Work Tools, Moderation abwechseln, Timekeeper, Kreativworkshop …

Der Montagvormittag

Auch der Montagvormittag, an dem meist spontan Schmerzpatienten integriert werden müssen, ist interessant zu betrachten. Ist doch schade, wenn die Woche schon stressig beginnt. Ein gutes Konzept zu entwickeln, dass man bald ausprobieren kann, macht nicht nur Spaß, es motiviert auch das ganze Team, wenn gute Ideen umgesetzt werden und alle entlasten.

Mehr Selbstverantwortung

Alles, was das Team alleine kann, sollte es auch umsetzen dürfen. Das gelingt allerdings nicht durch eine Ansage: Selbstverantwortung muss gelernt werden. Auch dafür steht nun Zeit zur Verfügung. Geben Sie kleinere, später größere Projekte in die Verantwortung Ihres Teams und lassen Sie sich überraschen, mit welchen Ansätzen sie zurückkommen und wie das Team diesen Spielraum nutzt.

Raum für Mitarbeiterideen

Auch jetzt müssen wir als Inhaber nicht die einzigen sein, die Projekte initiieren. Mitarbeiter haben meist viele Ideen und es ist oft viel zu wenig Zeit, um über den Alltag zu sprechen und zu sehen, wo Umständlichkeiten oder suboptimale Prozesse Zeit rauben. Genau jetzt das Team zu aktivieren, ihre Einschätzungen und Ideen zu erfragen, bereitet sehr gut auch eine intensive Zeit nach der Krise vor.

Manchmal brauchen wir hierfür eine Anlaufzeit, denn auf einer übergeordneten Ebene auf das Geschehen in einer Praxis zu sehen, braucht etwas Distanz und ein anderes Denken. Jetzt ist die richtige Zeit, um das zu lernen und zu etablieren.

Ich wünsche Ihnen gutes Gelingen – und bleiben Sie gesund.

Dr. Susanne Klein, Darmstadt

Dr. Susanne Klein (Foto: www.fotoversum.de)

Dr. Susanne Klein ist Beraterin und Coach für Führungskräfte und Unternehmer. Für ihre Beratungen und Coachings unter anderem zum Thema „Führung in der Krise“ können auch Fördermittel der Bafa (50 Prozent der Aufwendungen in den alten und 80 Prozent in den neuen Bundesländern) eingesetzt werden. Susanne Klein ist Vorstand Akkreditierung im European Mentoring and Coaching Council, führt ihre eigene Schule für Coaching und hat verschiedene Preise für ihre Ausbildungen gewonnen. Sie ist Referentin in zahnmedizinischen Akademien und arbeitet seit zehn Jahren mit Zahnärzten und ihren Teams. Mehr Informationen unter www.susanne-klein.net. Kontakt zur Autorin unter info@susanne-klein.net


Titelbild: Redpixel.pl/Shutterstock.com
Praxisführung Praxis Team

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