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Impfeinsatz von Zahnärzten wird einen wichtigen Beitrag leisten können – Dr. Wolfgang Eßer, Vorstandsvorsitzender der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung, zum aktuellen Stand und noch zu klärenden Fragen

Dr. Wolfgang Eßer, Vorstandsvorsitzender der KZBV

(c) KZBV/Knoff

Angeboten hatte es die Zahnärzteschaft schon kurz nach Beginn der Corona-Pandemie: Hilfe zum Beispiel beim Impfen. Umgesetzt worden ist es allerdings erst mit dem am 12. Dezember 2021 in Kraft getretenen „Gesetz zur Stärkung der Impfprävention gegen Covid-19“. Danach dürfen auch Zahnärztinnen und Zahnärzte künftig gegen Covid-19 impfen.

Dass damit aber noch längst nicht alle Voraussetzungen erfüllt sind, damit sie dies auch tun können, darauf haben Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) und Bundeszahnärztekammer (BZÄK), Kammern und KZVen bereits mehrfach hingewiesen. Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren. Der Vorsitzende des Vorstands der KZBV, Dr. Wolfgang Eßer, hat Quintessence News Auskunft zum aktuellen Stand für die Praxis gegeben.


Herr Dr. Eßer, jetzt ist es grundsätzlich möglich, dass auch Zahnärztinnen und Zahnärzte in der Impfkampagne gegen Covid-19 impfen dürfen. Sie müssen aber Schulungen absolvieren, bis Ende dieses Jahres soll die Bundesärztekammer in Zusammenarbeit mit der BZÄK Mustercurricula für diese Schulungen entwickeln. Soweit das Gesetz. Sie haben aber immer wieder darauf hingewiesen, dass noch weitere Fragen geklärt werden müssen, bevor eine Zahnärztin/ein Zahnarzt zum Beispiel bei einem mobilen Impfangebot tatsächlich impfen darf. Was steht dafür ganz oben auf der Agenda und wie ist der Stand dazu?

Dr. Wolfgang Eßer: Bis die Zahnärzteschaft sich aktiv an der Impfkampagne beteiligen kann, sind noch einige Voraussetzungen zu erfüllen. Daran arbeiten wir in der KZBV gemeinsam mit der BZÄK mit Hochdruck.

Neben den von Ihnen erwähnten Schulungsmaßnahmen, deren erfolgreicher Abschluss nach den gesetzlichen Vorgaben testiert werden muss, müssen noch grundsätzliche rechtliche, haftungsrechtliche und strukturelle Voraussetzungen erfüllt werden. Dabei sind die Hürden, die hier genommen werden müssen, unterschiedlich hoch. Im Hinblick auf das „mobile“ Impfen in Impfzentren, mobilen Einheiten oder Arztpraxen sind die Hürden niedriger, beim „stationären“ Impfen in der eigenen Praxis sind sie deutlich höher.

Aktuell gehe ich deshalb davon aus, dass wir die Ärzteschaft zunächst bald zu Beginn des neuen Jahres beim mobilen Impfen außerhalb unserer Praxen unterstützen werden können und das stationäre Impfen in der eigenen Praxis etwas später ermöglicht werden kann.

Strukturelle Voraussetzungen für Impfdokumentation und Impfstoffbestellung schaffen

Können alle entscheidenden Fragen auf Bundesebene geklärt werden? Was müssen Kammern und KZVen auf Landesebene noch übernehmen? Fehlen in den Bundesländern auch noch Voraussetzungen?

Eßer: Auf Bundesebene klären wir gerade mit den unterschiedlichen Ansprechpartnern im Bundesministerium für Gesundheit und im Robert-Koch-Institut sowie mit dem zuständigen EDV-Supporter Accenture GmbH die grundsätzlichen Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, damit Zahnärztinnen und Zahnärzte überhaupt impfen dürfen.

Ich gehe davon aus, dass die Kammern auf Länderebene sämtliche berufs- und haftungsrechtliche Fragen klären, die Fortbildungen und deren Testierungen vornehmen und in der Folge sicherlich auch alle organisatorischen Maßnahmen ergreifen und koordinieren werden, damit das mobile Impfen zielgerichtet und bedarfsgerecht vor Ort organisiert, mit den Impfzentren beziehungsweise der Ärzteschaft koordiniert und effizient abgewickelt werden kann.

Den KZVen wird nach unserem aktuellen Informationsstand vor allem eine zentrale Funktion beim Impfen in der eigenen Praxis zukommen. Dabei muss man wissen, dass die gesamte Impfkampagne nicht Bestandteil der vertragszahnärztlichen Versorgung ist, wir also weder in unseren Praxen, in den PVS-Systemen noch in den KZVen strukturelle Voraussetzungen haben, um die nach der Impfsurveillance des RKI zu dokumentierenden Daten im Rahmen des Digitalen Impfmonitorings (DIM) zu erfassen und dann via KZV gebündelt und validiert an das RKI weiterzuleiten. Ebenso wenig verfügen wir bislang über eine EDV-gestützte Möglichkeit, Impfstoffe zu ordern, digitale Impfzertifikate zu erstellen oder eine geordnete Abrechnung von erbrachten Impfleistungen vorzunehmen. Aber ich bin zuversichtlich, alle diese Fragen in einem guten Teamwork relativ kurzfristig einer Lösung zuführen zu können.
 

Grundsätzlich scheint die Bereitschaft der Zahnärzteschaft, sich an der Impfkampagne zu beteiligen, recht groß zu sein. Sie haben in einem gemeinsamen Positionspapier mit der BZÄK festgehalten, dass das Impfen durch Zahnärztinnen und Zahnärzte vor allem in Impfzentren, mobilen Impfangeboten oder auch unterstützend in Arztpraxen erfolgen sollte. Warum?

Eßer: Aus den gerade genannten Gründen wird ziemlich klar, dass wir das mobile Impfen relativ kurzfristig organisieren und damit einen wichtigen Beitrag zur Impfkampagne werden leisten können. Gerade vor der von Minister Lauterbach immer wieder dargestellten dramatischen Progredienz der Omikron-Variante ist es offensichtlich von entscheidender Bedeutung, so schnell wie möglich möglichst viele Menschen zu impfen und zu boostern, um die nach allen wissenschaftlichen Erkenntnissen mit dieser Virusvariante zu erwartende fünfte Welle zu verlangsamen und in ihrer Wirkung abzuschwächen. Schaffen wir das nicht, droht nach den Berechnungen im Frühjahr eine massive Überlastung vor allem im Bereich der stationären Intensivversorgung.

Logistischen und administrativen Aufwand gut bedenken

Viele würden aber gerne in der eigenen Praxis impfen – ist das überhaupt eine realistische und für die Zahnarztpraxis sinnvolle Option? Welche Hürden stehen davor – und gibt es dafür einen Zeithorizont?

Eßer: Die Zahnärzteschaft beweist immer wieder ihre spontane Hilfsbereitschaft und hochprofessionelle Leistungsfähigkeit, gerade und insbesondere in Krisenzeiten. Darauf können wir zu Recht stolz sein.

Zweifelsfrei wird das Impfen in eigener Praxis perspektivisch einen wesentlichen Beitrag zur Verbesserung der Impf- und Boosterquoten leisten können. Allerdings muss der logistische und administrative Aufwand gut bedacht und müssen die notwendigen Vorbereitungen auch in den Praxen sorgfältig getroffen werden, damit es nicht zu Problemen kommt. Wichtige Aspekte sind hier zum Beispiel ein passendes Patienten-Bestell- und Erinnerungssystem, ein Bestell- und Lagerungssystem für Impfstoffe, die Vorhaltung entsprechender Räumlichkeiten für das Impfen, die medizinische Überwachung und Behandlung möglicher Impfreaktionen, des Weiteren die Datenerfassung und Dokumentation, die Ausstellung der Impfzertifikate, die Dokumentationsübermittlung und schlussendlich die Abrechnung, ohne dass ich hier alle Aspekte vollständig aufgezählt habe.
 

Die neue Bundesregierung und der neue Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach haben mit ihrer forcierten Impfkampagne auch Erwartungen bei den Menschen geweckt. Welchen Druck macht der Minister deswegen jetzt auf die Zahnärzteschaft?

Eßer: Für den Minister ist die Krisenbewältigung eine erste und gewaltige Herausforderung. Er hat sich in der Vergangenheit ja nicht gerade als Mentor der Zahnärzteschaft in der Öffentlichkeit hervorgetan. Jetzt braucht er uns und unsere Unterstützung dringend, und diese Erfahrung wird vielleicht dazu beitragen, seine Vorurteile gegenüber uns Zahnärzten abzulegen. Natürlich macht er Druck – und das ist vor dem Hintergrund der pandemischen Situation auch absolut nachvollziehbar.

Aber diesen Druck in unsere Richtung braucht es gar nicht. Ich habe unser Angebot, bei Not am Mann über das mobile Impfen unseren Beitrag zur Pandemiebewältigung zu leisten, schon in der ersten Krisenstabssitzung des BMG mit den Spitzen der Heilberufe im Frühjahr 2020 an den damaligen Minister Spahn adressiert und gebeten, die notwendigen gesetzlichen und rechtlichen Voraussetzungen zu schaffen. Damals hat man diese Notwendigkeit auf Seiten des BMG nicht gesehen, so ist viel wertvolle Zeit verloren gegangen.
 

Auch das Bundesgesundheitsministerium steht seit gut zwei Jahren unter Volllast – nicht nur wegen der andauernden Pandemielage, die Gesetzesflut unter dem vorigen Minister Jens Spahn hat ihren Teil dazu beigetragen. Wie läuft die Zusammenarbeit?

Eßer: Die Zusammenarbeit mit dem von Minister Spahn geführten BMG war sachlich professionell, konstruktiv und von gegenseitiger Achtung und Vertrauen geprägt. Betrachtet man das in dieser Zeit für den Berufsstand und die Versorgung Erreichte, muss man eine sehr positive Bilanz ziehen, auch wenn uns natürlich nicht alle Wünsche erfüllt wurden und man nicht allen Vorschlägen gefolgt ist.

Scharf zu kritisieren bleibt auch im Nachhinein die fehlende Unterstützung und Förderung von Selbstverwaltung und Freiberuflichkeit, eine klare Haltung gegen die zunehmende Vergewerblichung des Gesundheitswesens und die völlig verfehlte Sanktionspolitik des Ministeriums gerade im Bereich der Telematik und TI-Anbindung. Hier sind meine Erwartungen herb enttäuscht worden.

Über die Qualität der Zusammenarbeit aktuell mit dem neuen Minister Lauterbach und seiner Mannschaft kann ich noch nichts Belastbares sagen. Herr Lauterbach ist der achte Gesundheitsminister in meiner aktiven Zeit in der Standespolitik, ich bin zuversichtlich, dass wir auch mit ihm eine professionelle Basis der Zusammenarbeit finden werden. Schließlich haben wir durchaus gemeinsame Aufgaben im Gesundheitswesen zu erfüllen.

„Wir sind approbierte Ärzte“

In den Stellungnahmen der Ärzteschaft zum neuen Gesetz und zum erweiterten Kreis der Impfberechtigten klang eher Ablehnung gegen das Impfen durch Zahnärzte, Apotheker und Tierärzte durch. Nun müssen Kassenärztliche Bundesvereinigung und Bundesärztekammer das Gesetz gemeinsam mit Zahnärzten, Apothekern und auch Tierärzten umsetzen – wie läuft die Zusammenarbeit?

Eßer: Sie haben Recht, hier sind schon ziemlich schräge Kommentare und Stellungnahmen bedauerlicherweise auch von einigen Vertretern der Ärzteschaft gegenüber uns Zahnärzten geäußert worden. Das zeigt erneut, wie vorurteilsbelastet und realitätsfern auch Teile der Ärzteschaft immer noch über uns denken. Sachlich ist die vorgetragene ablehnende Haltung in keiner Weise zu begründen. Wir sind approbierte Ärzte, bilden uns auch zum Beispiel in notfallmedizinischen Themen permanent fort.

Dass man hier vereinzelt meint, Zahnärzte könnten keine Impfanamnese erheben, Impfberatungen durchführen, intramuskuläre Injektion setzen oder Impfreaktionen beherrschen, ist einfach skurril. Ich habe hier eher den Verdacht, dass diese Funktionäre mit ihren despektierlichen Äußerungen vermeintliche ärztliche Claims sichern wollten.
 

In der Zahnärzteschaft scheint es teilweise auch die Hoffnung zu geben, dass das Impfen allgemein künftig zum Tätigkeitsspektrum einer Zahnärztin/eines Zahnarztes gehören und Teil der Leistungen einer Zahnarztpraxis sein könnte. Wie bewerten Sie das?

Eßer: Dass Zahnärztinnen und Zahnärzte durchaus fachlich dazu in der Lage wären, habe ich gerade dargestellt. Ob ein solches Ansinnen auch klug und erforderlich ist, sei dahingestellt.

Die jetzige Pandemielage erfordert unseren Einsatz, außerhalb von Krisenzeiten reichen die ärztlichen Kapazitäten aus, um den Impfschutz der Bevölkerung sicherzustellen. Also sehe ich keine Notwendigkeit, aus der Notsituation eine Forderung für die Regelversorgung zu konstruieren. Ich bin der Meinung, dass wir die vorgegebenen Ordnungen und Zuständigkeiten nicht in Frage stellen sollten. Ich möchte auch nicht, dass die Humanmediziner auf einmal Forderungen erheben, zahnmedizinische Leistung erbringen zu dürfen.

Impfwillige Zahnärzte sollten sich bei Kammern und KZVen melden

Was können Kolleginnen und Kollegen, die die Impfkampagne gegen Covid-19 unterstützen und impfen wollen, jetzt schon tun? Und wo bitten Sie noch um Geduld?

Eßer: Ich würde es außerordentlich begrüßen, wenn sich Kolleginnen und Kollegen intensiv auf das mobile und in der Folge auch auf das stationäre Impfen vorbereiten würden. Gerade im Hinblick auf das mobile Impfen ist es wichtig, sich regional zu organisieren. Es wäre schön, wenn sich diejenigen, die sich freiwillig an Impfmaßnahmen beteiligen wollen, regional zusammenfinden, sich gegenseitig austauschen und bei den Kammern und KZVen melden, damit sie dort erfasst und betreut werden können.

Um zahnärztliche Impfteams dann zielgenau einsetzen zu können, sollten wir ähnlich wie bei der Schaffung des bundesweiten Netzes von Schwerpunktpraxen bei der Pandemiebekämpfung eine Organisationsstruktur über die Landeskörperschaften und deren regionale Strukturen nutzen.

KZVen und Kammern werden in Kürze entsprechende Informationen und Angebote in den Berufsstand geben. Bis diese vor Ort abrufbar sind empfiehlt es sich, die Homepages von KZBV und BZÄK sowie den Landeskörperschaften zeitnah nach aktuellen Informationen zu durchforsten.

Das Gespräch mit den Patienten suchen

Und bevor wir aktiv impfen können, möchte ich aber auch an dieser Stelle noch einmal sehr herzlich dazu aufrufen, das besondere Vertrauensverhältnis, das unsere Patienten zu uns haben, dazu zu nutzen, für das Impfen und Boostern bei jedem Patientenkontakt zu werben und gerade das aufklärende Gespräch mit denen zu suchen, die noch nicht geimpft oder geboostert sind oder eine kritische, vielleicht sogar abwehrende Haltung dazu haben. Auch damit können wir ansonsten vorprogrammiertem Leid aktiv vorbeugen.

 

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