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Bostoner Wissenschaften stellen gesundheitsfördernde Eigenschaften von Milch auf den Prüfstand

Für gesunde Knochen, gegen Übergewicht, Darmkrebs und Typ-2-Diabetes – Milch gilt allgemein als gesundes Lebensmittel, als unverzichtbare Kalzium-, Vitamin-D und Proteinquelle vor allem in Kindheit und Jugend. Zwei amerikanische Ernährungswissenschaftler bezweifeln im New England Journal of Medicine vom 13. Februar weit verbreitete Ansichten über den gesundheitlichen Nutzen von Milch, so ein Beitrag des Ärzteblatts vom 4. März 2020.

Milch und Milchprodukte sind reich an Kalzium und Vitamin D. Ihr häufiger Verzehr sollte deshalb die Knochen festigen und im Alter vor Knochenbrüchen schützen. Doch in Ländern wie Dänemark und Schweden, in denen Milch und Milchprodukte fester Bestandteil der Ernährung sind, erleiden etwa dreimal so viel Menschen Hüftfrakturen wie in China und Indonesien, wo ein großer Anteil der erwachsenen Bevölkerung keine Milch verträgt. Nach den Daten, die der Epidemiologe Walter Willett und der Endokrinologe David Ludwig, beide von der Harvard T.H. Chan School of Public Health in Boston, in ihrer Publikation vorstellen, steigt mit zunehmendem Verzehr von Milch und Milchprodukten das Knochenbruchrisiko. Ob diese Korrelation kausal ist oder ob es andere Gründe für die niedrige Frakturrate in Südostasien gibt, sei offen, räumen die Autoren ein

Hoher Milchkonsum korreliert mit Hüftfrakturen

Fest stehe allerdings, dass Männer in Peru, die weniger als 200 mg Kalzium täglich zu sich nehmen, was 1/5 der Zufuhr erwachsener US-Amerikaner ist, sich deshalb keine Sorgen machen müssen, im Alter eine Osteoporose zu entwickeln. Offenbar ist der Darm dieser Menschen in der Lage, genügend Kalzium zu resorbieren, um den Knochen ausreichend zu versorgen.

Auch die klinischen Studien, in denen ältere Menschen (meistens postmenopausale Frauen) durch die Einnahme von Kalzium vor osteoporotischen Frakturen geschützt werden sollten, haben laut Willett und Ludwig ihr Ziel nicht erreicht. Hingegen gibt es Studien, die den häufigen Milchkonsum in der Kindheit mit einem erhöhten Frakturrisiko im Alter in Verbindung bringen.

In der Health Professionals Follow-up Study stieg das Risiko mit jedem zusätzlichen Glas Milch um 9 Prozent (JAMA Pediatrics 2014; 168: 54-60). Eine mögliche Erklärung ist die Förderung des Wachstums durch Milch. In Ländern, in denen Milch getrunken wird, sind die Menschen etwas größer. Epidemiologische Studien zeigen, dass größere Menschen ein erhöhtes Risiko für Knochenbrüche haben. Eine zweite verbreitete Ansicht ist, dass (vor allem fettarme) Milch bei Diäten hilft. Die Ergebnisse aus epidemiologischen Studien und aus wenigen randomisierten Studien liefern dafür keine Hinweise. In den epidemiologischen Studien war die Zufuhr von fettarmer Milch bei Jugendlichen eher mit einem Anstieg des Körpergewichts verbunden. Da die fettarme Milch sie nicht gesättigt hat, nahmen die Jugendlichen vermutlich die Kalorien über andere Nahrungsmittel auf. Ähnliche Phänomene werden für kalorienreduzierte Süßgetränke beschrieben.

Milch fördert Wachstum, nicht die Knochenqualität

Ohne Wirkung blieb auch ein tägliches Glas Milch, das Grundschüler aus ärmeren Wohngebieten im Rahmen einer randomisierten Studie zusätzlich zum kostenlosen Schulessen erhielten. Nach 21 Monaten hatten sie das gleiche Gewicht wie in der Kontrollgruppe, denen zum Essen keine Milch gereicht wurde.

Interessanterweise hatte das tägliche Glas Milch jedoch das Wachstum beschleunigt. Die Schüler waren am Ende der Studie um 3 Zentimeter größer (Journal of Epidemiology & Community Health 1980; 34: 31-4). In einer jüngeren Studie blieben fettarme Milch und Jogurt ohne Einfluss auf die Gewichtsentwicklung von weiblichen Teenagern, die nach der Menarche stärker an Gewicht zugelegt hatten (American Journal of Clinical Nutrition 2017; 105: 1046-53).

Auch die von Ernährungswissenschaftlern angeführte protektive Wirkung gegen Darmkrebs ist nur eine Seite der Medaille. Auf der anderen Seite gibt es Studien, in denen der Milchkonsum mit einem erhöhten Risiko von Prostatakrebs bei Männern und Endometriumkrebs bei Frauen assoziiert war. Harvardmediziner haben jüngst in einer Analyse der beiden Nurses Health Studies und der Health Professionals Follow-up Study eine leicht erhöhte Krebs- und Gesamtsterblichkeit bei Teilnehmern mit einer höheren Zufuhr von Milch (nicht aber von Käse oder fettarmer Milch) gefunden (BMJ 2019; 367: l6204).

Proteinquellen im Vergleich

Interessant ist auch eine jüngst in JAMA Intern Medicine (JAMA 2019; 179: 1509-1518) publizierte Studie aus Japan, die das Sterberisiko mit der Herkunft der Proteine in der Nahrung verglich. Am günstigsten waren Proteine aus pflanzlichen Nahrungsmitteln, gefolgt von Geflügel und Fisch. Es folgten Proteine aus Milch und Milchprodukten vor unverarbeitetem Fleisch, Eiern und dem Schlusslicht Wurstwaren. Ungünstig ist die Produktion von Proteinen in Kühen aus Umweltgründen. Der negative Einfluss auf die Umwelt ist pro produzierte Einheit Proteine 5 bis 10 Mal höher als bei Soja und anderen pflanzlichen Eiweißen.

Titelbild: Roman Samborskyi/shutterstock.com
Bibliografía: Ärzteblatt Praxis Nachrichten Bunte Welt

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