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Interview mit dem neuen Geschäftsführenden Vorstand der Bundeszahnärztekammer über GOZ, PAR-Richtlinie und aktuelle Aufgaben von Niederlassung bis ZFA-Ausbildung

(c) BZÄK/axentis.de

Die Bundesversammlung der Bundeszahnärztekammer mit der denkwürdigen Wahl eines neuen Geschäftsführenden Vorstands liegt erst knapp vier Wochen zurück, die erste Klausurtagung ist absolviert, die ersten Positionen sind in einem Hintergrundgespräch bezogen worden. BZÄK-Präsident Prof. Dr. Christoph Benz, Vizepräsidentin Dr. Romy Ermler und Vizepräsident Konstantin von Laffert diskutierten in einem Zoom-Meeting mit Dr. Marion Marschall, Chefredakteurin Quintessence News, die aktuellen Themen und Perspektiven.

 

Die Wahl des neuen GV hat ein Signal gesetzt – nach innen in die BZÄK und Bundesversammlung, aber auch in den Berufsstand und die Öffentlichkeit. Welche Reaktionen gab es darauf aus dem Berufsstand selbst, aber auch aus der Politik?

Prof. Christoph Benz: Es gab von allen Seiten nur positive Signale: Jünger, weiblicher, das tatsächliche Bild des Berufsstands wird besser widergespiegelt. Wir haben uns über die Glückwünsche sehr gefreut, jetzt müssen wir in der täglichen Arbeit liefern.

Dr. Romy Ermler: Ich habe sehr viel Zuspruch erfahren, dafür möchte ich mich gerne bedanken. Es gibt viel Wohlwollen, aber auch Erwartungen, nicht nur der Frauen im Berufsstand. Jetzt müssen wir anfangen zu arbeiten.

 

Sie haben in einem Hintergrundgespräch nach der Wahl gesagt, die Aufgabenverteilung im GV und die Priorität der Themen werde jetzt über den Sommer festgelegt. Sie haben sich gerade mit dem gesamten Vorstand der BZÄK zu einer Klausurtagung getroffen – welche Themen aus dem politischen Tagesgeschäft sind jetzt vorrangig? Wozu will – oder muss – die BZÄK jetzt zeitnah Stellung beziehen?

Benz: Es gibt zwei heiße Themen, wo wir sehr schnell liefern wollen. Das erste und aktuellste Thema ist die Überkommerzialisierung des Berufsstands, sowohl mit Blick auf die Fremdinvestoren in den Praxisstrukturen als auch auf die gewerblichen Anbieter von zahnärztlichen Leistungen, Stichwort Aligner. Hier spüren wir aktuell starken Rückenwind aus der Politik. Einige Ereignisse der vergangenen Monate haben auch der Politik gezeigt, dass zu viel Ökonomie im Sinne von gewerblichen Angeboten in der Medizin schadet. Vor allem im Rahmen der Anhörung des Gesundheitsausschusses des Deutschen Bundestages scheint es uns gelungen zu sein, die Abgeordneten von der Notwendigkeit gesetzlicher Regelungsbeschränkungen im Zahnheilkundegesetz zu überzeugen.
 
Das zweite Thema ist die PAR-Richtlinie in der Gesetzlichen Krankenversicherung, die die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung erfolgreich verhandelt hat. Das scheint ein echter Meilenstein zu sein. Jetzt geht es parallel darum die Schnittstellen zu den ergänzenden privaten Leistungen zu definieren. Die Zahnärztekammer Niedersachsen hat dazu bereits ein Papier mit Expertinnen und Experten aus der Wissenschaft erarbeitet, das wir auf unserer Klausurtagung besprochen haben. Ziel ist es, hier für die Kolleginnen und Kollegen sehr schnell ein solches Schnittstellen-Papier für die PAR-Strecke vorzulegen.

Mich persönlich ärgert dabei die Janusköpfigkeit der Politik: In der Rechtsberatung werden Fremdkapitalgeber zum Mandantenschutz zurückgedrängt. Aber wenn es um Gesundheit geht, soll das selbstverständlich möglich sein. Warum der Patientenschutz weniger wichtig ist, konnte mir noch keiner erklären.

Konstantin von Laffert: Tatsächlich hat sich in der Politik bei den Themen gewerbliche Aligner-Anbieter und Fremdkapital in der medizinischen Versorgung, zum Beispiel in den MVZ, für uns ein Fenster geöffnet. Beide Themen könnten mit Änderungen am Zahnheilkundegesetz so geregelt werden, dass die bestehenden Lücken zum Beispiel in der derzeit fehlenden Zuständigkeit der Kammern für Verstöße gegen die Berufsordnung geschlossen werden könnten.

Wir haben ein Momentum, es sind Türen aufgegangen zu einer Lösung. Jetzt steht der Bundestagswahlkampf vor der Tür, in dem wir bei diesen Themen Pflöcke einschlagen und verbindliche Aussagen von den Parteien und Politikerinnen und Politikern erreichen müssen. Nach der Wahl müssen wir dranbleiben. Dabei hilft uns sicherlich die gewachsene Aufmerksamkeit in den Medien und der Öffentlichkeit bei diesem Thema.

 

Im Interview via Zoom: BZÄK-Präsident Prof. Dr. Christoph Benz, Dr. Marion Marschall, Chefredakteurin Quintessence News, BZÄK-Vizepräsidentin Dr. Romy Ermler und BZÄK-Vizepräsident Konstantin von Laffert (von links oben im Uhrzeigersinn).
Im Interview via Zoom: BZÄK-Präsident Prof. Dr. Christoph Benz, Dr. Marion Marschall, Chefredakteurin Quintessence News, BZÄK-Vizepräsidentin Dr. Romy Ermler und BZÄK-Vizepräsident Konstantin von Laffert (von links oben im Uhrzeigersinn).
Screenshot: Quintessence News

 

Und welche weiteren Themen werden Sie angehen, zum Beispiel was die Arbeit in der BZÄK und der Kammern angeht?

Benz: Wir haben in der Pandemie in den Kammern und alle gemeinsam in der BZÄK eine erfolgreiche Arbeit geleistet. Dabei sind wir deutlich stärker zusammengerückt und konnten gemeinsam vieles gut meistern. Daher brauchen wir keine Revolution, aber schon eine Struktur-Evolution in den Kammern und im Verhältnis zur BZÄK. Das Gemeinschaftsgefühl gilt es noch stärker zu etablieren, auch in den Berufsstand hinein.

Wir müssen uns zudem die Strukturen in der BZÄK selbst anschauen. In den vergangenen Jahren sind viele neue Aufgaben und Themen dazugekommen, wo wir die Strukturen sicher neu sortieren sollten.

von Laffert: In der Pandemie hat sich noch einmal sehr deutlich gezeigt, dass wir den Austausch unter den Länderkammern unbedingt fördern und intensivieren müssen. Dazu wollen wir eine neue und bessere Plattform etablieren. Unser Vorschlag und Ziel ist es, dass neue Themen nicht immer von allen Kammern parallel bearbeitet werden. Das bindet viele Kapazitäten und kostet Zeit. Vielmehr sollten die von einer Kammer oder einer Kammergruppe schon bearbeiteten Unterlagen zu einem Thema auch den anderen Kammern zur Verfügung gestellt werden, die diese dann ebenfalls nutzen können. Das ist auch eine Frage des Vertrauens und des intensiveren Austauschs.

Und neue Themen gibt es ja genug, zum Beispiel bei der nachhaltigen Zahnmedizin und Praxisführung. Da gibt es Druck und Nachfrage aus den Praxen, die wollen zügige und verlässliche Antworten.

Ermler: Wir müssen uns angesichts der vielen Aufgaben und Themen, die von den Kammern und der BZÄK bearbeitet werden müssen, eine gute Basis schaffen. Auf einem wackeligen Tisch kann man nicht tanzen.
 

„Wir erleben einen Wandel der Zahnmedizin hin zur Präventionsmedizin“

Mundgesundheit und Allgemeingesundheit rücken – auch durch die WHO und die FDI – immer stärker in den Fokus. Mit dem Gesundheitsziel Mundgesundheit der WHO müssen nun auch die Regierungen der Mitgliedsstaaten die Mundgesundheit vor allem im Zusammenhang mit nicht übertragbaren Krankheiten fördern und einbeziehen. Im deutschen Präventionsgesetz blieben die Zahnärzte ja – bis auf die Nennung als Vorbild der Prävention – bislang außen vor. Eine Novellierung des Gesetzes ist angekündigt, steht aber noch aus. Wie wollen Sie dieses Thema auf politischer Ebene, aber auch in die Öffentlichkeit und den Berufsstand hinein für die Zahnärzteschaft angehen?

von Laffert: Diese WHO-Resolution zur Mundgesundheit ist wirklich ein Meilenstein, auch für die Arbeit der Zahnärztinnen und Zahnärzte in Deutschland. Und sie kommt passgenau zu unseren Mundgesundheitszielen 2030, die das Institut der Deutschen Zahnärzte jetzt veröffentlicht hat. Die Zahnmedizin wird häufig abgekoppelt gesehen von der Allgemeinmedizin, die Kompetenz der Zahnmedizin für die Gesamtgesundheit oft nicht wahrgenommen. Jetzt fordert die WHO genau diese Einbindung der Mundgesundheit und Zahnmedizin in die Präventionsmaßnahmen gegen die nicht übertragbaren Erkrankungen wie Diabetes.

Die Corona-Pandemie hat die Wahrnehmung der Mundgesundheit und der Zahnmedizin als orale Medizin insgesamt schon befördert – die WHO liefert uns hier jetzt die Steilvorlage, diese Position auszubauen. Natürlich auch in der Novelle des Präventionsgesetzes, sobald sie kommt.

Benz: Wir sehen die grandiosen Erfolge in der Prävention, vor allem der Karies. Und die sind in der Praxis entstanden. Das von der Politik gern ausgesprochene Lob für die Präventionserfolge gebührt also der Praxis. Wir erleben einen Wandel der Zahnmedizin hin zu einer Präventionsmedizin – etwas, was in der Allgemeinmedizin immer noch keine wichtige Rolle spielt. Und Zahnmedizin als orale und präventive Medizin sieht den gesamten Menschen und die Zusammenhänge zum Beispiel mit der Ernährung und den Allgemeinerkrankungen. Wenn das nun von der WHO so anerkannt wird, dürfen wir Zahnärztinnen und Zahnärzte das auch mal genießen.

 

Ein Fokusthema dabei ist Ernährung, vor allem Zucker. Herr von Laffert, Sie haben sich damit schon befasst und auf die unzureichenden Maßnahmen hingewiesen, mit denen in Deutschland derzeit der Zuckerkonsum reduziert werden soll. Welche Erfahrungen haben Sie dabei gemacht und welche Ansätze sehen Sie für die Zahnärzteschaft bei diesem Thema?

von Laffert: Zucker und Ernährung sind ein dickes Brett in der Politik. Die jetzt unter der Ernährungsministerin Julia Klöckner erreichten Regelungen greifen viel zu kurz, sind zu unverbindlich, weil freiwillig für die Ernährungsindustrie, und auf einen zu langen Horizont angelegt. Wenn ich da manche Werbung sehe, man habe jetzt den Zuckeranteil in Joghurts für Kinder reduziert, und am Ende ist nun so viel Zucker enthalten wie in den viel zu süßen „normalen“ Joghurts, dann macht mich das fassungslos. So ein handelsüblicher Fruchtjoghurt im 250-Gramm-Becher enthält schnell mal 11 Stück Würfelzucker. Versuchen Sie mal, diese Menge Zucker einfach so zu essen.

Dabei haben wir als Zahnärzte schon vor Jahren dazu immer wieder klar Stellung bezogen, die Veröffentlichungen im Bundesgesundheitsblatt, vom IDZ, unsere Stellungnahmen zu den Gesetzesvorhaben sind bekannt. Die Bundesversammlung hat uns mit großer Mehrheit einen Auftrag erteilt, bei diesem Thema hartnäckig zu bleiben. Der Zuckergehalt verarbeiteter Lebensmittel muss deutlich und schnell runter.
 

„Wir müssen die Freude an der Arbeit wieder stärker herausstellen“

Frau Dr. Ermler, Sie haben im Gespräch mehr Initiative in Richtung Berufsnachwuchs angekündigt – umfassende Information und Ermutigung zur Niederlassung, frühzeitige Ansprache, stärkeres Einbinden der jungen Kolleginnen und Kollegen. Das klang nach einem neuen Ansatz, auch mit den Erfahrungen aus den Länderkammern – gibt es dazu schon konkretere Überlegungen?

Dr. Romy Ermler auf der Bundesversammlung der BZÄK Anfang Juni 2021 in Berlin.
Dr. Romy Ermler auf der Bundesversammlung der BZÄK Anfang Juni 2021 in Berlin.
Foto: BZÄK/axentis.de
Ermler: Hier können wir auf vielen guten Ansätzen in den Ländern aufbauen. Ich habe das in Brandenburg betreut – wir sind ein Flächenland, und unsere Probleme gibt es auch in vielen anderen Flächenländern. Wichtig ist, dass wir die Freude an der Arbeit in der – eigenen – Praxis wieder stärker herausstellen. Viele junge Zahnärztinnen und Zahnärzte schreckt vor allem die Bürokratie ab, die sie mit der eigenen Praxis verbinden. Das ist natürlich ein großes, bundesweites Thema, und da muss dringend etwas passieren, aber auch die Bürokratie kann man gut in den Griff bekommen, sodass die Freude an der Arbeit ganz klar überwiegt.

Insgesamt muss der ländliche Raum mehr gefördert werden – die Forderung geht an Bund, Länder und Kommunen, und die Zahnärztekammern müssen da im Gespräch sein und die Kolleginnen und Kollegen auch vertreten. Wir brauchen dort Infrastruktur und auch andere, neue Lösungen, zum Beispiel Ärztehäuser.

Die Corona-Pandemie hat den Blick ja stärker aufs Land gelenkt, das muss man jetzt ausnutzen. Wenn die Strukturen stimmen für die Familie mit Schule und Kinderbetreuung, mit der Infrastruktur und Anbindung an Arbeitsplätze für die Partnerinnen und Partner, dann ist auch die Entscheidung, sich dort als Zahnärztin oder Zahnarzt niederzulassen, leichter.

von Laffert: Dabei spielen Niederlassungsseminare und Beratungen neuer Kammermitglieder eine große Rolle. Wir laden alle, die sich neu bei uns in der Kammer anmelden, zu einem Gespräch mit dem Vorstand und der Geschäftsführung ein, und informieren zur Situation in Hamburg. Die Stadt ist für junge Zahnärztinnen und Zahnärzte sehr attraktiv – aber die Zahnarztdichte und damit der Wettbewerbsdruck sind hoch. Nur eine halbe Stunde Fahrzeit außerhalb im Umland sieht das ganz anders aus und sind die Erfolgsaussichten für eine Niederlassung viel besser.

Benz: Wir müssen den jungen Kolleginnen und Kollegen Mut machen und nicht den eigenen Nachwuchs vergraulen, indem wir immer nur auf das Negative – Bürokratie, GOZ – hinweisen. Und wir müssen gemeinsam mit dem Berufsnachwuchs neue Ideen und Konzepte für die Niederlassung entwickeln. Gerade eine Praxis in ländlichen Regionen kann sehr erfüllend und wirtschaftlich erfolgreich sein.

Dieser ganze Bereich Praxisgründung ist zum Teil überkommerzialisiert – wir müssen das Thema wieder stärker in die eigene Hand nehmen. Der Zukunftskongress und der Studierendentag auf dem Deutschen Zahnärztetag sind für uns da wichtige Termine.

Ermler: Die neue Approbationsordnung sieht Famulaturen vor – das ist eine Chance gerade für Landpraxen, den Berufsnachwuchs dafür zu gewinnen. Ich hoffe, dass sie diese Chance auch nutzen und so ein realistisches Bild vermitteln können.
 

„Die Zeit der reinen Lehre ist vorbei“

Die Bundesversammlung hat dem Vorstand erneut den Auftrag erteilt, etwas in Sachen Punktwert Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) zu unternehmen. In der Diskussion der BV wurde gefordert, dass die BZÄK den Praxen mehr Informationen und Hilfestellung geben müsse, was die Bewertung der Leistungen in der GOZ gegenüber dem Bema, die Möglichkeiten der Steigerung oder freien Vereinbarung angeht. Das hatte der Vorstand auch aufgegriffen. Bislang war die BZÄK bei solchen Vergleichen/Empfehlungen allerdings recht zurückhaltend. Wird sich das nun ändern?

Benz: Wir haben da tatsächlich einen leider geringen Spielraum, was konkrete Empfehlungen angeht. Da hat uns das Bundeskartellamt schon einmal ausgebremst.

Was wir aber tun können, ist den Zahnarztpraxen Informationen an die Hand zu geben, was die eigenen Kosten, die Praxisstunde, die nötigen Honorarerlöse angeht. Dazu gibt es auch neue Tools wie die veränderte GOZ-Analyse, und auch das Zahnärzte-Praxis-Panel der KZBV liefert wichtige Informationen.
Die Privaten Krankenversicherungen sind am Verhandlungstisch eisenhart. Auf der anderen Seite müssen auch sie sich weiterentwickeln, die Dynamisierung ist kein Tabu. Zum Beispiel fehlen zur zahnärztlichen Betreuung in der Pflege die Angebote der PKV.

Blickt man auf die Wahlprogramme der meisten Parteien zur Bundestagswahl, haben wir aber gemeinsam ein ganz anderes Problem: Wir müssen erst einmal dafür sorgen, dass es auch in Zukunft weiter Privatversicherte in der bekannten Form geben wird.

BZÄK-Vizepräsident Konstantin von Laffert auf der Bundesversammlung der BZÄK Anfang Juni 2021 in Berlin
BZÄK-Vizepräsident Konstantin von Laffert auf der Bundesversammlung der BZÄK Anfang Juni 2021 in Berlin
Foto: BZÄK/axentis.de
von Laffert: Wir hatten auf unserer Klausurtagung am 18. und 19. Juni in Potsdam auch einen Vertreter des PKV-Verbands zu Gast. Die Erkenntnis: Wir müssen endlich aus dem Stellungskrieg raus, den wir seit 32 Jahren bei GOZ und Punktwert führen, und mal quer und neu denken, wenn wir in der GOZ weiterkommen wollen. Die Zeit der reinen Lehre ist vorbei.

Den Fahrplan haben wir von PKV-Verband und  Bundesgesundheitsministerium schon bekommen: Erst kommt die Gebührenordnung für Ärzte, die ja eine grundlegende Neuordnung enthält, dann die Neuausrichtung der GOZ. Und dann werden auch wir Kröten schlucken müssen, wenn wir für die Zukunft wirklich etwas erreichen wollen in der GOZ.

 

Die Zusammenarbeit mit der KZBV war auf der BV ebenfalls mehrfach Thema. Der Gesetzgeber auf nationaler und internationaler Ebene macht die Zusammenarbeit ja nicht leichter, weil immer mehr Kammerthemen in die Sozialgesetzgebung verschoben werden. Gab es schon Gespräche zwischen dem neuen GV und dem KZBV-Vorstand? Welche Themen müssen jetzt gemeinsam bearbeitet werden?

Benz: Was die Zusammenarbeit angeht, mache ich mir keine Sorgen. Wir sind im Austausch. Wir haben unsere gemeinsamen Positionierungen erarbeitet und werden das weiter tun. Bei manchen Dingen ist auch ein gesunder Wettbewerb ganz positiv.

Wir haben in vielen Ländern eine sehr gute Zusammenarbeit von Kammern und KZVen, gerade in der Corona-Pandemie sind die Körperschaften sehr zusammengerückt. Und viele Themen wie die Motivation zur Niederlassung sind ohnehin gemeinsame Themen.

Und ja, diese „SGB-isierung“ der zahnärztlichen Berufsausübung durch die Politik findet statt, und das muss man sehr kritisch begleiten. Die Themen PAR-Richtlinie und Überkommerzialisierung haben wir ja schon genannt.

Insgesamt müssen wir aber auch schauen, dass wir in unserer politischen Arbeit nicht einfach die Strukturen der jetzt 60-jährigen Babyboomer weiterentwickeln, sondern zukunftsfähige Strukturen für die jungen Kolleginnen und Kollegen aufbauen. Dazu ist es wichtig, dass wir wissen, was sie erwarten, wo es aus ihrer Sicht langgehen soll. Das müssen sie uns auch sagen beziehungsweise sagen können. Die jungen Zahnärztinnen und Zahnärzte in die Arbeit unserer Körperschaften einzubeziehen, steht für uns alle ganz oben auf der Tagesordnung.
 

„Der Delegationsrahmen gilt weiterhin“

Stichwort PAR-Richtlinie: Das ist ja ein hoch aktuelles Thema für die Praxen und die Zusammenarbeit. In den Praxen und beim Fachpersonal scheint es große Verunsicherung in Sachen Delegationsrahmen und Delegation neuer Leistungen aus der PAR-Richtlinie zu geben. Es werden Anpassungen gefordert. Auf der Bundesversammlung und auf Anfrage an die BZÄK wurde aber schon signalisiert, dass es keinen Anpassungsbedarf gibt. Wird es denn unterstützend für die Praxen Handreichungen zur Delegation, auch mit Blick auf die Richtlinie, geben?

Prof. Dr. Christoph Benz auf der Bundesversammlung der BZÄK im Juni 2021 in Berlin
Prof. Dr. Christoph Benz auf der Bundesversammlung der BZÄK im Juni 2021 in Berlin
Foto: Quintessence News
Benz: Die Verunsicherung rührt wohl aus einer nicht ganz vollständigen Darstellung zum Thema „zahnärztliche Leistungen“ in einer KZV-Veranstaltung. Die Aufregung ist aber unbegründet. Der Delegationsrahmen gilt weiterhin, und alle Leistungen, die bisher an entsprechend qualifiziertes Fachpersonal delegiert werden konnten, können das selbstverständlich auch weiterhin.

Abgesehen davon: Der Delegationsrahmen ist von 2009 – wir werden uns das nicht nur wegen der neuen PAR-Richtlinie sicher noch einmal genauer anschauen, ob es Änderungsbedarf gibt und ob wir dann zu einer bundeseinheitlichen und von allen Kammern getragenen Fassung kommen.

Die PAR-Richtlinie gibt aber ein sehr wichtiges Signal in die Praxis. Die Parodontologie ist unser Schlüssel zur allgemeinen Gesundheit. Es ist für die Zahnärzte daher jetzt und in Zukunft sehr wichtig, in diesem Thema fit zu sein.

Ermler: Die Patientenberatung hat in der Praxis einen hohen Stellenwert. Die Parodontologie ist auch in meiner Praxis ein Schwerpunkt. Es ist für den Behandlungserfolg wesentlich, die damit zusammenhängenden allgemeinmedizinischen Themen zu kennen und den Patienten als Zahnärztin fit zu machen für das Gespräch mit dem Hausarzt, gerade bei Diabetes.

Benz: Und natürlich plant die BZÄK unterstützend zur neuen PAR-Richtlinie auch Öffentlichkeitsarbeit, so in der Kampagne „Gesund ab Mund“. Der Tag der Zahngesundheit hat das Thema Zahnfleischerkrankungen, es wird Informationsmaterial geben etc. Starten wird das alles im nächsten Winter/Frühjahr, wenn die Behandlungsstrecken in der Praxis etabliert sind.

Dabei wird sicher auch die Initiative proDente eine Rolle spielen – hier gilt mein großer Dank Dietmar Oesterreich, der das über viele Jahre sehr erfolgreich betreut hat. Da gab es viel guten Input für die Öffentlichkeit, aber auch für die Praxen. Ich hoffe, dass ich das so fortsetzen kann.
 

„Die Bereitschaft zur Ausbildung ist nach wie vor hoch“

Am 1. August startet das neue Ausbildungsjahr. Wie hoch ist die Bereitschaft der Praxen, auch in Corona-Zeiten auszubilden? Der Fachkräftemangel macht sich ja bemerkbar, auch wenn jetzt mehr ZFA arbeitslos gemeldet sind, und viele ausgebildete ZFA kehren dem Beruf schnell den Rücken – wird es von den Kammern und BZÄK wieder Initiativen für die Ausbildung geben? Im kommenden Jahr erwarten wir ja auch eine neue Ausbildungsverordnung.

von Laffert: Bundesweit ist die Zahl aller neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge quer durch alle Branchen 2020 um 9,4 % gesunken – der Rückgang bei der Ausbildung zur ZFA bewegt sich ebenfalls in diesem Bereich. Insgesamt ist die Bereitschaft zur Ausbildung in den Zahnarztpraxen nach wie vor sehr hoch. Die Praxen haben begriffen, dass nur der auch künftig geeignetes Personal haben wird, der es selbst ausbildet.

Die Frage, wie wir qualifiziertes Personal im Beruf halten können, bewegt mich auch selbst sehr. Ich erlebe das in der eigenen Praxis täglich, zum Glück sind viele unserer Mitarbeitenden schon sehr lange bei uns. Aber wir werden an diesem Thema in den kommenden Jahren noch zu kauen haben. Da ist die Frage der Verdienstmöglichkeiten, aber auch wie es gelingen kann, den Beruf dauerhaft attraktiver zu machen. Die neue Ausbildungsordnung, die hoffentlich zum 1. August 2022 in Kraft treten kann, wird einen Anteil haben.

Benz: Die Qualität der Ausbildung in den Praxen spielt ebenfalls eine Rolle – hier werden wir selbst eine Befragung der Auszubildenden starten. Schwarze Schafe unter den Ausbildenden fallen heute durch Social Media auch schneller auf.

Ein Problem sind die Berufsschulen, es fehlt vielfach an qualifizierten Lehrkräften. In einigen Ländern wie in Bayern haben wir Wege gefunden, das zu verbessern. Aber da sind unsere Mittel als Kammern leider begrenzt.

Ermler: Neben dem Mangel an Lehrkräften machen gerade in den Flächenländern auch die Schließungen von Berufsschulen wegen zu geringer Schülerzahlen den ausbildungswilligen Praxen und Azubis zu schaffen. Auch das gehört zu den Themen, die wir in den Ländern mit den Landesregierungen und Kreisen ansprechen und für die Lösungen gefunden werden müssen.

von Laffert: Wir werden vonseiten der BZÄK und der Länderkammern natürlich auch alle Wege nutzen, für den Beruf der ZFA und die Ausbildung in der Zahnarztpraxis zu werben. Aktuell läuft eine Kampagne des Bundesverbands der Freien Berufe, an der wir uns beteiligen, ebenso an verschiedenen anderen Aktivitäten wie dem Sommer der Berufsausbildung. Außerdem bieten wir Informationen über die Social-Media-Kanäle wie Twitter, Facebook und Instagram.

Und was man in diesem Zusammenhang auch immer wieder betonen muss: Die Praxen leisten in der Ausbildung einen wichtigen Teil zur Integration von Jugendlichen mit Migrationshintergrund und geben vor allem jungen Frauen eine Perspektive.

Titelbild: Der neu gewählte Geschäftsführende Vorstand auf der Bundesversammlung der BZÄK Anfang Juni 2021 in Berlin: Dr. Romy Ermler, Konstantin von Laffert und Prof. Dr. Christoph Benz.

 

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