„Wir müssen von unseren Gehältern auch leben können.“ Diese Forderung war am 8. Februar 2023 vor dem Brandenburger Tor in Berlin häufig zu hören. Wieder hatten sich Medizinische und Zahnmedizinische Fachanstellte (MFA/ZFA) auf Initiative des Verbands medizinischer Fachberufe (VMF) zu einer Protestaktion versammelt – und erfuhren erneut viel Unterstützung vonseiten der Standesvertretungen und Berufsverbände der niedergelassenen Ärzte und Zahnärzte.
Bei eisigen Temperaturen machten die Präsidentin des Verbands, Hannelore König, die Referatsleiterin ZFA, Sylvia Gabel, und viele – männliche und weibliche – MFA und ZFA ihrem Ärger Luft und formulierten ihre Forderungen an die Politik. Mehr Wertschätzung – in Form von öffentlicher Anerkennung und Berücksichtigung bei Boni durch die Politik. Wertschätzung aber auch in Form von höheren Leistungsvergütungen im ambulanten Bereich, die die Leistungen des Fachpersonals berücksichtigen und es damit den Praxisinhaberinnen und -inhabern ermöglichen, ihre MFA und ZFA besser und angemessen zu bezahlen.
„Unserer Ziele sind klar: Wir fordern angemessene Gehälter für MFA und Zahnmedizinische Fachangestellte (ZFA) in den ärztlichen und zahnärztlichen Praxen“, betonte König. Ohne MFA und ZFA funktioniere das ambulante Gesundheitswesen nicht. König: „Das gilt für die Zeit vor, während und nach der Pandemie. Dringend benötigte Änderungen in der Finanzierung des ambulanten Gesundheitswesens, die es ermöglichen, dass die Angehörigen dieser Gesundheitsberufe von ihrem Geld leben können, werden nicht angegangen. Das muss sich ändern“, kritisierte König.
Löwenanteil der Versorgung ambulant
Noch immer werde der ambulante Bereich und mit ihm die Arbeit der dort tätigen MFA und ZFA von der Politik übersehen, würden wichtige Veränderungen nicht angestoßen. Nicht nur in den Krankenhäusern und in den Pflegeeinrichtungen brauche es bessere Vergütung, bessere Arbeitsbedingungen und mehr Anerkennung. Gerade in der Pandemie, aber auch schon weit davor und jetzt leisteten MFA und ZFA einen Löwenanteil bei der ärztlichen und zahnärztlichen Versorgung der Menschen, denn schließlich finden fast 90 Prozent der medizinischen Versorgung in den ambulanten Einrichtungen und Praxen statt, machten König und ihre Mitstreiterinnen und Mitstreiter immer wieder deutlich. Gehör fanden sie dabei auch bei Bundestagsabgeordneten der Grünen, Linken und der Union, die auf der Protestaktion sprachen und zusicherten, dass sie die Anliegen der Fachkräfte weiter im Parlament verfolgen und vertreten wollten.
Breites Bündnis gestärkt
Im Anschluss an die Veranstaltung zeigte sich König gegenüber Quintessence News durchaus zufrieden mit der Protestaktion: „Das breite Bündnis, dass der Verband medizinischer Fachberufe e.V. mit den ärztlichen und zahnärztlichen Institutionen und Verbänden geschmiedet hat, mit den Zielen, die Rahmenbedingungen von Medizinischen und Zahnmedizinischen Fachangestellten zu verbessern, geht gestärkt aus dieser Protestaktion. Die Partner haben fest versichert, dass sie an der Seite des VMF bleiben, bis MFA und ZFA endlich die Anerkennung und Wertschätzung erfahren, die sie verdienen.“
Unterstützung aus der Zahnärzte- und Ärzteschaft
Wie schon im September 2022 waren auch diesmal Vertreterinnen und Vertreter der Ärzte- und Zahnärzteschaft zum Brandenburger Tor gekommen und sicherten „ihren“ Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Unterstützung zu. So waren der Präsident der Bundesärztekammer und Vorsitzender des Hartmannbunds, Dr. Klaus Reinhardt, der Präsident der Zahnärztekammer Berlin, Dr. Karsten Heegewaldt, Dr. Rebecca Otto („Unsere Teams sind das Herz der Versorgung.“), Präsidentin des Dentista e.V., der Bundesvorsitzende des Freien Verbands Deutscher Zahnärzte, Harald Schrader, und der Präsident der Bundeszahnärztekammer, Prof. Christoph Benz, als Redner auf dem Podium dabei. Auch einige weitere Vertreterinnen und Vertreter der Ärzte- und Zahnärzteschaft waren unter den Teilnehmenden.
Benz erklärte unter Beifall, die 220.000 ZFA seien in ihrer Arbeit am und für die Patienten die Seele der Praxen. Er kritisierte die absolut fehlende Wertschätzung der Politik für die ambulante Versorgung, die sich für die niedergelassenen Zahnärzte in der doppelten Deckelung ihrer Honorare durch die Budgetierung in der GKV und den unveränderten Punktwert in der GOZ zeige. Das setze die Praxen angesichts von Inflation und hohen Energiekosten zusätzlich unter Druck. Aber was in den Praxen und mit den ZFA passiere, „interessiert keine Sau“, so Benz drastisch.
Mehr Kammern in den Tarif
Sylvia Gabel kritisierte aus Sicht des Verbands, dass die Vergütung für die ZFA in vielen Regionen nicht ausreiche, um davon eine Wohnung zu finanzieren. Es müsse für ZFA möglich sein, von ihrem Gehalt zu leben, wiederholte sie die Forderung ihrer Kolleginnen und Kollegen, und forderte die Zahnärztekammern auf, dem Tarifverbund beizutreten, dem aktuell nur wenige Kammern angehören – Niedersachsen kam kürzlich hinzu. Diese Forderung unterstützte auch der CDU-Bundestagsabgeordnete Sepp Müller in seiner Rede.
Die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) zeigte sich in einer Pressemitteilung zur Protestaktion einmal mehr solidarisch mit den Anliegen der Zahnmedizinischen Fachangestellten: „Die Zahnmedizinischen Fachangestellten leisten Tag für Tag einen entscheidenden Beitrag für die Versorgung unserer Patienten. Sie arbeiten hart dafür, dass unsere Zahnarztpraxen Spitzenreiter in Sachen Prophylaxe, Prävention und Gesundheitsförderung sind. Diese Leistung muss seitens der Politik endlich entsprechend gewertschätzt werden. Statt aber die Leistungen der ZFA durch einen Bonus, wie etwa in der Pflege geschehen, anzuerkennen, haben sie keinerlei Unterstützung erfahren“, so der KZBV-Vorstandsvorsitzende Dr. Wolfgang Eßer.
Hohes Maß an Zynismus aufseiten der Politik
In einem wirtschaftlichen Umfeld, das bereits von exorbitant steigenden Energiekosten und einer hohen Inflationsrate geprägt ist, „uns mit dem GKV-Finanzstabilisierungsgesetz dann auch noch den notwendigen Honorarzusatz zu beschneiden, die strikte Budgetierung wiedereinzuführen und die Leistungen der erst unlängst in die Versorgung gebrachten neuen Parodontitistherapie zu streichen, gleichzeitig aber zu glauben, dass Zahnärzte ihren Mitarbeitern noch angemessene Gehälter zahlen können, zeigt ein hohes Maß an Zynismus. Es wird zunehmend deutlich, dass die ambulante Versorgung und die dort arbeitenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von der Politik auf der Strecke gelassen werden. Wenn die Bundesregierung nicht handelt, befürchten wir, dass zusammen mit dem allgemeinen Fachkräftemangel, der auch im niedergelassenen ärztlichen und zahnärztlichen Bereich zu spüren ist, erhebliche Gefahren für die Patientenversorgung entstehen“, so Eßer.
Fotos von der Aktion sind auf der Homepage des Verbands eingestellt. Die Aufzeichnung der Protestaktion ist auf YouTube weiter zugänglich.
Krankenhäuser werben mit besserer Bezahlung Kräfte ab
Für die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) erklärte der Vorstandsvorsitzende Dr. Andreas Gassen in einer Pressemeldung, obwohl die MFA schon in der Pandemie Außerordentliches geleistet hätten, sei ihnen eine entsprechende Würdigung in Form eines staatlichen Corona-Bonus verwehrt geblieben. Eine entsprechende Wertschätzung ihres enormen Engagements in der Patientenversorgung sei lange überfällig. „Sie sind eine unersetzliche Stütze der ambulanten Versorgung: Denn ohne MFA lässt sich keine Arztpraxis betreiben.“ Die kontinuierliche Unterfinanzierung der ambulanten medizinischen Versorgung führe aber auch dazu, dass Praxisinhaber zunehmend Schwierigkeiten hätten, Medizinische Fachangestellte zu finanzieren, so dass viele von ihnen von den durch staatliche Hilfen bevorzugten Krankenhäusern abgeworben würden, so der KBV-Chef. Vor diesem Hintergrund werde es zudem immer schwieriger, qualifizierte Fachkräfte für die Arbeit in den Praxen zu finden.
„Pandemie geht, der berechtigte Anspruch auf angemessene Bezahlung bleibt!“
Die stellvertretende Vorsitzende des Hartmannbunds, Prof. Dr. Anke Lesinski-Schiedat, gab ebenfalls ein Pressestatement ab: „Die Pandemie geht, der berechtigte Anspruch der medizinischen Fachangestellten in den Praxen auf eine angemessene Bezahlung der von ihnen erbrachten Leistungen bleibt!“ Der Hartmannbund unterstütze ausdrücklich die Forderungen des Verbandes der medizinischen Fachberufe nach finanzieller Stärkung und mehr Anerkennung. „Wir reden ja schon gar nicht mehr über einen Bonus für besondere Leistungen in der Krise, diese Chance hat die Politik fahrlässig verspielt. Wir reden darüber, dass die alltägliche Belastung des Praxispersonals endlich angemessen bezahlt werden kann“, sagt Lesinski-Schiedat.
Kosten müssen im Honorarsystem berücksichtigt werden
Der zunehmende Fachkräftemangel und der damit einhergehende Wettbewerb um qualifiziertes Personal erfordere im Übrigen darüber hinaus auch finanzielle Spielräume für die Praxisinhaber, ihrem Personal auch berufliche Perspektiven durch attraktive Weiterbildungsangebote zu eröffnen. Voraussetzung für die Realisierung der damit einhergehenden Lohnsteigerungen und Investitionen sei eine entsprechende Berücksichtigung der Kosten in Volumen und Systematik des ambulanten Honorarsystems. Hier seien in erster Linie die Kassen, am Ende aber auch die Organe der Selbstverwaltung gefragt und gefordert.
„Dass die ambulante Versorgung in unseren Praxen ohne die Förderung des Praxispersonals nicht mehr gewährleistet ist, ist keine Plattitüde, sondern schlichte Realität“, sagt Lesinski-Schiedat. (MM)
Mit Material der KBV, der KZBV und des Hartmannbunds.
Lesen Sie zum Thema auch die Kolumne von Dr. Uwe Axel Richter: „Bester Zeitpunkt für einen Schulterschluss mit dem Personal“