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Tricksen, tarnen und täuschen – die Kolumne zum Jahresende – die Kolumne von Dr. Uwe Axel Richter

(c) benchart/shutterstock.com

Nur noch wenige Türchen im Adventskalender bis Weihachten. In Norddeutschland hat es fast 10 Grad, es regnet und stürmt. Draußen ist alles matschig. Selbst Indoor-Punschen, auch wenn mit Hochprozentigem aufgepeppt, haucht dem Weihnachtsgefühl nicht wirklich Leben ein. Und auch nicht der obligate Bing Crosby, denn die angeblich rote Nase von Rudolph, dem Rentier, bleibt einfach schwarz. Und ausgerechnet jetzt latscht mir auch noch Karl Lauterbach durch den Sinn. Wie soll sich da Besinnlichkeit einstellen?

Keine guten Voraussetzungen für eine launige Jahreswechselkolumne. Wobei das Wort „launig“ bereits arg euphemistisch ist. Denn für gute Laune bleibt angesichts der Menge der tagtäglich in unsere Köpfe gestopften und meist politisch verursachten Katastrophenmeldungen kaum noch Platz. Zudem lässt es sich nicht mehr negieren, dass das Theater der politischen Absurditäten immer mehr persönliche Realität wird und entsprechende Konsequenzen erfordert. „Sozialistisch“ ist halt nicht gleichbedeutend mit „sozial“.

Nicht meine Aufgaben, nicht meine Verantwortung

Just bei diesem Gedanken geht mir der derzeitige Trendspruch durch in den Kopf: „Nicht mein Zirkus, nicht meine Affen!“ Das witzige, höchstwahrscheinlich aus Polen stammende Sprichwort ist derzeit in vielen Sprachen schwer angesagt. Es bedeutet im übertragenen Sinne „nicht meine Aufgaben, nicht meine Verantwortung.“

Es bleibt unser Zirkus

Im privaten und persönlichen Bereich mag das derzeit vielleicht noch funktionieren. Angesichts der tiefgreifenden Veränderungen unserer Lebens- und Arbeitsumstände können wir uns zwar auf den Standpunkt stellen, dass wir mit den metaphorischen Affen (welche auch immer Sie sich jetzt vorstellen mögen) nichts zu tun hätten. Dumm nur, dass es unser Zirkus bleibt, aber dann eben mit einem anderen Programm.

Regierungsschauspiel auf dem Niveau von Hütchenspielern

Man muss von „der“ Politik ja nicht gleich Staatskunst im Sinne des kürzlich verstorbenen (und auch nicht unumstrittenen) Henry Kissinger erwarten. Aber ein bisschen mehr als das derzeitige, arg dürftige rot-grün-gelbe Regierungsschauspiel auf dem Niveau von Hütchenspielern darf man von unserer per erreichtem Amt definierten politischen Elite schon erwarten.

Wem das „Niveau von Hütchenspielern“ als wenig angemessene Beschreibung erscheinen sollte, dem sei die Beschreibung des Hütchenspiels auf Wikipedia anempfohlen. Ersetzen Sie dort doch einfach mal das Wort „Mafia“ durch das Wort „Partei“. Falls Ihnen die beschriebenen Handlungsmuster bekannt vorkommen sollten, wäre dieses natürlich Rainer Zufall.

Obwohl – ähnliche Vorgehensweisen der Regierungsbeteiligten zeigten sich ganz aktuell vor und nach den aktuellen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zum Haushalt oder den notwendigen Teilneuwahlen für die derzeitige Bundeslegislatur in mehr als 20 Prozent aller Berliner Wahlbezirke. Alles wirklich zufällig? Schwamm drüber! Ob Politiker oder Bürger – alles schnell vergessen. Bei den Bauern wäre ich mir da nicht so sicher. Allerdings zeigt sich dabei sehr schön, aus welchem ideologischen Weichholz unsere grün-gelb-roten Politikerinnen und Politiker – und leider viele Politiker weiterer Parteien auch – unabhängig von den jeweiligen Ressorts geschnitzt sind.

Ministerielles Gestaltungsprinzip: an allen vorbei

Das gilt insbesondere auch für den aktuellen Gesundheitsminister, der mit der Verabschiedung der beiden Digitalgesetze – Digitalgesetz und Gesundheitsdatennutzugsgesetz – in der letzten parlamentarischen Sitzungswoche dieses Jahres zwar sämtliche Termine gerissen hat, dafür aber erneut mit einer Unzahl von Änderungen an den Gesetzestexten kurz vor Torschluss glänzte. Dass Lauterbach damit mal wieder nicht nur die demokratischen Spielregeln samt der Beteiligung der Betroffenen außer Kraft gesetzt hatte, ist kein Zufall, sondern ministerielles Gestaltungsprinzip. Unter großem Beifall der Regierungskoalitionäre und des Kanzlers, Stichwort Standort- und Wirtschaftsförderung von Big-Tech und Pharma, kommt nun die ePA als Datencontainer samt weiterem Kostenaufbau, unter anderem für ein neues Institut, welches sich mit der zwingend notwendigen Strukturierung dieser Daten beschäftigen soll.

Wie in Absurdistan

Es ist wie in Absurdistan: Man bestellt ein Kampfflugzeug mit allem Pipapo, bei dem die Triebwerke noch nicht einmal entwickelt sind. Macht nichts, denn der Minister drückt ja auf die sprichwörtliche Tube, um den Startermin zum 1. Januar 2025 zu schaffen. Sollte es nicht klappen wie geplant, hat man bereits die Schuldigen vorausschauend festgemacht. Für die zu der insuffizienten staatlichen Digitalisierung zwangsverpflichteten Heilberufler reicht es noch nicht einmal zu aufmunternden Worten, dafür aber zu neuerlicher Eskalation bei den Sanktionen.

Digitalisierung nach dem Prinzip Hoffnung

Frei nach Albert Einstein ist es eine Form von Wahnsinn, immer wieder das Gleiche zu tun, aber unterschiedliche Ergebnisse zu erwarten. Das ficht jedoch den Gesundheitsökonomen Karl Lauterbach nicht an. Der gleiste die TI zwar vor 20 Jahren auf und war als steter Ideengeber und Förderer wesentlicher Mit-Verursacher der ganzen Misere. Und trotz all der Erfahrungen der vergangenen 20 Jahre herrscht bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens nach wie vor das Prinzip Hoffnung und der Grundsatz, dass es die Industrie schon irgendwie richten werde. Finde den Fehler.

Marginalisierung der ärztlichen Schweigepflicht

Der dickste Bock, wenn ich das so sagen darf, ist jedoch die mit den beiden Gesetzen verbundene Marginalisierung der ärztlichen Schweigepflicht durch die Hintertür, vulgo die Speicherung der Patientendaten in der Cloud mitsamt mehr oder minder geregelter Mehrfachverwendung durch Dritte (Forschung)und Vierte (Industrie). Dass dieses das Vertrauensverhältnis zwischen den Heilberuflern und den Patienten nicht beeinflussen wird, können auch nur Technokraten glauben.

Datenschatz und Datenschutz passen nicht zusammen

Fakt ist: Bei den Patientendaten soll es auch um eine bessere Kommunikation der Akteure im Gesundheitswesen gehen, vor allem aber soll der Datenschatz von Dritten genutzt werden können. Datenschutz? Papperlapapp! Es fehlt nur noch ein Rabatt auf die Versicherungskosten für diejenigen Patienten, die „first mover“ werden wollen. Immerhin konnte man ja mit Essensgutscheinen und ähnlichem in naher Vergangenheit auch Impflinge motivieren.

Gesundheitswesen wird offen auf links gedreht

Für den Minister wird die normative Kraft des zu gestaltenden Faktischen es schon richten. Oder eben die KI. Oder die Gesundheitskioske. Oder, oder, oder. Das geht so lange gut, wie die Mehrheit der Versicherten Karl Lauterbach seine Behauptung eines unlimitierten Leistungsversprechens zu jeder Tages- und Nachtzeit glaubt. Der SPD-Gesundheitsminister mit Nähe zur Großindustrie agiert offen sozialistisch und planwirtschaftlich. Das ist im Übrigen kein Widerspruch in sich, sondern systemische Konsequenz. Und die wird das bestehende Ordnungsprinzip des Gesundheitswesens – unseres Gesundheitswesens – auf den Kopf stellen.

Angesichts der fundamentalen Veränderungen sei deshalb die Frage zur Halbzeit der Regierungskoalition erlaubt: Fallen alle diese politisch und ideologisch motivierten  Änderungen wirklich in die Kategorie „Nicht mein Zirkus, nicht meine Affen?“ In dem gleichnamigen Lied auf dem Album „Bunte Socken“ der Band Altebekannte heißt es:

Nicht mein Zirkus, nicht meine Affen

Nicht mein Zirkus, nicht meine Affen
Die werden ihren Kram schon ohne mich schaffen
Nicht meine Baustelle, nicht mein Haus
Darum halt ich mich da raus

Ich hab mich jederzeit überall eingeschaltet
Andrer Leuts Haushalte mitverwaltet
Wenn's irgendwo Krach gab, wollt ich schlichten
Geklappt hat das mitnichten

Jeden Schuh, den ich irgendwo rumliegen sah
Zog ich mir gleich an, dafür war ich da
Aber jetzt mach ich damit endlich Schluss
Weil ich's weder darf noch muss

Ich find's oft noch schwierig auszuhalten
Mich ab und zu mal rauszuhalten
Aber jetzt kommt der große Tag
An dem ich mir einfach sag

Nicht mein Zirkus, nicht meine Affen
Die werden ihren Kram schon ohne mich schaffen
Nicht meine Baustelle, nicht mein Haus
Darum halt ich mich da raus

Es ist nicht mein Job, andre wachzurütteln
Es ist mein Job, Dinge abzuschütteln
Mich geht vieles echt nix an
Manchmal frage ich mich: wann

Ich es endlich schaff entspannt zu sein
Mir schien das bislang unbekannt zu sein
Die Erkenntnis, dass es auch mal ohne mich geht
Kommt vielleicht noch nicht zu spät

Was man vielleicht gut meint, ist nicht immer gut
Das, was man mal bewusst nicht tut
Lässt anderen den Platz, den sie grad brauchen
Ein Grund, mal abzutauchen

Nicht mein Zirkus, nicht meine Affen
Die werden ihren Kram schon ohne mich schaffen
Nicht meine Baustelle, nicht mein Haus
Darum halt ich mich da raus

Ich muss entscheiden, was ich wichtig find
Und welche Dinge eher ziemlich nichtig sind
Und da, wo ich im Dunkeln tappe
Halt ich halt die Klappe

Nicht mein Zirkus, nicht meine Affen
Die werden ihren Kram schon ohne mich schaffen
Nicht meine Baustelle, nicht mein Haus
Darum halt ich mich da raus

Nicht mein Zirkus, nicht meine Affen
Die werden ihren Kram schon ohne mich schaffen
Nicht mein Zirkus, nicht meine Affen
Die werden ihren Kram schon ohne mich schaffen

Nicht mein Zirkus, nicht meine Affen
Die werden ihren Kram schon ohne mich schaffen
Nicht meine Baustelle, nicht mein Haus
Darum halt ich mich...
Darum halt ich mich...
Darum halt ich mich da raus.

(Text: Daniel „Dän“ Dickopf)

Nicht mein Zirkus, nicht meine Affen – wirklich?

Ich wünsche Ihnen glückliche und zufriedene Weihnachtstage. Kommen Sie gut in das neue Jahr, für das ich Ihnen Gesundheit, Tatkraft und Gestaltungswillen wünsche. Vor allem letzteres werden wir brauchen, denn es geht um die Menschen, die sich uns anvertrauen und auf unsere Hilfe hoffen. Am besten gemeinsam.
Dr. Uwe Axel Richter, Fahrdorf


Foto: Verena Galias
Dr. med. Uwe Axel Richter (Jahrgang 1961) hat Medizin in Köln und Hamburg studiert. Sein Weg in die Medienwelt startete beim „Hamburger Abendblatt“, danach ging es in die Fachpublizistik. Er sammelte seine publizistischen Erfahrungen als Blattmacher, Ressortleiter, stellvertretender Chefredakteur und Chefredakteur ebenso wie als Herausgeber, Verleger und Geschäftsführer. Zuletzt als Chefredakteur der „Zahnärztlichen Mitteilungen“ in Berlin tätig, verfolgt er nun aus dem hohen Norden die Entwicklungen im deutschen Gesundheitswesen – gewohnt kritisch und bisweilen bissig. Kontakt zum Autor unter uweaxel.richter@gmx.net.

 

Bibliografía: Quintessence News Politik Nachrichten Studium & Praxisstart

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