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Ein Kommentar von Dr. Marion Marschall

(c) Quintessenz

Dr. Marion Marschall

Mit Kamala Harris steht künftig eine Frau als Vizepräsidentin an der Spitze der Weltmacht USA. In Neuseeland ist Jacinda Ardern mit großer Mehrheit im Amt der Premierministerin bestätigt worden. In Deutschland ist Dr. Angela Merkel als Bundeskanzlerin inzwischen fast so lange im Amt wie Helmut Kohl. In der Bundesärztekammer gibt es zwei Vizepräsidentinnen, an der Spitze des Marburger Bunds der Klinikärzte steht eine Frau. Nur die deutsche zahnärztliche Standespolitik schafft es seit mehr als einem Jahrzehnt nicht, den Anteil von Frauen in ihren Gremien oder gar in den Spitzen der Körperschaften und Verbände nennenswert zu erhöhen.

Kurz zur Erinnerung: Es gibt genau eine KZV-Vorsitzende und zwei weitere Frauen in den Vorständen der 17 KZVen. Die Spitze der KZBV war und ist nur mit Männern besetzt. Die Ämter der Präsidenten und Vizepräsidenten der Zahnärztekammern sind bis auf wenige Ausnahmen – Dr. Lena Laubenthal im Saarland, Dipl.-Stom. Bettina Suchan in Brandenburg – rein männlich besetzt. Immerhin gibt es einige stellvertretende Vorsitzende von KZV-Vertreterversammlungen und in den meisten Kammervorständen ist wenigstens eine Frau vertreten. Bei einem Anteil der Frauen an den zahnärztlich tätigen Angehörigen des Berufsstands von rund 46 Prozent ist da allerdings gewaltig Luft nach oben. Dr. Ute Maier, seit mehr als einem Jahrzehnt nach wie vor die einzige KZV-Vorstandsvorsitzende (in Baden-Württemberg) und Leiterin der AG Frauenförderung der KZBV, hat erst jüngst in ihrem Vortrag auf der KZBV-Vertreterversammlung und in einem Interview in den zm den überwiegend traurigen Stand der Dinge noch einmal deutlich dargelegt.

Frauen machen sich sichtbar

Nun ist es ja nicht so, dass es keine Versuche, Bemühungen und Konzepte gäbe, an diesem Umstand – und damit in der Regel zugleich an der Repräsentanz junger Zahnärztinnen und Zahnärzte in den Körperschaften und Verbänden – etwas zu ändern. Es bewegt sich was in Kammern und KZVen. Nicht zuletzt, weil politisch aktive und qualifizierte Frauen sich auch nach den Erfahrungen der vergangenen Jahre, siehe Bundesversammlung 2018, zusammengetan und anders sichtbar gemacht haben. (Dass Frauen automatisch Frauen wählen, ist allerdings ein Irrglaube. Auch wenn man sich angesichts dieser überaus zähen Entwicklung der politischen Repräsentanz von Frauen doch etwas mehr Solidarität untereinander, auch über Verbandsgrenzen hinweg, wünschen würde.)

Und es gibt zum Glück Männer in KZV- und Kammergremien, die das nicht als Kandidatur gegen die bestehenden Strukturen, sondern als Willen und Bereitschaft zum Mitgestalten verstehen und die Kolleginnen und ebenso jungen Kollegen zur Mitarbeit auch einladen. Mal ganz abgesehen davon, dass die Politik ihre Bereitschaft erkennen lässt, regelnd beim Thema Frauen in der Selbstverwaltung einzugreifen und Quoten vorzuschreiben, und damit ebenfalls Bewegung hervorgerufen hat.

Reflexhafte Reaktionen

Die reflexhaften Reaktionen vieler Männer auf alle gut begründeten Vorschläge und Maßnahmen, den Anteil von Frauen und jungen Kollegen zu erhöhen, sind nach den vielen Jahren der Bemühungen allerdings schon paradox zu nennen. Man suche ja, aber finde keine – vielleicht sollte man dann einmal die eigene Suche (und die eigenen Vorurteile und eingefahrenen Strukturen) überdenken?

Wenn Frauen aus dem üblichen Schema ausscheren, offen und offensiv für Kammersitze und Ämter kandidieren, dann passt das vielen nicht ins gewohnte Bild – „unerhört“, „aggressiv“, „was traut die sich“ sind noch harmlose Kommentare. Dass Frauen sich ebenso artikulieren wie ihre männlichen Kollegen, unbequem sind, scheint einige immer noch zu verstören. Wo steht geschrieben, dass Frauen auf Anhieb alles richtig und besser machen und dann bitte schön in Optik und Verhalten auch noch in das Bild passen müssen, dass sich die Männer von der idealen standespolitisch tätigen Kollegin machen? Legen die Herren diese strengen Kriterien auch an ihre männlichen Kollegen an?

Diversität ist ein Vorteil

Wenn der Berufsstand seine Zukunft in der Selbstverwaltung so weit wie möglich selbst gestalten will, muss diese Selbstverwaltung den Berufsstand auch widerspiegeln in Alter und Anteil der Geschlechter. Diversität ist ein Vorteil, wenn man erfolgreich auf neue Herausforderungen reagieren will. Wer heute politisch und standespolitisch entscheidet, bestimmt damit langfristig, wie Zahnärztinnen und Zahnärzte arbeiten, über seine eigene Generation hinaus. Auch diese Verantwortung sollten sich die jetzigen „Funktionsträger“ immer wieder vor Augen führen.

Es gibt genauso viele qualifizierte und weniger qualifizierte Frauen, wie es qualifizierte und weniger qualifizierte Männer gibt. Das gerne angebrachte Argument „Wir würden ja gerne Frauen fördern, aber wir finden keine qualifizierten Frauen“, auch auf der jüngsten KZBV-VV wieder wortreich ausgeführt, zieht nicht mehr. Aber trotzdem wird immer noch mit zweierlei Maß gemessen, was die Qualifikationen angeht. Und so entscheidet man sich am Ende doch lieber für einen weniger qualifizierten Mann als für eine ähnlich qualifizierte Frau – die das mit Sicherheit aber genauso lernen kann und will wie ein männlicher Kollege. Man(n) muss ihr nur die Chance dazu geben. Jetzt.

Dr. Marion Marschall, Chefredakteurin, Quintessence News

Titelbild: Quintessenz
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