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Barmer-Arzneimittelreport 2019 zeigt deutliche Impflücken – Herdenimmunität ist gefährdet

In Deutschland gibt es trotz steigender Impfquoten deutliche Impflücken bei Kleinkindern und Jugendlichen. So war mehr als jedes fünfte im Jahr 2015 geborene Kind in den ersten beiden Lebensjahren nicht oder unvollständig gegen Masern geimpft. Im Jahr 2017 waren damit hochgerechnet auf Basis der Daten von Barmer-Versicherten bundesweit knapp 166.000 Zweijährige ohne vollständigen Masernschutz. Zudem war jede fünfte Zweijährige, also knapp 81.000 Mädchen, nicht vollständig gegen Röteln geimpft. Dies geht aus dem Arzneimittelreport 2019 der Barmer hervor, den die Krankenkasse am 8. August 2019 in Berlin vorgestellt hat.

Keine Herdenimmunität aufgebaut

3,3 Prozent der 2015 geborenen Kinder hatten in den ersten beiden Jahren demnach überhaupt keine der 13 Impfungen erhalten, die die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt. Das entspricht knapp 26.000 ungeimpften Mädchen und Jungen. „In Deutschland werden immer noch zu wenige Kinder geimpft. Das macht die Ausrottung bestimmter Infektionskrankheiten unmöglich und verhindert den Schutz für all diejenigen, die sich nicht impfen lassen können. Wir brauchen zielgruppenspezifische Impfkampagnen, um die Skepsis und mögliche Ängste vor Impfungen abzubauen“, sagte Prof. Dr. Christoph Straub, Vorstandsvorsitzender der Barmer bei der Vorstellung des Reports. Erforderlich seien auch strukturierte Fortbildungsprogramme für Ärzte, um einen adäquaten Dialog mit Impfskeptikern zu trainieren.

Impflücken größer als bisher bekannt

Laut Arzneimittelreport gibt es nicht nur Impflücken bei den Kleinsten, sondern auch bei älteren Kindern. 2017 wurde bei den Kindern im einschulungsfähigen Alter bei keiner der 13 wichtigsten Infektionskrankheiten ein Durchimpfungsgrad von 90 erreicht. Dabei wäre für eine ausreichende Herdenimmunität, die auch nicht geimpften Personen Schutz bietet, eine Immunisierungsrate von mindestens 95 Prozent erforderlich.

„Die Impflücken bei Kleinkindern in Deutschland sind größer als bisher bekannt. Der Arzneimittelreport der Barmer liefert aufgrund der gewählten Methodik der Analysen erstmals ein Bild von den tatsächlichen Impfquoten“, erklärte Autor Prof. Dr. Daniel Grandt, Chefarzt am Klinikum Saarbrücken. So würden bei den Schuleingangsuntersuchungen die Impfquoten nur anhand der vorgelegten Impfpässe ermittelt,  ohne den Impfstatus von Kindern, die keinen Impfpass vorlegen zu berücksichtigen. Das führe zu höheren, unrealistischen Impfquoten, betonte Grandt, denn nicht geimpfte Kinder hätten natürlich auch keinen Impfpass.

„Versagen der Gesundheitsvorsorge“

Laut Arzneimittelreport hatten im Jahr 2017 nur 88,8 Prozent der Sechsjährigen in Deutschland den empfohlenen Masern-Impfschutz. „Durch Masernimpfungen konnten allein seit der Jahrtausendwende rund 21 Millionen Todesfälle weltweit verhindert werden. Eine Masern- aber auch eine Rötelnerkrankung ist kein unvermeidbares Lebensrisiko, sondern ein Versagen der Gesundheitsvorsorge“, sagte Straub. Schließlich gehe es hier auch um den Schutz von Gefährdeten, die sich aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen könnten oder altersbedingt für sich selbst noch keine Impfentscheidung treffen könnten.

Auch bei Mumps bestehen Impflücken. So waren nur 88,7 Prozent der Sechsjährigen im Jahr 2017 gegen Mumps geimpft. Obwohl die STIKO ein Nachimpfen gegen beide Krankheiten bis zum 17. Lebensjahr vorsieht, erfolgten nach der Einschulung mit der Ausnahme von Sachsen, wo dies durch den landesspezifischen Impfkalender erklärt wird, praktisch keine Impfungen mehr. Dies sei auch deshalb äußerst bedenklich, da die Kinder und Jugendlichen ihre Impflücken auch im Erwachsenenalter behalten würden und bei Auftreten eines Erkrankungsfalls das Risiko regionaler Epidemien steige.

Allein mit der Impfung von Kindern sei dem Problem also nicht beizukommen. „Zur Schließung von Impflücken ist es hilfreich, an Impfungen konsequent zu erinnern, zum Beispiel durch einen digitalen Impfplaner“, sagte Straub. „Die Überprüfung des Impfstatus von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen samt Aufklärung über Durchführung von Nachimpfungen sollte im Rahmen von hierzu festzulegenden Vorsorgeuntersuchungen erfolgen. Analog zur Krebsvorsorge brauchen wir eine strukturierte Infektionserkrankungs-Vorsorge“, forderte Grandt. Die Barmer bietet in ihrer App einen digitalen Impfplaner an.

Impfquoten zeigen deutliche regionale Unterschiede

Aus dem Arzneimittelreport gehen darüber hinaus deutliche regionale Unterschiede bei den Impfquoten hervor. So waren die Impfquoten bei den Zweijährigen des Jahrgangs 2015 in Brandenburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein vergleichsweise hoch und in Baden-Württemberg, Bayern, Bremen und Thüringen hingegen gering. In Bayern waren auch 5,3 Prozent der Zweijährigen überhaupt nicht geimpft, während dies in Brandenburg nur auf 2,2 Prozent der Kleinkinder zutraf. Ein ähnliches Bild ergab sich bei den älteren Kindern. So waren in Bayern 3,5 Prozent der Sechsjährigen des Jahrganges 2011 gegen keine der 13 wichtigsten Infektionskrankheiten geimpft. In Brandenburg traf dies nur auf 1,2 Prozent zu.

Titelbild: Shutterstock.com/Volodymyr Maksymchuk
Bibliografía: Barmer Arzneimittelreport 2019 Menschen Nachrichten Bunte Welt

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