Limos mit Comicfiguren, Fruchtsäfte in Trinkpäckchen - die meisten Getränke für Kinder enthalten zu viel Zucker. Die gesundheitlichen Gefahren sind längst bekannt. Es ist Zeit für eine Limo-Steuer nach dem Vorbild Großbritanniens, ist das Fazit der Verbraucherorganisation Foodwatch, die am Mittwoch, den 21. August eine Marktstudie vorstellte. „Demnach enthalten 117 von insgesamt 136 untersuchten Getränken (86 Prozent) mehr als fünf Gramm Zucker je 100 Milliliter – für diesen Zuckergehalt wäre in Großbritannien die Limo-Steuer fällig. Im Schnitt enthalten die Limos, Energydrinks und Fruchtsaftgetränke 7,8 Prozent Zucker, das sind mehr als sechseinhalb Zuckerwürfel pro 250-Milliliter Glas“, heißt es bei Foodwatch.
Kinder und Jugendliche konsumieren zu viel Zucker
Das Problem ist nicht neu: Schon frühere Studien hatten gezeigt, dass der Zuckergehalt in Getränken zu hoch ist. Freiwillige Reduktionspläne der Industrie sind seitdem jedoch krachend gescheitert. Dabei sind Süßgetränke eine Hauptquelle für den Zuckerkonsum von Minderjährigen. Mit nur einem 250-Milliliter-Glas eines durchschnittlich gesüßten Getränks nimmt ein Kind bereits knapp 20 Gramm Zucker und somit 80 Prozent der vom Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte maximal empfohlenen Tagesmenge an Zucker zu sich. Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) https://www.who.int/news/item/11-10-2016-who-urges-global-action-to-curtail-consumption-and-health-impacts-of-sugary-drinks gelten zuckrige Getränke als wesentliche Treiber für Adipositas und damit verbundene Krankheiten wie Typ-2-Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
„Mit Zucker gesüßte Getränke fluten den Organismus ungebremst und schnell mit überzähligen Kalorien und können so die Energiebilanz aus dem Gleichgewicht bringen. Flüssige Kalorien wirken außerdem weniger sättigend als feste Nahrung. Und durch den raschen Blutzuckeranstieg stimulieren sie die Bildung des Hormons Insulin und damit die Fettablagerung im Körper“, erklärt Prof. Berthold Koletzko, Leiter der Abteilung Stoffwechsel und Ernährung an der Kinderklinik der Universität München. Sein Fazit: „Der Konsum zuckerhaltiger Getränke im Kindes- und Jugendalter ist ein wesentlicher Risikofaktor für Übergewicht, Diabetes und Herzerkrankungen. Wirksame Maßnahmen zur Reduktion des Süßgetränke-Konsums sind deshalb dringend notwendig.“
Limo-Steuer und Werbeschranken
Die Ampel-Regierung muss jetzt endlich eine Limo-Steuer nach britischem Vorbild einführen, fordert Foodwatch. In Großbritannien haben die Hersteller als Folge der Steuer den Zuckergehalt in ihren Getränken stark reduziert, und auch der Zuckerkonsum von Kindern sank. Zum Vergleich: Während in Deutchland in Folge der freiwilligen Zuckerreduktion der Industrie der Zuckergehalt in Gertränken um etwa zwei Prozent sank, fiel er in Großbritannien im gleichen Zeitraum um etwa 30 Prozent.
Zum Schutz der Kindergesundheit braucht es zudem effektive Werbeschranken für ungesunde Produkte. Die FDP muss die Blockade gegen die Gesetzespläne von Bundesernährungsminister Cem Özdemir aufgeben. Schließlich braucht es auch eine gesetzliche Altersgrenze für den Verkauf von Energy-Drinks, so wie etwa in Polen, Lettland oder Litauen.
„Es ist perfide und verantwortungslos, wie die Getränkeindustrie Kinder mit Zuckerbomben ködert und damit deren Gesundheit aufs Spiel setzt.“ Luise Molling, Recherche und Kampagnen bei Foodwatch
Freiwillige Selbstverpflichtung der Industrie krachend gescheitert
Barbara Bitzer vom Wissenschaftsbündnis Dank (Deutsche Allianz Nichtübertragbare Krankheiten) kommentiert die Foodwatch-Studie: „Süß, süßer, krank! Die Ergebnisse der foodwatch-Studie zeigen in erschreckender Weise, dass ein Großteil der Getränke, die gezielt an Kinder vermarktet werden, völlig überzuckert sind und die Industrie sich scheinbar keiner Verantwortung bewusst ist. Die Konsequenzen daraus sind hinlänglich bekannt: Übergewicht, Diabetes und Herzerkrankungen nehmen in beängstigendem Maße zu und ein wesentlicher Treiber dieser Entwicklung sind süße Getränke.
Freiwillige Selbstverpflichtungen der Industrie haben sich als vollkommen unzureichend erwiesen, obwohl die Branche deutlich mehr versprochen hat. Das hat DANK gemeinsam mit der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) und der Technischen Universität München (TUM) in einer Studie 2023 erörtert. Es ist inakzeptabel, dass die Gesundheit unserer Kinder dem Profitstreben der Getränkeindustrie geopfert wird.
Eine Herstellerabgabe nach britischem Vorbild wäre ein entscheidender Schritt, um die Industrie in die Pflicht zu nehmen, den Zuckergehalt in ihren Produkten zu reduzieren. Darüber hinaus werden wir nicht müde, umfassende Werbebeschränkungen für ungesunde Lebensmittel, die an Kinder gerichtet sind, einzufordern. Die Politik hat eigentlich alle Fäden in der Hand, um der Kindergesundheit endlich Priorität einzuräumen.“
Was wurde untersucht?
Für die Marktstudie hat foodwatch in den fünf größten Supermärkten (Edeka, Rewe, Aldi, Lidl und Kaufland) sämtliche Getränke eingekauft, deren Verpackung Kinder und Jugendliche ansprechen soll, beispielsweise durch den Aufdruck von Tieren und Comicfiguren oder durch eine besonders „coole“ Produktgestaltung wie etwa bei Eistees oder Energydrinks. Getränke, die in einer fast ausschließlich von Kindern getrunkenen Darreichungsform verkauft werden, wurden ebenfalls einbezogen (Trinkpäckchen oder kleine Flaschen mit Saugverschluss). Zu den untersuchten Produkten gehören etwa Limonaden, Fruchtsäfte, Energydrinks, Mineralwasser und Eistees. Milchbasierte Getränke wurden nicht berücksichtigt.
Die Ergebnisse im Überblick:
- Mehr als jedes zweite Kindergetränk (57 Prozent) ist mit einem Zuckergehalt von über acht Gramm je 100 Milliliter stark überzuckert.
- Das zuckrigste Getränk im Supermarkt, das eher an ältere Kinder beworben wird, ist der Energy Drink „Guava Flavour“ der Lidl-Eigenmarke „Kong Strong“ – er enthält 15,6 Zucker auf 100 Milliliter. Mit nur einer Dose nimmt ein Teenager 78 Gramm Zucker zu sich, das entspricht 26 Zuckerwürfeln und ist mehr als dreimal soviel, wie Kinder und Jugendliche maximal am Tag zu sich nehmen sollten.
- Die bei Kindern beliebten Trinkpäckchen sind besonders stark gesüßt — sie enthalten im Durchschnitt ganze 8,6 Prozent Zucker.
- Nur vier der 136 getesteten Produkte (drei Mineralwasser und ein Nektar) würden einen grünen Nutri-Score (A oder B) erhalten. Knapp ein Viertel (23 Prozent) würden mit einem gelben C gekennzeichnet (meist reine Säfte, Schorlen sowie süßstoffgesüßte Getränke).
- Der Großteil der Kindergetränke, knapp drei Viertel (74 Prozent), erhielte einen orangenen oder roten Nutri-Score (D oder E).
- Säfte sind auch keine gesunden Durstlöscher: Unter den zuckrigsten Getränken mit einem Zuckergehalt von über acht Gramm je 100 Milliliter finden sich auch viele reine Fruchtsäfte.
- Lediglich drei der 136 Kindergetränke enthielten als Mineralwässer weder Zucker noch Süßstoffe.