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Prof. Dr. Karin Mölling beleuchtet in ihrem Vortrag auf dem Deutschen Zahnärztetag eine ganz besondere „Supermacht“

Viren gelten gemeinhin als Krankmacher. Aber das ist eine sehr reduzierte Sicht: Sie können viel mehr – und ohne sie könnten nicht nur wir Menschen nicht existieren. Warum, das berichtet Prof. Dr. Karin Mölling, Virologin am Max-Planck-Institut für molekulare Genetik, Berlin, und Professorin an der Universität Zürich, in ihrem Impulsvortrag auf dem Deutschen Zahnärztetag 2019.

Viren sind eine „Supermacht des Lebens“, so auch der Titel eines ihrer Bücher. Neue Techniken wie das Sequenzieren führen zu einer neuen Sicht der Viren und generell der Mikroorganismen. Es geht in der Natur, auch bei Viren und Mikroorganismen, um Gleichgewichte, Kooperation, Symbiose, Arbeitsteilung. Störungen dieses Gleichgewichts sind die Auslöser von Krankheiten.

Viren sind allgegenwärtig: in Ozeanen, in unserer Umwelt, in Tieren, Pflanzen, Bakterien, in unserem Körper, in unserem Darm, im Geburtskanal, ja selbst in unserem Erbgut. Sie schützen uns vor anderen Viren und sind die Antreiber der Evolution.

Die Erfolgsgeschichte der Viren begann vor etwa 3,5 Millionen Jahren. Sie haben entscheidend zur Entstehung des Lebens und zum Beispiel unserer Immunsysteme beigetragen. Ohne Viren gäbe es uns nicht.

Wie viel Potenzial steckt in diesen besonderen „Mitbewohnern“? Damit wird sich Prof. Mölling in ihrem Vortrag am 8. November 2019 in Frankfurt (Main) auseinandersetzen. Prinzipiell denkbar ist der Einsatz von Viren bei vielen Problemen: gegen globale Erwärmung, gegen Schädlinge, zum Reinigen der Meere, bei Übergewicht …

Prof. Dr. Karin Mölling

Prof. Dr. Karin Mölling studierte zunächst Physik und in den USA Molekularbiologie und Biochemie. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Viren, Virenkrebsgene und Krebs beim Menschen sowie in jüngster Zeit in den Bereichen Mikrobiom, Ernährung, menschliche Gesundheit und Phagentherapie. Bis 2008 war sie Direktorin und Professorin für Virologie an der Universität Zürich. Auch am Max-Planck-Institut für molekulare Genetik in Berlin war und ist sie immer wieder tätig. Sie hat mehr als 250 wissenschaftliche Arbeiten verfasst, mehrere Bücher geschrieben und diverse Preise erhalten und. Anfang 2018 wurde sie mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.


(Foto: privat)


Ein besonderes Einsatzgebiet ist der Einsatz spezieller Viren, der Bakteriophagen, bei hartnäckigen bakteriellen Entzündungen, an denen oft auch bereits gegen Antibiotika resistente Erreger beteiligt sind. Die sogenannte Phagentherapie findet in Zeiten zunehmender Antibiotikaresistenzen weltweit immer mehr Aufmerksamkeit. Bekannt ist sie aber schon seit mehr als 100 Jahren. In Osteuropa, vor allem in der früheren Sowjetunion und in Georgien, wurde diese Therapie bereits seit Jahrzehnten erfolgreich angewandt. Allerdings fehlt es immer noch an einer größeren Zahl qualifizierter, randomisierter Studien (RCT) zu dieser Therapieform.

Auch in der Zahnmedizin, bei odontogenen Infektionen und Entzündungen im Mund-. Kiefer-, Gesichtsbereich, sind Phagen bereits erfolgreich eingesetzt worden. Eine Therapie, die standardisiert und in der Breite eingesetzt werden kann, ist die Phagentherapie aber (noch) nicht, wie Mölling in ihrem Aufsatz in Spektrum der Wissenschaft[1] darlegt. Denn für jede Infektion muss eine spezifische Bakteriophage ausfindig gemacht werden, aus der dann ein individuelles Präparat hergestellt wird. Auch stehen die aktuellen rechtlichen Vorgaben und Regulierungen für Arzneimittel und Medizinprodukte in der westlichen Welt einem breiteren Einsatz der Phagentherapie entgegen. Es würde so viele Jahre bis Jahrzehnte dauern, bis diese Therapie als Standard freigegen werden könnte.

Aber diese Zeit haben wir vielleicht nicht mehr, wie Mölling und ihre Mitautoren in zwei aktuellen wissenschaftlichen Beiträgen [2, 3] deutlich machen. Die rasante Zunahme von Antibiotikaresistenzen und gefährlichen resistenten Erregern und der Rückzug großer Pharmaunternehmen aus der (aufwendigen, teuren und langwierigen) Forschung an neuen antibiotischen Wirkstoffen gegen diese resistenten Erreger bringen die Menschheit in Gefahr und Forschung und Politik in Zugzwang. Als einen „Weckruf“ bezeichneten Mölling und ihre Mitautoren daher auch ihren Beitrag in „Viruses“, der Ende 2018 erschien: „Es ist dringend erforderlich, die Verfügbarkeit von Phagentherapien zu beschleunigen“, so die Autoren. In ihrem Aufsatz stellen sie die aktuellen Forschungsprojekte zu dieser Therapie, deren vielversprechende Ergebnisse und Fallstudien zusammen.

Auch in einem im Juli 2019 erschienen Beitrag in „Nursing and Health Care“ berichten sie und ihre Mitautoren über aktuelle Ergebnisse verschiedener Forschungsprojekte und Fälle. Es sei wichtig, so Mölling, jetzt einen gut verfügbaren Pool von Bakteriophagen gegen die häufigsten Erreger aufzubauen, um diese schnell einsetzen zu können.

Mehr über die Phagentherapie und die faszinierende Welt der Viren erfahren die Teilnehmer des Wissenschaftlichen Kongresses des Deutschen Zahnärztetags am 8. November 2019 am 16.20 Uhr im Saal Harmonie des Congress Centrums der Messe Frankfurt. „Viren im Weltall? Werden sie die Menschheit umbringen? Darüber werde ich spekulieren – die Supermacht des Lebens!“, so Prof. Mölling.

Literatur


[1] Moelling K. Viren statt Antibiotika. Spektrum der Wissenschaft 2017 10:42-49


[2] Moelling K, Broecker F, Willy Ch. A Wake-Up Call: We Need Phage Therapy Now. Viruses 2018, 10, 688


[3] Moelling K. New case reports with phage therapy-what is needed for more? Nursing and Health Care 2019 4:30-32 https://doi.org/10.33805/2573.3877.135


Buch-und Videotipps


Mölling, Karin: „Die Supermacht des Lebens“. Reisen in die erstaunliche Welt der Viren, C.H. Beck Verlag, 2016, ISBN 978-3406669699


Moelling, K: Viruses. More Friends Than Foes, WSPC, 2016, ISBN 978-9813147829


Phagentherapie: Bakteriophagen – wie Viren gegen Bakterien helfen, Video vom Deutschen Zahnärztetag 2019


Titelbild: Design_Cells/Shutterstock.com
Bibliografía: Quintessence News Deutscher Zahnärztetag Interdisziplinär Menschen

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