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Die Mikrobengemeinschaft im Darm ist nicht nur für die Verdauung zuständig

(c) Troyan/shutterstock.com

Der Darm ist das Kraftwerk des Körpers – er schließt die Nahrung so auf, dass die darin enthaltene Energie für den Körper nutzbar wird. Er ist aber auch eine Art Kommunikationszentrale, die mit vielen anderen Organen und Organsystemen in Verbindung steht. Bei beiden Aufgaben spielt das Darmmikrobiom eine wichtige und lange Zeit unterschätzte Rolle: Die Mikrobengemeinschaft unterstützt nicht nur bei Verdauungsprozessen, sondern beeinflusst über Botenstoffe, Stoffwechselprodukte und Giftstoffe auch weit entfernt liegende Körperregionen. Wie diese Interaktionen im Einzelnen ablaufen, ist Gegenstand aktueller Forschung – in diesem Jahr etwa wurde der renommierte Paul Ehrlich-Preis für Arbeiten zum Thema Darmbakterien und Immunfunktion vergeben. Die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) befasst sich in einer aktuellen Folge ihres Podcasts Gastro Geplauder mit Mythen und Fakten rund um das Mikrobiom und klärt, ob die beliebten Mikrobiomanalysen sinnvoll sind.

Das Mikrobiom – schwerer Mitbewohner im Darm?

Die Zahl der Mikroben, die den menschlichen Darm besiedeln, geht in die Milliarden. Es sind hauptsächlich Bakterien, die sich dort tummeln, aber auch Archaeen (vormals: Archaebakterien), Viren und Pilze tragen zur mikrobiotischen Masse bei. Lange Zeit geisterte durch die Medien die Annahme, dass das Mikrobiom 1,5 bis 2 Kilogramm wiegt – laut Prof. Dr. med. Andreas Stallmach, Direktor der Klinik für Innere Medizin IV am Universitätsklinikum Jena, ein gutes Beispiel dafür, dass man Ergebnissen der Mikrobiomforschung teils auch kritisch begegnen müsse. „Hier wurde die Zahl der Mikroorganismen pro Gramm Stuhl hochgerechnet – offenbar aber leider fehlerhaft.“ Es sei davon auszugehen, dass die Mikrobiommasse deutlich leichter ist. Die genaue Zusammensetzung des Mikrobioms ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich und bleibt auch im Laufe des Lebens nicht konstant. „Die individuelle genetische Veranlagung spielt dabei ebenso eine Rolle wie die Ernährung, Bewegung, Hormone und die Einnahme von Medikamenten“, erklärt Stallmach.

„Schlechtes“ Mikrobiom – ungesunder Mensch?

Umgekehrt nehmen Zusammensetzung und Zustand des Mikrobioms auch Einfluss auf die Gesundheit ihres Trägers. Ein gesundes Mikrobiom trägt dazu bei, die Darmbarriere aufrechtzuerhalten und potenziell krankmachende Keime und Giftstoffe am Übertritt in das Blut zu hindern. Auch hat es einen regulierenden Einfluss auf die Immunaktivität. Eine gestörte Darmökologie dagegen wird in Verbindung mit chronischen Entzündungen gebracht und ist möglicherweise an der Entstehung verschiedenster Erkrankungen beteiligt – von Stoffwechselleiden und Adipositas bis hin zu neurologischen Erkrankungen, Atemwegserkrankungen und Herz-Kreislauf-Leiden.

„Gesichert wissen wir aber lediglich, dass bei vielen Erkrankungen das Mikrobiom verändert ist. Eine kausale Beziehung zwischen Erkrankung und Veränderungen im Mikrobiom ist nur bei Clostridioides difficile und der damit verbunden Antibiotikatherapie nachgewiesen.“ Daher rät Stallmach auch von einer kommerziellen Mikrobiomanalyse ab, die nur selten zur Gesundheit von Patientinnen und Patienten bei tragen könne. Die auf dem freien Markt angebotenen Analysen seien zumeist zu oberflächlich und auch nicht zweifelsfrei interpretierbar.

Stuhltransplantation – Heilungschancen trotz Ekel-Stigma?

Kann ein nachhaltig beschädigtes Mikrobiom geheilt werden? Der Mikrobiomtransfer – die sogenannte Stuhltransplantation – bei Colitis ulcerosa wird derzeit in Jena und weiteren Kliniken in der Bundesrepublik im Rahmen der FRESCO-Studie erforscht. Dabei wird der Stuhl von Menschen mit gesundem Mikrobiom Patientinnen oder Patienten mit Dickdarmentzündung eingesetzt. Erste Ergebnisse zeigten, dass ein einmaliger Stuhltransfer nicht ausreicht, um einen Krankheitsstillstand oder gar eine Remission – also Beschwerdefreiheit – zu erreichen, berichtet Stallmach aus der Forschungsgruppe. Daher setzten die Forschenden inzwischen auf die regelmäßige orale Einnahme verkapselter Bestandteile gesunden Mikrobioms und erzielen damit erste Erfolge bei Colitis ulcerosa-Betroffenen. „Die noch laufende Studie macht Hoffnung, dass wir mit dem Stuhltransfer den hohen Leidensdruck Betroffener mildern können. Es gilt dennoch, die finalen Ergebnisse abzuwarten“, sagt Stallmach. Dies gelte auch insgesamt für die laufende Forschung in diesem Bereich: Erst mit gesicherten Ergebnissen könne die Patientenversorgung verbessert werden.

  1. Walker et al.: Human microbiome myth and misconceptions. Nature Microbiology 2023, 8, 1392-96.
  2. Podcast “Gastro Geplauder” zum Mikrobiom
  3. Mehr zur FRESCO-Studie: FRESCO (uniklinikum-jena.de)

„Das Mikrobiom bekommt seit einigen Jahren medial große Aufmerksamkeit! Zurecht, denn auch wir erhoffen uns von der weiteren Erforschung Mittel und Wege, nicht nur gastroenterologische Erkrankungen zu behandeln. Fehlinformationen helfen jedoch nicht, schüren gar falsche Hoffnungen oder befördern Geschäftsmodelle wie die kommerzielle Mikrobiomanalyse. Dem möchten wir als Fachgesellschaft unbedingt entgegenwirken“, bekräftigt Privatdozentin Dr. med. Birgit Terjung, Ärztliche Direktorin der GFO Kliniken Bonn und Mediensprecherin der DGVS.

 

 

Bibliografía: DGVS Bunte Welt Interdisziplinär Menschen

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