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Erdüberlastungstag in Deutschland: Wenn alle so lebten wie wir, bräuchten wir drei Erden

Der aktuelle Stand der neun Planetaren Grenzen basierend auf Richardson et al., Science Advances (2023). Diese Visualisierung wurde vom PIK unter der CC-BY-Lizenz veröffentlicht. Version 1.2 der Abbildung (2024)

(c) Potsdam-Institut für Klimaforschung

Zum Erdüberlastungstag, in diesem Jahr am 2. Mai, hat das Wuppertal Institut ein Statement des Präsidenten und wissenschaftlichen Geschäftsführers Prof. Dr.-Ing. Manfred Fischedick veröffentlicht: „Zwei Tage früher als im letzten Jahr: Am 2. Mai 2024 hat Deutschland so viele Ressourcen verbraucht, wie dem Land – bezogen auf die globale Biokapazität – rechnerisch für das ganze Jahr zur Verfügung stehen. Dieser Tag wird als „Erdüberlastungstag“ oder „Earth Overshoot Day“ bezeichnet. Er beschreibt den Zeitpunkt, an dem so viele natürliche Ressourcen – wie Holz, Pflanzen oder Nahrungsmittel – verbraucht sind, wie innerhalb eines Jahres nachwachsen können. In die Rechnung geht zudem ein, wie viel CO2 die Natur innerhalb eines Jahres binden kann, etwa in Wäldern und Ozeanen.

Deutscher Verbrauch deutlich oberhalb des globalen Mittelwerts

Der Ressourcenverbrauch in Deutschland liegt deutlich oberhalb des globalen Mittelwerts. Der globale Erdüberlastungstag liegt zum Beispiel „erst“ Anfang August. Es bedeutet aber auch, dass wir weltweit über unsere Verhältnisse leben: Wir bräuchten rechnerisch 1,7 Erden, um unseren globalen Ressourcenbedarf zu decken und die Regenerationsfähigkeit des Planeten nicht zu überschreiten. Wenn die gesamte Weltbevölkerung so leben würde wie die Deutschen, dann bräuchte die Menschheit sogar drei Erden.
Die Unterschiede international sind groß: Während der französische Erdüberlastungstag wie in Deutschland auf Anfang Mai fällt, liegt er für Katar oder Luxemburg bereits Mitte Februar, in den USA und Kanada bei Mitte März, in China Anfang Juni, in Marokko dagegen erst Ende November und in Indonesien Anfang Dezember. In Indien ist der durchschnittliche Ressourcenverbrauch nach wie vor so gering, dass die dem Land rechnerisch zustehende Biokapazität im Jahresverlauf nicht überschritten wird.
Mit der Ausweisung des Erdüberlastungstags soll die Begrenztheit und Endlichkeit der natürlichen Ressourcen ins Bewusstsein der Menschen gerückt werden. Die aktuellen Zahlen zeigen: Ein Umdenken ist mehr denn je erforderlich – und zwar nicht nur global, sondern insbesondere auch auf der nationalen Ebene. Denn Deutschland liegt mit seinem Pro-Kopf-Ressourcenverbrauch und seinen CO2-Emissionen im obersten Viertel aller Länder. Damit tragen wir wesentlich zur weltweiten Übernutzung bei.

Was können, was müssen wir tun?

Um das Datum des Erdüberlastungstags nach hinten zu verschieben, müssen wir unseren ökologischen Fußabdruck verringern, indem wir etwa den CO2-Ausstoß drastisch reduzieren und weniger verschwenderisch leben. Dazu können alle einen Beitrag leisten. Gründe für den frühen Zeitpunkt sind unter anderem der weiterhin viel zu hohe Energieverbrauch, die nach wie vor zunehmende Versiegelung von Flächen, der übermäßige Fleischkonsum und der damit einhergehende Bedarf an Futtermitteln, die zu großen Teilen importiert werden müssen.

Eine Verringerung des ökologischen Fußabdrucks ließe sich entsprechend beispielsweise erreichen, indem wir weniger Fleisch konsumieren und weniger Essen wegwerfen, Energie sparen und Ökostrom nutzen, nachhaltiger reisen, natürliche Baustoffe wie Holz nutzen oder auf öffentliche Verkehrsmittel umsteigen. Wichtig ist aber vor allem, sukzessive in geschlossenen Stoffkreisläufen zu denken und eine Kreislaufwirtschaft zu etablieren. Das fängt bei einem adäquaten Produktdesign an, erfordert eine intensivere Nutzung von Produkten – etwa durch langlebige, modulare und reparaturfähige Produkte sowie Sharing-Konzepte – und schließt Wiederverwendung und Umnutzung ebenso ein wie das mechanische und chemische Recycling am Ende der Nutzungskette.

Änderungen müssen dauerhaft sein

Dass Einspareffekte möglich sind, hat die Energiepreiskrise im Zuge des Angriffskriegs Russlands auf die Ukraine gezeigt: Im Jahr 2022 ging der Erdgasverbrauch in allen Sektoren um mehr als 15 Prozent gegenüber dem Vorjahr zurück. Dazu beigetragen hat neben dem milden Winter vor allem energiesparendes Verhalten aller, angetrieben durch einen drastischen Anstieg der Energieträgerpreise und eine drohende physische Knappheit von Erdgas. Die Raumtemperatur leicht zu senken, auf das Heizen wenig genutzter Zimmer vollständig zu verzichten sowie Warmwasser zu sparen, wurde in vielen Haushalten praktiziert. Leider nicht langfristig. Entsprechend ist der spezifische Heizenergiebedarf 2023 wieder gestiegen, nicht zuletzt aufgrund der wieder gesunkenen Energieträgerpreise.

Das zeigt wie schwierig es ist, Routinen wirklich zu ändern. Denn darum geht es letztlich: Wir brauchen eine dauerhafte Umstellung unseres energieverschwenderischen Verhaltens – im Bereich der Wärmeversorgung wie bei der Mobilität.

Emissionen sinken viel zu langsam und nicht nachhaltig

Auch ist zu überlegen, ob wir uns in Sachen Klimaschutz auf dem richtigen Pfad befinden. Die deutschen Treibhausgasemissionen sind im vergangenen Jahr zwar um mehr als zehn Prozent gegenüber 2022 gesunken. Das lag jedoch nur zu einem kleineren Teil an strukturellen Maßnahmen wie dem Ausbau erneuerbarer Energien. Haupttreiber waren der milde Winter, der verstärkte Import von Strom aus den Nachbarländern und vor allem der energiepreisbedingt starke Rückgang der industriellen Produktion. Die energetische Sanierungsrate bei Gebäuden ist weiter gesunken und liegt jetzt bei nur noch 0,7 Prozent jährlich. Auch im Pkw-Bereich sind so gut wie keine Emissionsminderungen zu verzeichnen. Hier besteht großer Nachholbedarf!

Die viel zu geringe Geschwindigkeit, mit der Emissionen reduziert werden – nicht nur in Deutschland, sondern weltweit – manifestiert sich auch in der Tatsache, dass die Weltmitteltemperatur im Jahr 2023 um 1,48 Grad höher lag als in vorindustrieller Zeit. Damit ist das 2015 auf dem Pariser Klimagipfel formulierte Ziel, den Temperaturanstieg auf möglichst 1,5 Grad zu begrenzen, praktisch schon jetzt unerreichbar geworden.

Mehr in Synergie denken – Klimaschutz anders motivieren

Offensichtlich braucht es neben dem Klimaschutz andere Argumente und Überzeugungskräfte, um zu Verhaltensänderungen motivieren. Synergieeffekte zu identifizieren und stärker hervorzuheben, kommt eine große Bedeutung zu. Klimaschutz kann gewissermaßen „Huckepack“ genommen werden: Weniger Fleischverzehr ist aus gesundheitlichen Gründen sinnvoll und reduziert nebenbei den Treibhausgasausstoß. Weniger Autos in den Innenstädten, mehr Radfahren und zu Fuß gehen? Trägt zur Gesundheit bei, erhöht die Lebens- und Wohnqualität – und schützt das Klima.

Doch der Teufel steckt im Detail. Beim Fleischverzehr ist neben der Menge die Fleischsorte entscheidend: Ein Kilo Rindfleisch hat eine etwa zehnmal höhere Klimawirkung als ein Kilo Geflügel. Der Anteil der Viehwirtschaft an den weltweiten Treibhausgasemissionen wird auf 14,5 Prozent, also rund ein Siebtel des Gesamtausstoßes geschätzt. Hinzu kommt der enorme Flächenverbrauch für den Futtermittelanbau: Rund 40 Prozent des global verfügbaren Ackerlands werden dafür genutzt.

Dabei sind die bestehenden Minderungspotenziale sehr groß – und können durch das Anstoßen von Verhaltensänderungen durch Aufklärung und geschickte Kommunikation aufgegriffen werden: Die Anzahl der Menschen, die bereit sind, eine Portion Rindfleisch durch eine Portion Hühnerfleisch zu ersetzen, dürfte höher sein als die Zahl derer, die sich für einen vegetarischen oder veganen Lebensstil begeistern lassen.

Global gesehen: Sechs von neun planetaren Grenzen sind überschritten

Bereits seit mehr als 50 Jahren übersteigt der jährliche Verbrauch die global nachhaltig verfügbaren Ressourcen. Genauer gesagt seit 1971 – dem Geburtsjahr des Erdüberlastungstags. Errechnet wird er jedes Jahr vom internationalen Forschungsinstitut Global Footprint Network, sowohl für einzelne Länder als auch für den ganzen Planeten.

Der globale Erdüberlastungstag fiel 2023 auf den 2. August. Damit ist er im Vergleich zum Vorjahr um fünf Tage nach hinten gerückt. Auf den ersten Blick ein Grund zum Feiern – auf den zweiten Blick leider erklärbar durch eine Optimierung der Berechnungsmethoden auf Basis verbesserter Datensätze, vor allem aber durch die weltweit schwächelnde Konjunktur.
Auch ein Blick in die Vergangenheit zeigt, dass es keinen Grund zur Entwarnung gibt: Vor 20 Jahren lag der Erdüberlastungstag noch Mitte September. Der Trend geht also noch immer in die falsche Richtung, die Überlastung des Planeten ist nach wie vor immens – und der daraus resultierende Handlungsdruck wächst weiter und weiter.

Doch die Überbelastung unseres Planeten wird nicht nur bei Betrachtung des ökologischen Fußabdrucks deutlich, sondern auch mit Blick auf das Konzept der planetaren Grenzen: Dieses 2009 eingeführte Konzept wird jedes Jahr angepasst und, falls notwendig, erweitert. Die aktuellen Daten zeigen: In sechs von neun Bereichen sind die planetaren Grenzen bereits überschritten. Auch dieses Modell zeigt deutlich die Übernutzung der Erde. Neben der Klimakrise erfasst es folgende zentrale Problemfelder, in denen die Lage besonders dramatisch ist:

  • Unversehrtheit der Biosphäre, ehemals bezeichnet als Biodiversitätsverluste
  • Veränderung der Landnutzung
  • Süßwasserverbrauch
  • Biogeochemische Kreisläufe, vor allem der zu hohe Phosphor- und Stickstoffeintrag in die Böden
  • Einbringung neuartiger Substanzen, ehemals bezeichnet als Belastung durch Chemikalien

Die hinter dem Konzept stehenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler formulieren es so: „… the earth is now well outside of the safe operating space“ – die Welt befindet sich außerhalb des sicheren Betriebsbereichs.

Können wir daran etwas ändern? Grundsätzlich ja: mit Mut, den richtigen Ambitionen und mit Konsequenz. Die Reaktionen auf das immer größer werdende Ozonloch ist dafür ein gutes Beispiel und ein Lichtblick: Als das Ozonloch in den 1980er Jahren zum medialen Dauerthema wurde, weil die Menschen die Auswirkungen in Form von Sonnenbränden und Hautkrebsgefahr unmittelbar zu spüren bekamen und Wissenschaftlerinnen aus aller Welt geschlossen vor den immensen Gefahren eines „Weiter so” warnten, wurde die Staatengemeinschaft endlich aktiv. 1987 unterzeichneten 24 Staaten und die Europäische Gemeinschaft das Montrealer Protokoll und leiteten so den verpflichtenden Ausstieg aus der Verwendung von FCKW ein. Auch wenn weder die Lösung noch die Umsetzung perfekt sind: Sie stellen die Grundlage für die heutige Erholung der Ozonschicht dar – und zeigen eindrücklich, was durch gute Kommunikation und entschlossenes politisches Handeln möglich ist.“

 

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Bibliografía: Wuppertal Institut Bunte Welt Menschen Nachrichten

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