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In der Pandemie Container mit Hilfsgütern nicht nur für die Zahnmedizin gepackt – DIANO hilft Haiti in der Krise

„Habt Ihr Verwendung für 320 Krankenhausbetten?“ „Könnt ihr zwei Laborarbeitsplätze abbauen?“ Oder gar: „Das Haus wurde verkauft, das Praxisinventar muss sofort raus“ So oder ähnlich klang es meist, wenn das Telefon bei der zahnmedizinischen Hilfsorganisation DIANO klingelte, und das war nicht gerade selten in diesen Tagen. Von Lockdown-Flaute keine Spur.

Dafür waren die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von DIANO ständig unterwegs. Hier galt es die Betten abzuholen, dort ging es um einen Posten Inventar, wenn es nicht sogar eine ganze Klinik oder Praxis war, die zur Räumung anstand. Und davon gibt es leider in der Pandemie einige – ein Anlass, der eher Betroffenheit auslöst.

Hilfe über die Zahnmedizin hinaus

Auch wenn für DIANO (Dental International Aid Networking Organisation) nach wie vor die Zahnheilkunde absolute Priorität genießt: Mit der Pandemie wuchsen die Aufgaben. In Ländern, in denen die Organisation vorher aktiv war, öffneten sich kurzfristig Kontakte direkt in die Ministerien, wenn nicht gleich über die Deutsche Botschaft eine nationale Bedarfsnote zugestellt wurde.

Schnell auf kurzfristige Änderungen einstellen können

Damit änderte sich plötzlich alles im vormals eher beschaulichen Ablauf einer Hilfsorganisation. „Beschaulich“ war allerdings immer schon relativ und kommt immer auf die Sichtweise des Betrachters an, denn so gut wie bei jeder Reise in ein Land wie Haiti, aber auch nach Jamaika und in die Dominikanische Republik, muss man sich auf kurzfristige Änderungen und vor allem heftige Überraschungen einstellen.

Im Zeichen der Pandemie stand man vor völlig neuen Herausforderungen: Welches Beatmungsgerät kann man in welches Land schicken? Welches Zubehör wird benötigt? Wo gibt es Techniker und auf welchem Stand ist das Knowhow im Land? Dieser Fragenkatalog lässt sich unendlich fortsetzen, und nicht wenige Fragen können nicht ad hoc beantwortet werden.

Fünf Container verschifft

Seit Frühjahr 2020 konnten mit Hilfe zahlreicher Partner, wie zum Beispiel dem Hilfswerk Deutscher Zahnärzte, fünf Container verschifft werden. Ein mit Hilfsgütern beladener Container wiegt im Schnitt 20 Tonnen, so dass man sich leicht ausrechnen kann, welche Materialmengen hier bewegt werden und welcher Kraftaufwand nötig ist, um die große Blechkiste zu füllen. Gleichzeitig verschob sich die Gewichtung von der Zahnmedizin hin zur Humanmedizin, wo der Bedarf an Material und Gerätschaften ungleich größer ist.

Viele gebrauchte medizinische Geräte stauben ungenutzt ein

Es ist schon interessant zu sehen, welche Mengen an gebrauchten medizinischen Geräten in Lagerhallen und Kellern vor sich hin verstauben. Der überwiegende Teil dieser Technik entspricht nicht mehr dem allerneuesten Stand, ist aber voll funktionsfähig und wird anderswo händeringend gesucht.
Wenn wir in der Zahnmedizin über Validierung und technische Prüfungen stöhnen, trifft dies die Mediziner in einem weitaus größeren Umfang. So trifft man immer wieder auf wahre Schätze: Selbst in der Zeit des ersten Lockdowns gab es noch Beatmungsgeräte, die nicht in Betrieb genommen und schließlich – nach reichlich Überzeugungsarbeit – doch abgegeben wurden.

Jamaika und Haiti als Ziele

Der erste Container verließ Deutschland im Frühjahr 2020 in Richtung Kingston/Jamaika und war praktisch ausschließlich mit zahnmedizinischen Gütern gefüllt. Vier Praxen lieferten mit ihren Spenden den Grundstock. Dazu zählten sechs Zahnarztstühle, Kompressoren, Absaugungen und viele sorgsam in Kisten und Kartons verpackte Kleinteile in bis unter die Decke reichenden Stapeln.

Gleich zwei Container gingen im Sommer 2020 von Bonn nach Cap Haïtien in Haiti. Auch hier war immer noch ein Großteil des Inhalts für die Zahnkliniken im Norden Haitis bestimmt, wenngleich nun die Auswirkungen der Pandemie bereits bemerkbar waren: Zum Glück wurde eine größere Menge an Einmalartikel gespendet, die in Haiti noch dringender gebraucht wurden als hier, denn Haiti war zu diesem Zeitpunkt bereits vom internationalen Nachschub abgekoppelt. Der Hauptlieferant USA war ausgefallen, da bereits mehr als mit sich selbst beschäftigt.

Komplettes Labor für Haiti

Zumindest der Inhalt eines der beiden Container war (noch) fest in der Hand der Zahntechnik: Ein komplettes Dentallabor mit 16 Arbeitsplätzen verschwand in der geräumigen Transportkiste, um in Haiti wieder aufgebaut werden zu können. Damit könnte sich die Zahl der im Land arbeitenden Zahntechniker mehr als verdreifachen, denn bislang sind gerade einmal sieben Zahntechniker im Lande registriert, und wer „schnell“ eine Krone haben will, muss die Abformungen per Luftfracht nach Miami schicken.

Der vierte Container schließlich, der im September mit tatkräftiger Unterstützung des Hilfswerks Deutscher Zahnärzte nach Port-au-Prince, der Hauptstadt von Haiti, auf Reisen ging, wurde bereits von offizieller Seite sehnlichst erwartet. Mit dieser Sendung gelangten wiederum sechs Zahnarztstühle nach Haiti, gleichzeitig kamen hochwertige Laborausstattung, Krankenhausbetten und nochmals eine große Menge an Einmalartikel mit. Dementsprechend schnell verlief die Entladung. Der fünfte Container wurde in Augsburg gepackt und gelangte ebenfalls nach Port-au-Prince. Darin war praktisch nur noch medizinisches Gerät verstaut.

Prioritätenliste erstellt

Aufgrund der Dimension jeder einzelnen Anfrage hat sich DIANO auf wenige Bereiche konzentriert und eine Prioritätenliste erstellt. Dazu zählen Intensivmedizin, Labormedizin und Geburtshilfe, wobei anhand der Lage im haitianischen Gesundheitssystem eigentlich alle Fachbereiche im Notbetrieb arbeiten.
Wartung und mögliche Reparaturen im Vorfeld bedenken.

Jeder Versandgang verlangt nach einer umfangreichen Vorbereitung. Die Lieferungen müssen genau auf den Bedarf abgestimmt werden. Die Einrichtung im Empfängerland muss sich eingehend mit dem neuen Material auseinandergesetzt haben, bevor es überhaupt auf die Reise gehen kann. Schließlich müssen die langfristigen und nicht zuletzt nachhaltigen Folgen vorweggenommen werden: Wartung und mögliche Reparaturen müssen bereits im Vorfeld besprochen werden.

Kooperation auf Augenhöhe bewährt sich

Nicht zuletzt bedeutet dies, Techniker im und fürs Land aus- und weiterzubilden. Das würde eigentlich eine Reise von Techniker aus Europa ins Bestimmungsland mit sich bringen. Leider ist dies derzeit so gut wie unmöglich. Aber gerade bei Wartung und Instandhaltung wurde ein sehr hoher Ausbildungsbedarf festgestellt, denn die Fähigkeit, Reparaturen vor Ort von eigenen Kräften vorzunehmen ist nicht nur in Zeiten der Corona-Pandemie von unschätzbarem Wert. Und an diesem Punkt zeigte sich, dass der eingeschlagene Weg einer Kooperation auf Augenhöhe zielführend ist und sich unter schwierigen Bedingungen bewährt.

Geräte älterer Baureihe besser geeignet

Es hat sich bewährt, auf Geräte älterer Baureihen zurückzugreifen, den diese haben sich bisher als deutlich robuster erwiesen im Vergleich zu den hochentwickelten neueren Baureihen, die sich zudem als deutlich empfindlicher gegenüber den Grundbedingungen, vor allem den klimatischen Verhältnissen, in einem Entwicklungsland erweisen. Immer wieder gelingt es jedoch den einheimischen Partnern, uns durch ihr technisches Verständnis und Improvisationsvermögen zu verblüffen – Eigenschaften, die unabdingbar sind für das Überleben in so manchen Regionen dieser Erde! Durch die richtige Abstimmung der Partner untereinander lassen sich so manche Mängel beheben. So machte es beispielsweise keinen Sinn, elektrisch vollausgestattete Krankenhausbetten zu verschiffen, denn jedes zusätzliche elektrische Bauteil kann sich als Problem erweisen. Deshalb werden rein mechanische Betten für ein Land wie Haiti bevorzugt.

Medizinischer Bereich extrem unterfinanziert

Gerade in den Zeiten der Pandemie lassen sich die Schwächen eines Gesundheitssystems in einem Entwicklungsland nicht mehr verdecken. Es wurde nur zu deutlich, dass der ganze medizinische Bereich extrem unterfinanziert ist, was nicht zuletzt an den mangelnden finanziellen Möglichkeiten des jeweiligen Staats liegt. Dass diese Mängel von Hilfsorganisationen vollständig kompensiert werden, liegt fern jeder Realität und ist im Grunde auch nicht erwünscht, denn Hilfsorganisationen sollen nicht dazu herhalten müssen, systembedingte Defizite auszugleichen oder gar Einsparungen zu ermöglichen.

Neue Dimensionen: komplette Klinik ausräumen

Eine ganz neue Dimension wurde erreicht, als der erste Anruf kam, ob Interesse bestünde, eine komplette Klinik auszuräumen. War man schon bei dem Angebot von 320 Krankenhausbetten, die in zehn Container verstaut waren, deutlich an der Grenze angekommen, wollten man sich gar nicht erst vorstellen, wie viele Container für eine komplette Klinik gebraucht werden.

Interessehalber wurde in diesem Fall ein Besichtigungstermin vereinbart und es stellte sich doch als sehr interessant heraus, zumal es für Klinikmobiliar die entsprechenden Abnehmer gibt. Ein guter Teil an Kleingeräten, die für eine Hilfsorganisation besonders interessant sind, blieb quasi übrig und konnte somit abgegeben werden. In solchen Fällen bewährt sich immer wieder die gute Zusammenarbeit mit anderen Organisationen. So konnte schon so mancher „Materialberg“ gemeinsam abgetragen und verteilt werden.

Da – wie sich jetzt in der Corona-Krise zeigt – die Notlagen nicht abnehmen, ist zu erwarten, dass den Hilfsorganisationen auch ohne direkten Hilfseinsatz vor Ort die Arbeit auch in Zukunft wohl kaum ausgehen wird.

Tobias Bauer, Singen

Titelbild: In einem Lager in Ulm stapeln sich Container mit Klinikmobiliar (Foto: DIANO/Tobias Bauer)

 

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