Limo, Cola, Brause – Softdrinks gelten als Treiber für Übergewicht und Diabetes. Eine neue Studie zeigt: Der durchschnittliche Zuckergehalt ist in den vergangenen sechs Jahren nur um etwa zwei Prozent gesunken. Die Studie der Deutschen Allianz Nichtübertragbare Krankheiten (DANK) in Zusammenarbeit mit Wissenschaftler:innen der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) und der Technischen Universität München (TUM), erschien am 21. Februar in der Fachzeitschrift „Annals of Nutrition and Metabolism“. Demnach ist die Getränkeindustrie nicht auf Kurs, die selbst gesteckten Ziele zur Zuckerreduktion zu erreichen. Im Rahmen der Nationalen Reduktionsstrategie des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) wurde vereinbart, den Zuckergehalt von Softdrinks von 2015 bis 2025 auf freiwilliger Basis um 15 Prozent zu senken.
Branche hatte deutlich mehr versprochen
„Die freiwillige Zuckerreduktion bei Softdrinks kommt nicht voran. Wenn sich der Trend so fortsetzt, würde das Ziel ‚15 Prozent weniger Zucker‘ erst in Jahrzehnten erreicht“, resümiert Oliver Huizinga, Co-Autor der Studie und politischer Geschäftsführer der Deutschen Adipositas-Gesellschaft (DAG). „So viel Zeit haben wir nicht! Bundesernährungsminister Cem Özdemir ist gut beraten, die Strategie seiner Vorgängerin nicht fortzuführen“, so Huizinga.
„Zuckergetränke gelten als wesentlicher Treiber für Adipositas und Diabetes“, sagt Barbara Bitzer, Sprecherin von DANK und Geschäftsführerin der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG). „Appelle an die Industrie reichen nicht aus. Die Regierung muss endlich effektive Maßnahmen ergreifen, damit der Zuckergehalt in Softdrinks deutlich zurückgeht“, fordert Bitzer.
In Großbritannien geht es anders
„Unsere Daten zeigen nicht nur ein langsames Reduktionstempo in Deutschland – sie zeigen auch, wie es anders geht. In Großbritannien ist der Zuckergehalt im gleichen Zeitraum um knapp 30 Prozent gefallen, bei ähnlichen Ausgangswerten“, ergänzt Dr. Peter von Philipsborn, Hauptautor der Studie und Wissenschaftler am Lehrstuhl für Public Health und Versorgungsforschung der LMU. „Großbritannien hat 2018 eine Hersteller-Abgabe auf Softdrinks eingeführt, um die Hersteller zu einer Zuckerreduktion zu bewegen“, sagt Philipsborn. Huizinga ergänzt: „Diese Strategie ist offenbar sehr viel effektiver als die Strategie in Deutschland, wo man die Hersteller nur freundlich gebeten hat, den Zucker zu reduzieren.“
Rechnerisch hätte von 2015 bis 2021 eine Reduktion um 9 Prozent erfolgen müssen, um auf Kurs zu sein. Der Studie zufolge lag der durchschnittliche absatzgewichtete Zuckergehalt von Softdrinks in Deutschland im Jahr 2015 bei 5,3 Gramm je 100 Milliliter und im Jahr 2021 bei 5,2 Gramm je 100 Milliliter. Zum Vergleich: In Großbritannien ist der Zuckergehalt im gleichen Zeitraum von ebenfalls 5,3 Gramm je 100 Milliliter auf 3,8 Gramm je 100 Milliliter gesunken. Die britische Regierung hatte 2018 eine Hersteller-Abgabe auf stark gezuckerte Getränke eingeführt, um den Zuckergehalt in Softdrinks zu senken.
Auch weltweit greift man effizienter durch
Weltweit haben mittlerweile mehr als 50 Regierungen eine Abgabe oder Steuer auf Zuckergetränke eingeführt. Medizinisch-wissenschaftliche Fachgesellschaften, die Weltgesundheitsorganisation, Verbraucherschützer und auch Krankenkassen empfehlen seit Jahren die Einführung einer entsprechenden Regelung auch in Deutschland. Das Bundesernährungsministerium hatte im Mai 2022 gegenüber der Lebensmittelzeitung angegeben, auf neue Erkenntnisse aus der Forschung zu warten und diese in die „Positionierung bezüglich einer möglichen Einführung einer Zuckersteuer in Deutschland“ einzubeziehen. Nun zeigt sich: Deutschland hinkt der internationalen Entwicklung in diesem Feld meilenweit hinterher.
Die Deutsche Allianz Nichtübertragbare Krankheiten (DANK) hat den Fortschritt der freiwilligen Zuckerreduktionszusagen von Softdrink-Herstellern in Deutschland wissenschaftlich auswerten lassen. Es zeige sich, dass die Strategie der freiwilligen Zuckerreduktion bei Softdrinks gescheitert sei. Der durchschnittliche Zuckergehalt von Softdrinks sei von 2015 bis 2021 lediglich um etwa 2 Prozent gesunken. Bei diesem ‚Tempo‘ werde das mit der Bundesregierung vereinbarte Ziel von 15 Prozent Reduktion von 2015 bis 2025 erst in Jahrzehnten erreicht. In Großbritannien dagegen sei in gleicher Zeitspanne eine Zuckerreduktion um knapp 30 Prozent eingetreten – zurückzuführen auf die eingeführte Herstellerabgabe für Zuckergetränke. Weltweit haben mittlerweile mehr als 50 Regierungen eine Abgabe oder Steuer auf Zuckergetränke eingeführt.
Die Bundeszahnärztekammer (BZÄK) teilt die Forderungen von DANK nach Einführung einer Sonderabgabe für Hersteller auf stark zuckerhaltige Softdrinks. „Ein übermäßiger Zuckerkonsum schadet auf Dauer nachgewiesenermaßen der Mund- und Allgemeingesundheit. Die Folgekosten belasten unsere Sozialsysteme unnötig. Ein geringerer Zuckerkonsum könnte also nicht nur entlastende Wirkung für das Gesundheitswesen haben, sondern auch ökonomisch sinnvoll sein“, so BZÄK-Vizepräsident Konstantin von Laffert.
Die Bundeszahnärztekammer setzt sich seit Jahren für eine gesunde Ernährung ein, sie positioniert sich gemeinsam mit anderen medizinischen Fachdisziplinen zum Thema Fehlernährung. 2018 forderte sie auf Grundlage ihres Positionspapiers zur Bedeutung der Ernährung im Rahmen zahnmedizinischer Erkrankungen vor allem:
- die Einführung einer verständlichen Lebensmittelkennzeichnung insbesondere im Hinblick auf den Zuckergehalt,
- die Einführung einer Sonderabgabe auf stark zuckerhaltige Softdrinks,
- eine deutliche Reduktion des Zuckergehalts in Nahrungsmitteln für (Klein-)Kinder.
Wasser und ungesüßte Tees
Für Huizinga hat die Herstellerabgabe den Vorteil, dass die Produkte mit einer solchen Abgabe nicht unbedingt teurer werden müssen, da die Hersteller das Rezept ändern, um die Abgabe nicht zahlen zu müssen. „Damit ändert eine solche Abgabe nichts am Preis. Es macht die Produkte einfach weniger schädlich.“
Ernährungswissenschaftler in Deutschland raten dazu, zuckergesüßte Getränke möglichst zu vermeiden. Studien zeigen, dass auch relativ kleine Mengen, die regelmäßig aufgenommen werden, schon das Risiko für verschiedene Erkrankungen erhöhen. Zuckerersatz- oder Zuckeraustauschstoffe haben ihre eigenen Risiken: „Ganz unproblematisch sind diese Süßstoffe auch nicht, da manche davon im Verdacht stehen, ungünstige Auswirkungen zu haben, etwa auf die Darmflora. Man kann aber davon ausgehen, dass sie im Vergleich zu zuckergesüßten Getränken das geringere Übel darstellen. Wirklich gesunde Durstlöscher sind Wasser und ungesüßte Tees“, erklärt Huizinga.
Weiterführende Links:
- Studie in der Fachzeitschrift „Annals of Nutrition and Metabolism“ (open access, Englisch)
- WHO-Handbuch zur Besteuerung von zuckergesüßten Getränken zur Förderung einer gesunden Ernährung (Englisch)
- Funktionsweise und Zielsetzung der britischen Hersteller-Abgabe für stark gesüßte Softdrinks
- Nationale Reduktions- und Innovationsstrategie des BMEL – u.a. mit der Zielsetzung „15 Prozent weniger Zucker in Erfrischungsgetränken 2015-2025“
- Interview mit Prof. Dr. Harald Jatzke, Vorsitzender Richter am Bundesfinanzhof, zu den rechtlichen Rahmenbedingungen einer Zuckersteuer (2020)
- Interview mit Oliver Huizinga zur Studie in Spiegel Online