Zahnerhalt ist immer besser: Eine umfassende Langzeitstudie1,2, die jetzt auf der EuroPerio11, dem weltweit führenden Kongress für Parodontologie und Implantologie der Europäischen Föderation für Parodontologie (EFP) in Wien vorgestellt wurde, zeigt, dass die Zahnerhaltung durch parodontale Regeneration (PR) einen gleichwertigen – wenn nicht sogar größeren – Nutzen bietet als der Ersatz durch Zahnimplantate oder Brücken3.
Die Studie begleitete Patienten 20 Jahre lang und verglich Patienten, die sich fortschrittlichen regenerativen Verfahren zur Zahnerhaltung unterzogen hatten, mit Patienten, denen an gleicher Stelle ein Zahn gezogen und durch ein Implantat oder eine festsitzende Brücke ersetzt wurde. Die Ergebnisse sind eindeutig: Zahnerhaltung kann genauso gut funktionieren, ist langfristig kostengünstiger und kann für manche Patienten auch eine bessere Behandlungserfahrung bieten.
Starker Knochenverlust nicht immer Indikation zur Extraktion
„Die Annahme, dass ein Zahn mit starkem Knochenverlust immer entfernt werden muss, ist nicht unbedingt richtig“, sagte Dr. Simone Cortellini von der KU Leuven in Belgien, eine der leitenden Forscherinnen. „Diese Studie zeigt, dass Regeneration eine wirksame Option ist, die Patienten viele Jahre mit eigenen Zähnen schenken kann.“
Bei schwerer Parodontitis kann das zahnstützende Gewebe, einschließlich des Knochens, degenerieren, manchmal bis zur Wurzelspitze (Apex). Traditionell gelten diese Zähne als „hoffnungslos“ und werden oft entfernt. Bei der parodontalen Regeneration hingegen werden chirurgische Techniken und Materialien eingesetzt, um verlorenen Knochen und Gewebe wieder aufzubauen und so den Zahn möglicherweise zu retten.
Die Grenzen dessen erweitern, was als „hoffnungslos gilt“
„Wir wollten die Grenzen dessen erweitern, was als ‚hoffnungslos‘ gilt“, sagte Dr. Cortellini. „Unser Ziel war es zu zeigen, dass bei den richtigen Patienten selbst stark geschädigte Zähne erfolgreich behandelt und erhalten werden können.“
An der randomisierten kontrollierten Studie nahmen 50 Patienten mit schwerer Parodontitis (Stadium III oder IV) teil. Jeder von ihnen hatte mindestens einen Zahn mit Attachmentverlust, der bis zur Wurzelspitze oder darüber hinaus reichte – ein Zeichen für extreme Gewebezerstörung. Die Teilnehmer wurden in zwei Gruppen eingeteilt:
- PR-Gruppe: Parodontale Regeneration zur Zahnerhaltung
- TER-Gruppe: Zahnextraktion und Ersatz durch ein Implantat oder eine festsitzende Brücke
Wichtigste Ergebnisse nach 20 Jahren
Nach 20 Jahren erwiesen sich beide Behandlungsoptionen – Zahnerhaltung oder Implantatersatz – als erfolgreich. In der Gruppe mit Zahnerhaltung gingen nur vier Zähne verloren, während in der Ersatzgruppe nur zwei Implantate versagten. Die parodontale Gesundheit der zahnerhaltend behandelten Patienten blieb über die Zeit stabil, und auch zwei Jahrzehnte nach der Behandlung blieb ein gesundes Attachment erhalten.
Zahnerhalt auf Dauer deutlich günstiger
Was die Kosten angeht, erwies sich der Erhalt des natürlichen Zahns langfristig als deutlich günstiger, selbst unter Berücksichtigung der laufenden Mundhygiene und professionellen Betreuung. Wichtig ist, dass beide Gruppen hinsichtlich Komplikationen und Behandlungserfolg ähnliche Ergebnisse erzielten.
Zahnerhalt ist Gewinn für Patient und Zahnarzt
„Einen Zahn zu ersetzen ist nicht unbedingt besser als ihn zu erhalten“, erklärte Cortellini. In beiden Fällen bestehe die Möglichkeit von Problemen im Laufe der Zeit, insbesondere bei Patienten mit parodontalen Erkrankungen in der Vorgeschichte. Wenn wir den Zahn jedoch erhalten können, verzögern wir die Extraktion um viele Jahre – ein Gewinn für Patienten und Zahnärzte.
Regenerative Verfahren sind nicht nur in der Anschaffung kostengünstiger, sondern diese Studie zeigte auch, dass sie über 20 Jahre hinweg immer noch deutlich günstiger sind als Implantate oder Brücken, vor allem weil erhaltene Zähne oft weniger langfristige Behandlungen benötigen. „Auch nach zwei Jahrzehnten erwies sich die parodontale Regeneration als kostengünstiger“, bemerkte Cortellini.
Patienten für regenerative Verfahren gezielt auswählen
Regeneration ist eine komplexe Technik, die nicht für jeden Patienten und jeden Zahn geeignet ist. Sie funktioniert am besten bei Patienten, die sich in einem guten Allgemeinzustand befinden, nicht rauchen, hoch motiviert sind und eine ausgezeichnete Mundhygiene pflegen. „Man kann der beste Parodontologe der Welt sein, aber wenn der Patient kein geeigneter Kandidat ist, wird man Schwierigkeiten haben, langfristigen Erfolg zu erzielen“, sagte Cortellini. „Patientenauswahl, Nachsorge und Patientencompliance sind entscheidend.“
Vorteile der Regeneration mehr Patienten zugänglich machen
„Diese wegweisende Studie unterstreicht, dass in den richtigen Händen und bei den richtigen Patienten die Rettung selbst stark geschädigter Zähne durch Regeneration genauso effektiv – wenn nicht sogar effektiver – sein kann als deren Ersatz“, so Lior Shapira, wissenschaftlicher Leiter von EuroPerio11. „Es ist nicht nur eine klinisch sinnvolle Option, sondern kann Patienten auch langfristig erhebliche Einsparungen bringen. Obwohl sich die Kostenlücke im Laufe der Zeit leicht verringert hat, blieb der Erhalt des natürlichen Zahns insgesamt kostengünstiger. Gleichzeitig ist es wichtig zu wissen, dass Regeneration keine Universallösung ist. Kontinuierliche Innovationen im Bereich der Biomaterialien werden dazu beitragen, die Vorteile der Regeneration mehr Patienten zugänglich zu machen.“
Zweimal überlegen, bevor man extrahiert
„Die wichtigste Botschaft ist einfach: Retten Sie den Zahn, wenn möglich!“, schloss Cortellini. „Zahnersatz ist eine gute Option, aber eine Regeneration kann jahrzehntelange Stabilität bieten und den Erhalt der eigenen Zähne ermöglichen. Unsere Forschung zeigt uns, dass man es sich zweimal überlegen sollte, bevor man einen Zahn zieht. Wenn es Ihr Zahn wäre, würden Sie nicht zuerst versuchen, ihn zu erhalten?“
Literatur[1] Cortellini P, Stalpers G, Mollo A, Tonetti MS. Parodontale Regeneration versus Extraktion und prothetischer Ersatz von Zähnen, die durch Attachmentverlust an der Wurzelspitze stark beeinträchtigt sind: 5-Jahres-Ergebnisse einer laufenden randomisierten klinischen Studie. J Clin Periodontol. 2011 Okt;38(10):915-24. doi: 10.1111/j.1600-051X.2011.01768.x. Epub 2011 Jul 21. PMID: 21777268.
[2] Cortellini P, Stalpers G, Mollo A, Tonetti MS. Parodontale Regeneration versus Extraktion und Zahnimplantat- oder prothetischer Ersatz von Zähnen mit starkem Attachmentverlust an der Wurzelspitze: Eine randomisierte kontrollierte klinische Studie mit 10-Jahres-Ergebnissen, Überlebensanalyse und mittleren kumulativen Kosten eines Rezidivs. J Clin Periodontol. 2020 Jun;47(6):768-776. doi: 10.1111/jcpe.13289. Epub 2020 Apr 19. PMID: 32249446; PMCID:
[3] O141: Parodontale Regeneration versus Extraktion und Ersatz von Zähnen mit starkem Attachmentverlust an der Wurzelspitze: Eine 20-jährige randomisierte kontrollierte Studie. (O141 Periodontal Regeneration versus Extraction and Dental Implant or Prosthetic Replacement of Teeth Severely Compromised by Attachment Loss to the Apex: A RCT Reporting 20-year Follow-up) Autoren: S. Cortellini, J. Buti, D. Bonaccini, M. De Martino, P. Cortellini. Institutionen: KU Leuven, UCL Eastman Dental Institute, Universität Florenz und ERGOPERIO