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Gefräste versus gedruckte Retentionsgeräte

Konventionell (gestreut) hergestellte Modifikation des Hawley-Retainers für den oberen und unteren Zahnbogen. Für den Halt der Apparatur dienen Adamsklammern.

Zwei Möglichkeiten zur digitalen Herstellung von abnehmbaren Retainern haben Dr. Lea Hoffmann und Dr. Alexander Keller für die Kieferorthopädie 1/2023 vorgestellt: additive versus subtraktive Konstruktionen. Zudem zeigen sie deren bisher bekannte Vor- und Nachteile auf. 
Die digitale Entwicklung im Fach Kieferorthopädie ermöglicht es, nahezu jede gewünschte Konstruktion der hier zur Diskussion stehenden herausnehmbaren Retentionsgeräte vorzulegen. Die Planung der individuell notwendigen Retentionsmaßnahmen erfolgt in Art und Umfang im Abgleich vom Ausgangs- zum Endbefund und in Relation zur durchgeführten kieferorthopädischen Therapie. Dabei gilt es prognostisch alle Retentionskriterien zu berücksichtigen, denen das Kauorgan durch den skelettalen wie dentalen Aging-Wandel fortlaufend unterworfen ist. Die Herstellung der Retentionsgeräte wird beim additiven (3D-Druck) Verfahren durch die spröde Materialeigenschaft der handelsüblichen Materialien (beispielsweise Dental Clear LT) begrenzt. Eine gute Alternative bietet das subtraktive Verfahren (Fräsen). Derzeit werden vermehrt 3D-Druckmaterialien auf dem dentalen Markt vorgestellt, die möglicherweise bald den Materialeigenschaften des subtraktiven Verfahrens gleichkommen.

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Einleitung

Nach individuell erfolgreicher kieferorthopädischer Therapie steht die Planung einer dento-alveolären Retention in allen drei Raumebenen – transversal, vertikal, sagittal – an. Die Retention kann temporär, semipermanent oder permanent ausgerichtet sein. Bereits Angle verwies 1907 auf die große Bedeutung der Retention1. Charles Strittmatter legt 1953 eine „völlig neutrale Definition“ für den Begriff Retention an, wobei die Betonung auf dem „Festhalten eines in die richtige Lage gebrachten Zahnes“ liegt2.

Für eine individuell notwendige Retention stehen unterschiedlichste Gerätevariationen zur Verfügung. Die Auswahl bestimmt das jeweilige skelettale wie dentale Zeitfenster, das bei Behandlungsabschluss vorliegt3–6.

Im Rahmen der abnehmbaren Retentionsgeräte kommen am häufigsten Hawley- und Essix--Retainer zum Einsatz, bei den festsitzenden Retentionsgeräten sind es die Sechs-Basen-Draht-Retainer im unteren Frontzahnbereich, im oberen Zahnbogen häufiger die Vier-Basen-Retainer für die Inzisivi.

Der Hawley-Retainer besteht konventionell aus zwei separaten Kunststoffplatten, teilweise auch mit Draht-Halteelementen modifiziert (Abb. 1), wobei er seiner ursprünglichen Indikation, dem „settling of occlusion“ nicht mehr voll gerecht wird.

Die Digitalisierung in der Kieferorthopädie eröffnet auch die Möglichkeiten zur individuellen Herstellung der Retentionsgeräte. Im Gegensatz zur konventionellen Laborherstellung ist ein volldigitaler Workflow möglich. Aktuell haben sich zwei unterschiedliche digitale Verfahren etabliert: die additive Methode mittels 3D-Druck und die subtraktive Methode durch Kunststoff-Fräsungen.

Digitale Retention (additiv versus subtraktiv)

Basis beider Verfahren ist der Intraoralscan der Zahnkränze. Die generierte STL-Datei wird in die dentale Bildverarbeitungssoftware OnyxCeph (Fa. Image Instruments, Chemnitz) importiert und das Bite Splint-Modul zum Designen genutzt6. Dieses Modul ermöglicht die Gestaltung individueller Apparaturen. Vorteil ist eine automatische Platzierung der gezeichneten Apparatur auf den importierten Scan der Kiefer sowie die Möglichkeit, vorkonfigurierte Objekte (beispielsweise Hooks) in die designte -Apparatur einzuarbeiten.

Additives Verfahren (3-D-Druck)

Beim additiven Verfahren wird zuerst der Plattenkörper, die Grundform des Hawley-Retainers, entworfen. Um die konventionellen Halteelemente zu ersetzen, wird ein sogenannter „wrap around“  (Umhüllung) gestaltet (Abb. 2). Der Halt wird über Unterschnitte der permanenten Zähne gesichert. Hierfür wird die vestibuläre Seite des Hawley-Retainers auf eine Länge von ca. 1 mm unterhalb des Gingivalrands gestaltet. Auf der Innenseite reicht der linguale beziehungsweise palatinale Anteil des Hawley-Retainers bis ca. 3 mm unterhalb des Gingivalrands. Optional kann ein modifiziertes Labialschild als einzelnes Stück generiert werden. Die Verbindung gewährleisten elastische Gummiketten und verstärken den Halt (Abb. 3). Zu beachten ist eine ausreichend gestaltete vertikale Höhe, um die Bruchfestigkeit zu erhöhen. Die Materialausdehnung sollte beim Hawley-Retainer ca. 2 bis 2,5 mm betragen. Hierbei ist bereits der Materialverlust durch die folgende Politur miteingerechnet.

Nach Abschluss dieses „Computer-aided-design (CAD)-Vorgangs“ wird der Hawley-Retainer im STL-Format exportiert und in die Nesting-Software -Preform (Formlabs, Somerville, MA) importiert. Es folgt die Ausrichtung auf der Bauplattform, das Versehen mit Stützstrukturen und anschließend der Druck (Formlabs 3B). Als Kunststoff eignet sich bei der Auswahl des 3D-Druckers das Material Dental LT Clear (Formlabs).

Nach Abschluss des Druckvorgangs wird die Apparatur von der Bauplattform gelöst, in 97prozentiger Isopropanol-Lösung zwanzig Minuten lang (15 Minuten und weitere fünf Minuten in frischer Isopropanol-Lösung) gereinigt. Die Nachhärtung erfolgte in der NextDent LC 3-D-Printbox (NextDent B.V.) für zehn Minuten (mittlere Leistung 264 Watt; Spektralverteilung 300 bis 550 nm)7. Abschließend wird der Hawley-Retainer wie bei der konventionellen Apparatur mittels eines Bimssteins geglättet und poliert (Abb. 4).

Ein Nachteil bezieht sich auf das sogenannte „Alles-oder-Nichts-Prinzip“ bei der klinischen Eingliederung eines gedruckten Hawley-Retainers: Entweder er hat genügend Halt an den zu retinierenden Zähnen oder nicht. Eine zu locker sitzende Apparatur kann klinisch nicht korrekt adaptiert werden (Abb. 5).

Subtraktives Verfahren (Fräsen)

Beim subtraktiven Verfahren wird ebenfalls das Bite Splint-Modul zum Designen des Retainers genutzt. Insgesamt kann hier, im Gegensatz zum 3-D-Druck, eine geringe Schichtstärke (etwa 2 mm) verwendet werden. Der hierfür verwendete Kunststoff ist biegsamer, belastungsstabiler und weicher. Das CAD-Verfahren ist jedoch deutlich komplexer als bei dem „wrap around“ Hawley-Retainer. Die Gestaltung des Plattenkörpers erfolgt in zwei Schritten: Eine dicke Schicht im Zentrum der Apparatur (2,5 mm Schichtstärke) und eine weitere, dünn zum Gingivalrand auslaufende Schicht (1,2 mm Schichtstärke). Hierdurch kann der Tragekomfort für den Patienten nochmals erhöht werden (Abb. 6). Im Gegensatz zum 3-D-gedruckten Hawley-Retainer können der Labialbogen und die Haltelemente ähnlich wie bei konventionellen Apparaturen designt werden (Abb. 7). Die Retentionsarme im Seitenzahnbereich werden mit einer Schichtstärke von etwa 2,5 mm gestaltet (Abb. 7). Durch das eng anliegende Design unterhalb des Zahnäquators wird ein Unterschnitt und somit eine Retention erreicht. Die Überwürfe zur Plattenbasis verlaufen oberhalb des Approximalraums. Der Labialbogen hat eine ähnliche Schichtstärke wie die Retentionsarme. Durch speziell designte Hooks (individuell für die Fräsung ent-wickelte STL-Datensätze) ist es möglich, mithilfe einer elastischen Gummikette den Labialbogen noch nachträglich zu aktivieren und zu komprimieren (Abb. 8).

Nach Export des fertigen Retainers aus dem Bite Splint-Modul wird dieser aus einem Kunststoffrohling gefräst (Bio Expander System, Astron Dental Corporation). Anschließend ist nur noch eine Politur notwendig (Abb. 9 und 10).

Die klinische Eingliederung des gefrästen Hawley-Retainers ist einfach. Aufgrund des elastischen Kunststoffs wird eine suffiziente Retention über die Unterschnitte der Zähne erreicht, vergleichbar mit konventionellen Apparaturen (Abb. 11a und b).

Diskussion

Herausnehmbare Retentionsapparaturen können bei gesicherter Compliance des Patienten den Zahnbogen in der Transversalen „stabilisieren“ und sind den festsitzenden Retainern prinzipiell ebenbürtig3. Basis für eine „relative Langzeitstabilität“ von Behandlungsergebnissen bleibt jedoch primär die personalisierte korrekte Behandlungsplanung und -durchführung. Die gewählten Retentionsmaßnahmen stehen in direkter Abhängigkeit zum Zeitfenster, in dem eine aktive Therapie erfolgt und vor allem beendet wird. Das Gleiche gilt für die Retentionsdauer: temporär, semipermanent oder permanent.

Die Vorteile einer digitalen Gestaltung zur  Herstellung von Retentionsapparaturen sind Zeitersparnis, geringere Laborzeiten sowie eine digitale Speicherung. Als Nachteil einer digitalen Arbeitsweise sind spezielle Hindernisse nicht zu vergessen: 3D-gedruckte Apparaturen weisen infolge der spröden Materialeigenschaften eine hohe Gefahr für Materialbruch auf (Abb. 12). Insgesamt gibt es nur wenige als wissenschaftlich fundiert einzustufende Publikationen, die sich mit mechanischen Eigenschaften von kieferorthopädischen 3D-Druck-Materialien befassen8,9.

Wesemann et. al untersuchten in einer In-vitro-Untersuchung die Verschleißbeständigkeit (Härte, Biegefestigkeit und Biegemodul) von Polymeren für die klassische, die subtraktive und additive Herstellung von okklusalen Apparaturen9. Bei dem additiven Polymer handelte es sich um das auch in der Kieferorthopädie verwendete Dental Clear LT (Fa. Formlabs). Alle Proben wurden unter Verwendung eines Kausimulators (2-Körper-Verschleißtests) 200.000 Zyklen mit 50 N belastet, um die Abriebsbeständigkeit zu analysieren. Extrahierte Prämolaren dienten als Antagonisten. Um die Härte der Materialien zu vergleichen, wurden mittels der Vickers--Methode alle Proben nach Wasserlagerung bei 37 Grad Celsius geprüft. Zu diesem Zweck wurden die plan geschliffenen Proben vertikal mit einem Körper belastet und anschließend die Eindringtiefe gemessen. Die Verweilzeit betrug 10 Sekunden bei 2 N. Abschließend wurde nach Wasserlagerung bei 37 Grad Celsius ein Drei-Punkt--Biegeversuch mit einem konstanten Versatz von 5 mm/min bis zum Bruch durchgeführt. Die Autoren konnten zeigen, dass die Verschleißbeständigkeit aller Materialien vergleichbar ist. -Jedoch weisen die additiven Polymere im Vergleich zum subtraktiven sowie konventionellen Polymer eine reduzierte Oberflächenhärte, Biegefestigkeit sowie ein geringeres Elastizitätsmodul auf. Insbesondere Dental clear LT wies eine sehr hohe Biegefestigkeit von bis zu 95 MPA auf. Zudem sind die Materialeigenschaften additiver Polymere nicht gleichbleibend, da Einflussfaktoren wie Druckrichtung, Wassereinlagerung, Drucker oder Polymerisation einen großen Einfluss auf die jeweiligen Materialeigenschaften haben9.

Reymus et al. untersuchten in einer In-vitro-Studie den Einfluss von Nachpolymerisation und Alterung verschiedener 3D-gedruckter Materialien (NextDent Splint, Formlabs Dental LT Clear und Freeprint Splint) im Vergleich zu konventionell gefrästen Materialien (Temp Premium)10. Jeder Probekörper wurde nach der Herstellung auf die Materialhärte und das Eindringmodul mittels eines universellen Härteprüfers geprüft. Anschließend wurden die Proben in Wasser bei 37 Grad Celsius gelagert und nach zwei und vier Wochen erneut geprüft. Die Studie zeigte, dass die elastischen Eigenschaften der 3D-gedruckten Materialien bei längerer Wasserlagerung abnehmen, spröde werden und bei gleicher Nutzungszeit bruchanfälliger sind als gefräste Apparaturen.

Diese Ergebnisse spiegeln sich in unserer klinischen Erfahrung wider. Die 3D-gedruckten kieferorthopädischen Apparaturen weisen eine hohe Bruchanfälligkeit auf (Abb. 12), vor allem die Flächen distal der letzten Molaren. Ein Zahnüberwurf von vestibulär nach lingual muss eine gewisse Schichtstärke aufweisen, um einer Bruchgefahr entgegenzuwirken, Vorkontakte müssen für den Okklusionsbefund vermieden werden (Abb. 13). Daher ist auch der untere Hawley-Retainer bruchanfälliger. Über diese Bruchanfälligkeit sind die Patienten mit nachvollziehbaren Hinweisen für die richtige Handhabung der Geräte aufzuklären.

Weniger Nachteile bieten im Vergleich dazu gefräste Hawley-Retainer bei nahezu gleichen Vorteilen. Durch das flexiblere Material kann eine grazilere Gestaltung mit gleichzeitig niedrigerer Bruchgefahr vereint werden. Für dieses Verfahren sind spezielle Fräsmaschinen erforderlich, die aktuell vor allem in Fachlaboren zur Verfügung stehen. Weiterentwicklungen von Fräsmaschinen ebenso wie bei den 3D-Druckmaterialien könnten die jeweiligen Nachteile der Herstellungsmethoden in Zukunft reduzieren.

Schlussfolgerung

Durch die Fortschritte der Digitalisierung im Fachgebiet Kieferorthopädie werden immer neue Herstellungsprozesse für kieferorthopädische Apparaturen möglich, sei es während des Therapieverlaufs und/oder innerhalb einer Retention. Sowohl mit der additiven (3D-Druck) als auch der subtraktiven (Fräsen) Methode lassen sich Retentionsgeräte herstellen.

Die Geräteherstellung ist im additiven (3D-Druck) Verfahren durch die spröde Materialeigenschaft der handelsüblichen Materialien begrenzt. Es ist zu erwarten, dass die neuen 3D-Druckmaterialien, die fortlaufend auf dem dentalen Markt erscheinen, sich den Materialeigenschaften vom subtraktiven Verfahren immer mehr annähern.

Ein Beitrag von Dr. Lea Hoffmann und Dr. Alexander Keller, beide München

Literatur auf Anfrage über news@quintessenz.de

Reference: Kieferorthopädie

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