Wenn ein Zahnarzt seine vertragszahnärztlichen Pflichten „gröblich“ verletzt, ist ihm die vertragszahnärztliche Zulassung zu entziehen, das heißt, er darf dann keine gesetzlich Versicherten mehr behandeln. Solche Pflichtverletzungen beziehen sich nicht nur auf Behandlung und Abrechnung, sondern immer häufiger auch auf das gesamte Verhalten.
Bei Verstößen gegen die vertragszahnärztlichen Pflichten denkt man zunächst an Behandlungs- oder auch Abrechnungsfehler. Es leuchtet ohne weiteres ein, dass KZV und Krankenkassen es nicht hinnehmen müssen, wenn ein Vertragszahnarzt in großem Umfang falsch abrechnet und sich so unberechtigt finanzielle Vorteile auf Kosten der Versicherten verschafft – angesichts der Budgetierung auch auf Kosten der Kollegen.
Zunehmend werden aber auch Zulassungen aufgrund von Verhalten außerhalb von Behandlung und Abrechnung entzogen. Das Bundessozialgericht (BSG) bestätigte im April dieses Jahres den Entzug der Zulassung bei einem Zahnarzt wegen sexueller Übergriffe auf seine Mitarbeiterinnen (Az.: B 6 KA 4/18 R).
Der Fall dieses Thüringer Zahnarztes war damals durch die Medien gegangen. Er hatte im Umkleideraum der Praxis heimlich eine Kamera installiert, mit der er seine Mitarbeiterinnen teilweise unbekleidet filmte. Dies geschah nicht einmalig, sondern über viele Jahre. Er ging sogar soweit, dass er seine Mitarbeiterinnen unter die Dusche trug, sie dort nass spritzte und dann von deren Umkleiden Filmaufnahmen fertigte.
Entzug auch ohne rechtskräftige Verurteilung
Obwohl es weder zu einer rechtskräftigen strafrechtlichen Verurteilung noch zu einem Entzug der Approbation kam, bestätigte das BSG jedoch das Entziehen der vertragszahnärztlichen Zulassung. Es reiche, wenn der Sachverhalt sicher ermittelt sei. Und es komme auch ein Zulassungsentzug in Betracht, wenn die Pflichtverletzung außerhalb des sogenannten Kernbereichs (Behandlung, Abrechnung) begangen wurde. Allerdings muss dann der Verstoß besonders schwerwiegend sein. Hier fiel besonders die lange Dauer der Übergriffe ins Gewicht.
Andere Beispiele für den Entzug der Zulassung wegen Verfehlungen außerhalb des Kernbereichs sind zum Beispiel: versuchte Vergewaltigung einer Mitarbeiterin, sexuelle Übergriffe gegen Auszubildende, fortgesetzte und grob beleidigende Äußerungen gegenüber Mitarbeitern der Kassenzahnärztlichen Vereinigungen oder Mitarbeitern von Krankenkassen.
Der wirtschaftlichen Grundlage beraubt
Der Verlust der vertragszahnärztlichen Zulassung durch Entzug hat natürlich für den Betroffenen drastische Auswirkungen. Er wird seiner wirtschaftlichen Grundlage beraubt. Das bedeutet zweierlei: Zum einen ist ein strenger Maßstab anzulegen, bevor eine „gröbliche“ Pflichtverletzung angenommen werden kann. Zum anderen sollte jeder Zahnarzt schon den Anschein einer solchen Pflichtverletzung vermeiden. Und wenn ein entsprechendes Verfahren gegen ihn eröffnet wird, sollte er „nichts ohne seinen Anwalt sagen“.
Dr. med. dent. Wieland Schinnenburg, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht, Hamburg
Dr. Wieland Schinnenburg studierte Zahnmedizin und Jura und war bis Ende 2017 als Zahnarzt in eigener Praxis in Schleswig-Holstein tätig. Parallel arbeitete er als Rechtsanwalt und Mediator in Hamburg und ist in diesem Bereich weiter aktiv. Schinnenburg ist FDP-Mitglied und war unter anderem Vizepräsident der Hamburgischen Bürgerschaft. Seit der Bundestagswahl 2017 ist er Mitglied des Deutschen Bundestags. Er ist Mitglied des Gesundheits- und des Rechtsausschusses und Drogenpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion. Foto: Burgis Wehry/Schinnenburg