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KZBV-Vorstand erläutert Hintergründe und Details – DGZMK und DG Paro begrüßen Umsetzung des aktuellen wissenschaftlichen Stands in die Praxis

(c) Alex Mit/Shutterstock.com

Die neue Richtlinie zur systematischen Therapie parodontaler Erkrankungen, kurz PAR-Richtlinie, in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) bringt zum 1. Juli 2021 Neuerungen und viele Fragen in den Praxen. Der Vorstandsvorsitzende der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV), Dr. Wolfgang Eßer, und der stellvertretende Vorstandsvorsitzende Martin Hendges erläuterten im Hintergrundgespräch für die Presse am 12. Mai 2021 Details.

Leistungen sind 2021 und 2022 nicht budgetiert

Dr. Wolfgang Eßer, Vorstandsvorsitzender der KZBV
Dr. Wolfgang Eßer, Vorstandsvorsitzender der KZBV
Foto: KZBV/axentis.de
Eine oft aus den Zahnarztpraxen vorgebrachte Befürchtung ist danach unbegründet: Die Leistungen der neuen PAR-Richtlinie werden für 2021 und 2022 nicht budgetiert. Praxen müssen also nicht befürchten, dass ihnen erbrachte Leistungen aus PAR-Behandlungen über einen Honorarverteilungsmaßstab (HVM) ihrer KZV wieder gekürzt werden. Hintergrund ist, dass Festlegung einer „Vergütungsobergrenze“ (Budgetierung) der zahnärztlichen Leistungen insgesamt mit dem Ende 2020 beschlossenen „Gesetz zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung und Pflege" (Gesundheitsversorgungs- und Pflegeverbesserungsgesetz – GPVG) für die Jahre 2021 und 2022 ausgesetzt wurde. Damit werden alle von den Zahnärzten rechtmäßig erbrachten Leistungen auch honoriert.

Gesamtvergütung 2023 orientiert sich an Morbiditätsentwicklung 2022

Für die Verhandlungen über die Gesamtvergütung des Jahres 2023 werden dann die im Jahr 2022 erbrachten Leistungen Grundlage für die sogenannten Mengengerüste sein. Damit fließt auch die Morbiditätsentwicklung, hier also die 2022 beantragten und in Anspruch genommenen Leistungen nach der PAR-Richtlinie, in die Verhandlungen für die Gesamtvergütung 2023 ein.

Keine Umrelationierung im Bema

Auch sind die Leistungsbewertungen der Richtlinie nicht – wie 2004 bei der Bema-Neubewertung – umrelationiert, es werden also keine anderen Bema-Leistungen abgewertet. Die geschlossene und offene Therapie sind nicht neu bewertet worden und bleiben unverändert. Dafür kommen neue und neu bewertete Leistungen wie das zahnärztliche Gespräch und die Leistungen zur Unterstützenden Parodontaltherapie (UPT) hinzu. Die Richtlinie mit Leistungsbeschreibungen und Bewertungen kann seit Anfang Mai bereits auf der Internetseite der KZBV abgerufen werden.

Aufgewerteter PSI, neue Leistungen ATG und UPT

Neu ist die Aufnahme des Parodontalen Screening-Indexes (PSI, Bema-Nr. 04) als echtes Tool in die Richtlinie. Hier erhalten die Patienten ab 1. Juli 2021 schriftlich eine Information über das Ergebnis und einen sich daraus ergebenden Diagnose- und Behandlungsbedarf: „Der Versicherte erhält eine Information über das Untersuchungsergebnis, den möglichen Behandlungsbedarf, die Notwendigkeit zur Erstellung eines klinischen und eines röntgenologischen Befunds sowie zur Stellung der Diagnose. Diese Informationen erfolgen in einer für den Versicherten verständlichen Art und Weise auf dem Vordruck 11 der Anlage 14a zum BMV-Z“. Dafür ist der PSI aufgewertet worden und wird jetzt mit zwölf Punkten bewertet.

Martin Hendges, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der KZBV
Martin Hendges, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der KZBV
Foto: KZBV/Baumann
Neu sind das Parodontologische Aufklärungs- und Therapiegespräch (ATG), das mit 28 Punkten bewertet ist, die Befundevaluationen drei bis sechs Monate nach Antiinfektiöser Therapie (AIT) und Chirurgischer Therapie (CPT) (je 32 Punkte) und der Komplex der UPT, der verschiedene, zum Teil fallindividuell fakultative Leistungen enthält. Die UPT ist ein- bis dreimal jährlich über zwei Jahre möglich, die Häufigkeit wird nach dem Grad der Parodontalerkrankung festgelegt. Eine Verlängerung der UPT um ein halbes Jahr ist möglich.

Martin Hendges erläuterte, dass die Leistungen der supragingivalen und gingivalen Reinigung (UPT c) mit 3 Punkten je Zahn in etwa an die GOZ Nummer 1040 (PZR) angelehnt wurde. Der Berechnung lagen die Frequenzen der Inanspruchname der PAR-Leistungen 2018/2019 und die Erhebungen der arbeitswissenschaftlichen BAZ-II-Studie zugrunde, wonach drei Punkte für eine Behandlungsminute angenommen werden.

Keine Aussagen zu Auswirkungen auf Leistungsausgabe der Kassen

Zum möglichen Anstieg der PAR-Behandlungen in der GKV durch die neue Richtlinie und die Auswirkungen auf die Leistungsausgaben der Kassen wollten Eßer und Hendges angesichts der Komplexität der Antragsleistung und der verschiedenen Faktoren „keine Mutmaßungen anstellen“. Ein stetiges Wachstum der Therapie parodontaler Erkrankungen sei angesichts der in der Deutschen Mundgesundheitsstudie ermittelten Prävalenz der Volkskrankheit Parodontitis „von allen Seiten gewünscht“, so Eßer.

Delegationsrahmen liegt bei der BZÄK

Zur Frage, ob Leistungen aus der PAR-Richtlinie in der Praxis an entsprechend qualifizierte Mitarbeitende delegiert werden können, verwies Eßer auf die Bundeszahnärztekammer. Die Leistungen seien im Bema als zahnärztliche Leistungen behandelt und bewertet worden, so der KZBV-Vorstandsvorsitzende. Für die mögliche Delegation zahnärztlicher Leistungen an qualifiziertes Fachpersonal gebe es den Delegationsrahmen der Bundeszahnärztekammer, der hier entsprechende Vorgaben und Empfehlungen enthalte.

Gesonderte Richtlinie für vulnerable Patientengruppen

Eßer und Hendges wiesen auch noch einmal auf den besonderen Erfolg mit dem einvernehmlichen Beschluss einer gesonderten PAR-Richtlinie für vulnerable Patientengruppen wie Pflegebedürftige und Menschen mit Handicap hin. Hier können bedarfsgerecht angepasste PAR-Leistungen in einer vereinfachten Anzeigepflicht durchgeführt werden. Anspruchsberechtigt für modifizierte Leistungen sind Pflegebedürftige und Bezieher/innen von Eingliederungshilfe, bei denen die Fähigkeit zur Aufrechterhaltung der Mundhygiene nicht oder nur eingeschränkt möglich ist, die bei einer Behandlung eine Allgemeinnarkose benötigen oder bei denen keine oder nur eine eingeschränkte Kooperationsfähigkeit besteht. Bei Patientinnen und Patienten, die eine Behandlung in Allgemeinnarkose benötigen, können Zahntaschen ab einer Sondierungstiefe von 6 Millimetern in Ausnahmefällen auch in einem chirurgisch offenen Verfahren gereinigt und versorgt werden.

Die UPT ist auch hier ür die Dauer von zwei Jahren vorgesehen. Außerdem können die präventiven Leistungen für diese Gruppen nach den Bema-Nrn. 174a und 174b weiter je Kalenderhalbjahr einmal abgerechnet werden. Diese Anpassung zur PAR-Richtlinie wurde im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) bereits beschlossen und kann auf der G-BA-Website abgerufen werden.

Mit Hochdruck an neuen Formularen

Aktuell wird mit Hochdruck an den nötigen neuen Formularen und deren Abstimmung gearbeitet, auch die PVS-Hersteller sind eingebunden und programmieren die entsprechenden neuen Module und Formulare. Allerdings sei der Zeitraum bis zum Inkrafttreten der Richtlinie wieder sehr knapp für alle Beteiligten, so Martin Hendges. Man bitte daher um Verständnis, wenn in einer Übergangszeit noch nicht alle neuen Formulare sofort und überall verfügbar seien.

Übergangslösung für bereits beantragte PAR-Behandlungen

Auch eine Übergangslösung für bereits beantragte PAR-Behandlungen wird derzeit vorbereitet. „Es wird eine Übergangslösung geben, bei der vor dem 1. Juli erstellte Pläne, bei denen die Behandlung noch nicht begonnen wurde, nach dem neuen Leistungskatalog erbracht werden können. Vor dem 1. Juli 2021 bereits begonnene PAR-Therapien können nicht mehr auf die neue Richtlinie umgestellt werden und werden nach den alten Vorgaben abgeschlossen und abgerechnet“, so Martin Hendges.

Neue Richtlinie aus wissenschaftlicher Sicht ein großer Erfolg

Prof. Dr. Roland Frankenberger, Präsident der DGZMK
Prof. Dr. Roland Frankenberger, Präsident der DGZMK
Foto: DGZMK/Spillner
Positiv reagiert auch die Wissenschaft auf die neue Richtlinie: „Aus rein wissenschaftlicher Perspektive war dieser Schritt überfällig, deshalb begrüßen die Deutsche Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK) und die Deutsche Gesellschaft für Parodontologie (DG Paro)“ die neue PAR-Richtlinie, heißt es in der Pressemitteilung beider Gesellschaften. „Diese neuen Regelungen verbessern nicht nur allgemein die Möglichkeiten zur Bekämpfung der Volkskrankheit Parodontitis in den Praxen, wovon viele Patient*innen profitieren werden. Sie erleichtern außerdem vulnerablen Patientengruppen, die davon besonders betroffen sind, den unbürokratischen Zugang zu Leistungen, die deren Lebensqualität verbessern. Und sie gibt erstmals der sprechenden Zahnmedizin den Raum, der für ein vertrauensvolles Arzt-Patienten-Verhältnis unabdingbar ist“, begrüßt DGZMK-Präsident Prof. Dr. Roland Frankenberger die Entscheidung

„Davon werden Zahnärzte, aber vor allem Patienten profitieren“

Prof. Dr. Bettina Dannewitz, Präsidentin der DG Paro
Prof. Dr. Bettina Dannewitz, Präsidentin der DG Paro
Foto: DG Paro
Für die Präsidentin der DG Paro, Prof. Dr. Bettina Dannewitz, geht mit der Verabschiedung der neuen PAR-Richtlinien und der Veröffentlichung der Ergebnisse des Bewertungsausschusses ein langwieriger politischer Beratungs- und Abstimmungsprozess erfolgreich zu Ende: „In Hinblick auf die Prävalenz und die oralen und systemischen Auswirkungen von Parodontitis muss die Prävention und Therapie der Erkrankung ein fester Bestandteil der zahnmedizinischen Versorgung unserer Patienten sein. Die neuen PAR-Richtlinien verbessern maßgeblich die Rahmenbedingungen für die systematische Parodontitistherapie in der GKV, davon werden Zahnärzte, aber vor allem Patienten profitieren. In der neuen Versorgungsstrecke wird ein wissenschaftlich fundiertes und breit akzeptiertes Behandlungskonzept abgebildet, das im Wesentlichen dem Therapieprotokoll der S3-Leitlinie für Parodontitis entspricht, die von DG Paro und DGZMK mit einer breiten Beteiligung von Experten Anfang des Jahres in Deutschland implementiert wurde. Das ist ein großer Erfolg nach vielen Jahren intensiver Arbeit und Auseinandersetzung und eine große Chance, da Praxis und Wissenschaft nicht mehr differieren.“

 

 

Aus dem Statement des KZBV-Vorstandsvorsitzenden Dr. Wolfgang Eßer zum Pressegespräch am 12. Mai 2021:

[…] Wir Zahnärzte bekommen dann endlich in den Praxen die notwendigen Instrumente an die Hand, um den jahrelangen Stillstand in der Parodontitistherapie zu beenden. Unsere Vorstellungen einer zeitgemäßen Versorgung auf diesem Gebiet haben wir als Zahnärzteschaft gemeinsam mit der Wissenschaft bereits vor Jahren klar formuliert: Wir brauchen die sprechende Zahnmedizin, um Patientinnen und Patienten in der Therapie „mitzunehmen“ und um die Mundgesundheitskompetenz zu stärken. Wir müssen die Ergebnisse der Therapie evaluieren können. Ebenso müssen wir den Behandlungserfolg durch eine unterstützende Parodontitistherapie nachhaltig sichern.
[…]
Die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung hat sich daher bereits seit Jahren dafür eingesetzt, dass gesetzlich Versicherte eine Parodontitistherapie bekommen, die dem aktuellen Stand wissenschaftlicher Erkenntnisse entspricht.
Nach langen, intensiven und oft harten Verhandlungen im Gemeinsamen Bundesausschuss haben wir mit der Richtlinie zur systematischen Behandlung von Parodontitis und anderer Parodontalerkrankungen diese Lücke in der Versorgung endlich geschlossen. Gelungen ist uns das mit einer klaren Zielvorstellung, zäher Verhandlungstaktik und dem bereits erwähnten, engen Schulterschluss mit der Wissenschaft. […]

Die neue Behandlungsstrecke
Die Inhalte der neuen Richtlinie setzen auf den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen und der neuen Klassifikation parodontaler Erkrankungen der Fachgesellschaften auf. Die Erkrankung kann auf dieser Grundlage künftig mit umfassenden, am individuellen Bedarf der Patienten ausgerichteten Maßnahmen bekämpft werden. […] Die „sprechende Zahnmedizin“ in der Parodontitistherapie findet damit erstmals Eingang in die GKV-Versorgung. […]
Neben dem verbesserten therapeutischen Ansatz haben wir auch der Früherkennung besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Wir haben den Parodontalen Screening Index als echtes Screeninginstrument ausgestaltet und an aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse angepasst. So bekommen Zahnärzte nunmehr ein wirksames Instrument der Früherkennung an die Hand. […]

Angemessene Honorierung der neuen Leistungen
Neben der fachlichen Ausgestaltung spielt auch immer die Frage der Vergütung der behandelnden Zahnärztinnen und Zahnärzten eine zentrale Rolle. Eine zeitgemäße Therapie kann nur dann effektiv in der Versorgung umgesetzt werden, wenn die Leistungen angemessen honoriert werden. Auch hier können wir sagen: Wir haben dieses Ziel erreicht! Wir haben uns mit den Kassen nach langwierigen Verhandlungen einvernehmlich auf ein umfängliches Vergütungspaket geeinigt. Die Bewertungen, die wir erzielt haben, orientieren sich vollständig am Aufwand.
Wir haben damit die Grundlage geschaffen, dass die Parodontitistherapie in Zukunft wieder betriebswirtschaftlich tragfähig erbracht werden kann. Damit revidieren wir die Folgen der schweren politischen Fehlentscheidungen, die mit der zwangsweisen Abwertung der PAR-Leistungen in den Jahren 2003 und 2004 einhergingen. Insbesondere die „neuen“ Leistungen, wie die unterstützende Parodontitistherapie, die Evaluation und die Gesprächsleistungen werden angemessen honoriert. Die gesamte Behandlungsstrecke wird in der Praxis so eine deutliche Aufwertung erfahren.
[…]
Dass beide Richtlinien, ein umfangreicher Leistungskatalog und die Leistungsbewertungen im Konsens erarbeitet wurden, ist ein versorgungspolitischer Meilenstein und zeigt erneut die hohe Leistungsfähigkeit der gemeinsamen Selbstverwaltung. Als Zahnärzteschaft sind wir jetzt gefordert, Prävention, Früherkennung und Therapie voranzubringen, um die Mundgesundheit unserer Patienten weiter zu verbessern. Kausale Bezüge von Parodontalerkrankungen mit systemischen Erkrankungen wie Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder rheumatoider Arthritis werden wir künftig verstärkt in den Blick nehmen müssen. Gemeinsam mit der Wissenschaft und Kolleginnen und Kollegen anderer ärztlicher Fachrichtungen werden wir neue Formen der interdisziplinären Kooperation schaffen. Nach den erzielten Erfolgen sind wir uns als Berufsstand aber sicher, dass uns auch das im Sinne einer kontinuierlich verbesserten Versorgung gelingen wird.

Das vollständige Statement kann ebenso wie die Richtlinie auf der Internetseite der KZBV heruntergeladen werden.

 

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