Auf dem großen Messestand von Dentsply Sirona in Halle 11.2 auf der Internationalen Dental-Schau Mitte März 2023 in Köln nahm die Präsentation einen besonderen Raum ein: Mit Countdown und etwas Show wurde die Cloud-Plattform DS Core dem internationalen Publikum vorgestellt – die Aufmerksamkeit war dem Unternehmen damit sicher.
Was die Cloud kann und können wird, wie unterschiedlich die Resonanz in den USA und Deutschland ist und wie sicher Zahnarztpraxen und Dentallabore in Deutschland damit arbeiten können – darüber gab Max Milz im Gespräch mit Quintessence-News-Chefredakteurin Dr. Marion Marschall auf der IDS Auskunft. Milz ist als „Group Vice President Digital Platforms & Solutions“ für die digitalen Plattformen und Lösungen des Unternehmens zuständig. Milz hat in Cambridge und Harvard studiert und war mehr als zwölf Jahre mit internationalen Stationen bei Siemens Advanta Consulting tätig, bevor er 2021 zu Dentsply Sirona stieß.
Sie haben DS Core als zentrale Plattform für die Vernetzung und Zusammenarbeit in der Zahnmedizin vor gut einem Jahr vorgestellt, wie ist die Resonanz darauf?
Max Milz: Wir haben in den USA sofort sehr viel Aufmerksamkeit dafür bekommen, in Deutschland hat es ein klein wenig länger gedauert – ganz ähnlich zu Cerec damals.
Weil die Regularien nicht so streng sind?
Milz: Ich glaube, es ist eher eine Affinität zur Digitalisierung. Die ist in den USA höher als in Deutschland. Wir haben die Plattform damals bewusst relativ früh herausgebracht und nicht gewartet, bis sie praktisch alles kann. Gerade Plattformen lassen sich besser, schneller und gezielter weiterentwickeln, wenn viel Feedback vom tatsächlichen Anwender einfließen kann, weil wir so erfahren, was sich der Anwender konkret wünscht.
Der Erfolg dürfte davon abhängen, wie gut und schnell die Datenleitungen sind.
Milz: Nicht unbedingt, Datengeschwindigkeit war bisher keine Herausforderung. Dazu muss man vielleicht etwas erklären: DS Core ist eine cloud-native Plattform. Das heißt: Es werden keine Daten hin- und hergeschickt. Up- und Download „kosten“ sicherlich Datenvolumen, aber das Teilen nicht. Denn: Sie zeigen Ihren Partnern oder den Patienten nur Bilder von den Daten.
Stellen Sie sich das vor wie bei Netflix: Sie öffnen Ihren Browser und loggen sich mit Ihren Zugangsdaten ein. Sie brauchen auch keinen VPN-Zugang, es ist alles verschlüsselt. Sie selbst können dank Ihres „Schlüssels“, den übrigens nur Sie haben, auf die Daten zugreifen – von überall aus. Und wenn Sie möchten, dass Ihr Kollege die Daten sieht, teilen Sie das Bild von den Daten. Dabei wird auch alles dokumentiert: wann Sie das getan haben, wie lange und mit wem. Sie verschicken nicht die Daten selbst!
„Sie verschicken nicht die Daten selbst“
Das ist ein wichtiger Punkt, der bisher nicht klar herausgekommen ist. Es entstand bisher der Eindruck, dass ich als Anwender anderen Zugriff auf meinen Datenspeicher gewähren muss. Das würde das Tor öffnen für einen Datentransfer, den ich nicht will.
Milz: Natürlich muss es die Möglichkeit geben, Daten herunterzuladen, Ihr Techniker soll ja beispielsweise mit dem Scan weiterarbeiten. Doch das genehmigen Sie ganz explizit für diesen einen Scan. Ihr Techniker kann damit weiterarbeiten – übrigens mit der Software, die er hat, die Kompatibilität ist sichergestellt. Interessant dabei: In dem Moment, da Sie als Zahnarzt die Daten verschicken, wird Ihr Techniker informiert, er erhält eine Mitteilung. Über einen Chat kann er Ihnen sagen, ob der Scan okay ist oder wiederholt werden muss, und zwar, während der Patient noch auf dem Stuhl sitzt.
Sie sind mit zwei Service-Angeboten gestartet: DS Core Create und DS Core Care. Was verbirgt sich dahinter, und wie wird das angenommen?
Milz: DS Core Care ist unser Geräteservice- und Supportprogramm. Lassen Sie mich das an einem Beispiel erklären: Ihr Intraoralscanner in der Praxis funktioniert nicht. Sie kontaktieren Ihren Fachhändler beziehungsweise den Hersteller, und der stellt Ihnen erst einmal viele Fragen, etwa nach der Seriennummer, der Firmware usw. Sie verlieren viel Zeit damit, das Gerät zu identifizieren, von der Problemlösung war bis dahin noch nicht mal die Rede.
Mit DS Core Care könnten Sie das Gerät anmelden, und der Techniker weiß sofort Bescheid und kann sich in den meisten Fällen mit einer Software auf das Gerät aufschalten und weiterhelfen. Und das Beste: Mit diesem Feature sind die Geräte zukünftig softwareseitig immer auf dem neuesten Stand. Automatisch.
DS Core Create ist sinnvoll, wenn Sie auch unser 3-D-Drucksystem Primeprint haben, aber das Design dessen, was Sie drucken wollen, nicht selbst machen möchten. Wir nutzen dieses Portal, was wir für DS Core Create entwickelt haben, auch dafür, das Case Connect Center (CCC) über die Zeit abzulösen und in die Plattform einzubinden. Dieses Portal kennen Zahnärzte und Zahntechniker bereits. Damit ließen sich bisher Scan- und Modelldaten teilen. Das geht jetzt über DS Core für mehr Datentypen als bisher - inklusive Röntgendaten.
DS Core, das ja mit Google Cloud entwickelt wurde, ist eine offene Plattform. Was bedeutet das? Kann sie auch mit Geräten oder Software genutzt werden, die nicht von Dentsply Sirona stammen?
Milz: DS Core ist tatsächlich offen. Sie können sehr viele gängige Dateiformate mit „drag&drop“ in DS Core hochladen. Der automatische Upload funktioniert nur mit Dentsply Sirona-Geräten. Für den Download gibt es integrierte Konvertierungstools, um die Daten auch direkt in der Software von anderen Anbietern nutzen zu können.
Schritt für Schritt alle Softwarepakete durch DS Core ablösen
Welche weiteren Anwendungen sind denn schon verfügbar beziehungsweise angekündigt? Wie geht es in der Zusammenarbeit mit Google Cloud weiter?
Milz: Plattformlösungen bieten den unschätzbaren Vorteil, dass wir ständig daran weiterentwickeln können. Wir hatten auf unserem IDS-Stand fast 70 Scanner angeschlossen und einen Entwickler dabei, der viel Input bekommen hat, weil die Besucher natürlich viel damit ausprobiert und uns Feedback gegeben haben.
Wir bringen jetzt in immer kürzeren Abständen neue Funktionen heraus, von denen DS-Core-Abonnenten automatisch profitieren – ohne Neuinstallation von Updates. Und unser Ziel ist es, Schritt für Schritt alle Dentsply-Sirona-Softwarepakete durch DS Core abzulösen.
In Deutschland ist man mit dem Datenschutz sehr streng in vielen Dingen, gerade im Medizinbereich. Zahnarztpraxen dürfen zum Beispiel nicht alle Cloud-Lösungen nutzen und müssen auch eine Richtlinie zur IT-Sicherheit beachten. Wird DS Core diesen hohen Anforderungen in Deutschland gerecht?
Milz: Auf jeden Fall. Wichtig dabei: Die Praxis muss regelkonform handeln, und wir müssen als Plattformbetreiber Tools zur Verfügung stellen, die regelkonformes Handeln ermöglichen. Das tun wir beispielsweise auch damit, dass wirklich alles dokumentiert wird: Wann erfolgte ein Upload? Mit wem wurde wann für welchen Zeitraum eine Ansicht geteilt? Wer hat die Daten wann heruntergeladen? Selbstverständlich sind die Personen, die diese Daten nutzen, verpflichtet, sich an die Datenschutzregeln zu halten.
Beim 3-D-Druck noch am Anfang einer umfangreichen Entwicklung
DS Core Create bietet vor allem Designdienstleistungen, nicht zuletzt für den 3-D-Druck. Sie haben 2022 dazu auch zwei neue Geräte im Primeprint-System vorgestellt. Wie entwickelt sich das Segment 3-D-Druck aus Sicht von Dentsply Sirona? Und was wird von den Nutzern besonders nachgefragt? Und welche Rolle spielt der in Deutschland starke Zahntechnik-Sektor?
Milz: Der 3-D-Druck ist in der Medizin und Zahnmedizin ein durchaus boomender Markt. Das spüren wir auch mit unserer Primeprint Solution. Dennoch meine ich, dass wir gerade im Dentalbereich erst am Anfang einer noch viel umfangreicheren Entwicklung stehen, die ja sowohl im größeren Fertigungsbereich im Labor als auch direkt in der Praxis liegen, worauf wir uns fokussieren. Und dort wird der 3-D-Druck nicht das Schleifen und Fräsen ersetzen.
Für mich ist die aktuelle Trennung klar: Drucken ist für temporäre Indikationen, Fräsen für permanente Versorgungen. Das liegt vor allem an der unterschiedlichen Festigkeit der Materialien.
Dazu kommen einige sehr wichtige Fragen: Wie lässt sich ein Drucker, der so gut wie alles drucken kann, eigentlich in eine Praxis integrieren? Rechnet sich das auch? Neue Technologien erfordern Investitionen, Änderungen bei den Workflows, eine neue Software, die erlernt werden muss. Und wie sicher wäre so ein Drucker? Die Stichworte lauten Arbeit mit giftigen Chemikalien, Dämpfe, Hygiene. Und schließlich brauchen Sie die Konformität laut Medizinproduktegesetz. Die Anforderungen an etwas, das permanent im Mund bleiben soll, sind zu Recht sehr hoch.
Da Sie nach der Resonanz bei Zahntechnikern fragen: Primeprint ist eine ideale Lösung für den Zahntechniker, der in einem Praxislabor arbeitet, und davon gibt es in Deutschland sehr viele.
Sie bewerben Primeprint in Kombination mit DS Core. Ein wenig erinnert das an Cerec, bei dem es ja auch eine Weile gedauert hat, bis viele sagten: Jetzt kann ich es mir kaufen.
Milz: Ich denke, dass die Hürde heute kleiner ist. Doch vielleicht erleben wir mit DS Core jetzt den Cerec-Moment unserer Generation. Es braucht etwas Zeit, bis allen klar wird, was das alles ermöglicht. Doch DS Core löst bereits heute viele Probleme und ist eine spannende, technische Revolution.
Max Milz kam im Januar 2021 zu Dentsply Sirona, um das klinische Software- und Dienstleistungsgeschäft des Unternehmens zu leiten und den Übergang zu einer neuen Cloud-Plattform voranzutreiben. In seiner Rolle als Group Vice President Digital Platforms & Solutions bei Dentsply Sirona ist er weltweit für die Bereiche Geräte, Software und Cloud- Plattformen des Unternehmens verantwortlich, darunter Imaging, CAD/CAM und Behandlungszentren.
Milz verfügt über umfangreiche Führungserfahrung in der High-Tech- Branche. Bevor er zu Dentsply Sirona kam, war er zwölf Jahre lang bei der Siemens AG tätig. Dort arbeitete er in allen Geschäftsbereichen des Unternehmens mit dem Schwerpunkt auf Strategie und digitaler Transformation, insbesondere in den Bereichen Gesundheitswesen und digitale Automatisierung. Seine letzte Position war Senior Partner Management Consulting. Während seiner Zeit bei Siemens arbeitete Max weltweit, davon fünf Jahre in China, wo er an den CEO von Siemens China berichtete.
Max Milz hat einen Master of Public Policy von der Harvard University, USA, und einen M.A. / B.A. in Wirtschaft, Recht und Umwelt von der University of Cambridge, UK.